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Melodie

Aus dem Tode steigt das Leben.

Aus dem Leben steigt der Tod!

Tagschein muh zu Nacht verschweben
Und die Nacht im Morgenrot!

Wiederkunft seit Ewigkeiten
In der wechselnden Gestaltung!

Denn das Sein kennt nur Entfaltung
Und du muht den Lichtweg schreiten!

Wiederkunft noch in Äonen!

Wie du eintratst, uranfänglich,

Ist dein Leben unvergänglich
Und du bleibst im Weltall wohnen!

Tagschein muh zu Nacht verschweben
Und die Nacht im Morgenrot!

Aus dem Tode steigt das Leben
Und das Leben aus dem Tod! im Naimai

Max Hayek

Hans Hofmüller (gefallen vor

In die Fernen

Oie Oreibuberlhütte

Von

Karl Ettlinger

Morpheus, der Gott des Schlafes und des
Traumes, schlich betrübt im Olymp umher und
hielt sich die rechte Wange.

Es lieh sich nicht leugnen: er hatteeine Ohr-
feige gefangen. Eine Pfundwatfchen, wie man
auf altgriechisch zu sagen pflegte. Und sie war
gut gewogen gewesen^ die Wange war hochauf
geschwollen, so hoch, dah er nur mühsam mit
den Zähnen Rache knirschen konnte.

War das überhaupt noch ein Verkehrston
im Olymp? Oh, wie gemütlich war es doch
dereinst gewesen, als die alten Griechengötter noch
unter sich waren: nun ja, es hatte manchmal
ein bischen Krach gegeben, besonders zwischen
den Verheirateten, bis man endlich eingesehen
hatte, daß nicht Zeus sondern Aphrodite die
mächtigste Gottheit ist, aber fidel war's alleweil.
Und wie sie ihm, dem Morpheus, hatten schön
tun können, so oft ein Gott oder eine Göttin
das Bedürfnis verspürten, einer Sterblichen oder
einem Sterblichen im Traum zu erscheinen!

„Mein liebes Morpheuschen, nicht wahr, heute
Nacht .... Du weißt schon .... und Diskretion
Göttersache!!"

Und jetzt eine Watsche! Eine richtige, irdische
Watsche!

Daran war nur der üble Brauch schuld, sterbliche
Helden und Genies nach ihrem Tode in den Olymp
aufzunehmen. Mit dem Herakles, dem löwen-
felligen Lackel, hatte der Unfug angefangen und
das Ende war überhaupt nicht abzusehen.

Und eine Watsche! Ein gewatschter Gott —
— nein, was zu viel ist, ist zu viel!

Morpheus schlich trostlos einher und sann
auf Rache. Rache ist süßer als Nektar und
bezugsscheinfreier als Zucker.

Gerade bog er um einen Fixstern, da sah er
einen Himmlischen, der schien ihm noch betrübter
als er selbst.

„Ehen," dachte er. „Sollte der vielleicht
auch .. ?"

Aber nein, das war ja noch einer von den
sympathischsten Halbgöttern, das war ja der
Schubertfranzl.

Die Welt ist schlafen gegangen;

Nur drunten der FluJ? im Tal
Und Liebe und Verlangen
Sie seufzen noch vielemal.

Sie seufzen und wollen nicht schweigen
Und rauschen voll Leid und Lust,

Der Fluß dort unter den Zweigen
Der Herzschlag in der Brust.

Und ob im dunklen Grunde,

Die kühle Welle singt.

Ob sich vom hebenden Munde
Ein Lied der Sehnsucht ringt —

Gott über seinen Sternen
Beim goldnen Harfenspiel,

Gibt Allen in die Fernen
Das heifersehute Ziel.

FRANZ LANGHEINRICH

„Grüß Di Zeus," sagte er. „Was hast denn,
Meister?"

„Ich bin kein Meister!" brummte der Franzl
ärgerlich. „Ich bin eine Operett'!"

„Na, na, na," begütigte Morpheus. „Nur
nicht gleich so grob, altes Haus!"

Jetzt wurde der Franzl ganz wütend. „Ich
bin kein altes Haus, sondern ein Dreimäderl-
haus! Ja, schau mich nur an, . . ja, wie guckst
Du denn selbst aus? Dir hat scheint's einer
eine... ?"

„Zwei!" berichtigte Morpheus. „Zwei! Der
Beethoven war's, der grantige Mensch, — Ver-
zeihung, Halbgott!"

„So. so, der Beethoven! Wenn der Dir
zwei Ohrfeigen gibt, dann hast wahrscheinlich
drei verdient!"

„Weil er keinen Spaß versteht!"
schmollte Morpheus. „Bloß weil M) ge-
sagt Hab': heut schicken's auf Erden
wieder einen Haufen ländlicher Verwun-
deter in den Tristan, — das gibt wieder
eine Arbeit für mich armen Gott des
Schlafes! Bums, Hab' ich eine gehabt!
Aber Rache! Ich tu ihm was an!
Weißt D u mir nix, was ihn recht giften
tat V"

„Ich weiß gar nix, ich bin a Operett'I"
fauchte der Schubertfranzl. Wandte ihm
den Rücken und ging traurig von dannen.

Und noch von ferne hörte der Traum-
gott ihn jammern: „Jetzt war ich so ein
solider Mensch und werd auf meine alten
Tag a Operett'!! . ."

Und da glitt ein Schinuner der Freude
über die geschwollene Wange des Mor-
pheus, so hell, wie die Freude nur schim-
mert, wenn einem ganz was Schlechtes
eingefallen ist, und er schmunzelte: „Lud-
wig!, Ludwig!. ich glaub alleweil, heut
schläfst Du nit besonders!!" ..

Auf einem Wolkensaum ruhte Beet-
hoven und schlummerte. Ihm zu Häupten
Verdun) saß Morpheus, in der Linken eine Wafier-
fchale, in der Rechten einen Strohhalm,
und blies Seifenblasen. Die erste Seifen-
blase stieg empor und flatterte über Beethovens
Kopf.

Ein breiter Strom spiegelte sich in ihr, Häuser
wurden sichtbar, Straßen bildete» sich und nun
sah es Beethoven deutlich: das war ja die Stadt
Bonn — und da war auch die Rheingasse —
und da tummelten sich drei Buben, der Ludwig,
der Karl und der Johann.

Die drei Buben spielten im Hofe, als ein
fernes lustiges Singen sie aufhorchen machte:
Eine Mozartsche Melodie, gesungen von einer
heiseren Tenorstimme, kam die Straße herab-
geträllert. Aber, ach, sie führte dabei einige
fröhliche Entgleisungen auf. die ihr Meister Wolf-
gang Amadeus bei ihrer Geburt keineswegs mit
auf den Weg gegeben hatte.

„Das ist Papa!" brüllte Karl.

„Und er hat wieder eines über den Durst
getrunken!" fügte der kleine Ludwig bekümmert
hinzu. „Wir müssen ihn holen!"

Und alle drei stürmten aus dem Hof, um
Vater Beethoven mit zärtlichem Zureden außer
Sehweite des Straßenpublikums zu bringen.

Der Meister lächelte im Traume, — da platzte
die Seifenblase.

Aber schon stieg eine neue empor, die Morpheus,
boshaft grinsend, über Bethovens Kopf blies.

Dieses Platzen der Seifenblasen ist Schuld
daran, daß wir in unseren Träumen so oft und
jäh den Schauplatz wechseln.

Der Rhein war verschwunden, die Donau
tauchte auf. Und wieder spiegelten sich Häuser,
Straßen, und in den Straßen erging sich ein
leichtlebiges Völkchen. Da war der Slcphansdom
— die Glocken läuteten — und auf dem Pflaster
stand ein Mann schaute nachdenklich empor, als
könne er die Glöckentöne wie putzige Englein
nach allen Windrichtungen dem Turm entflattern
sehen.

Ei, war er das nicht selbst?

Freilich, das war ja der alte Beethoven. Jetzt
verschwand er unter Menge — tauchte wieder
auf — schien einen bestimmten Weg zu verfolgen.

Aha, da war das Theater an der Wien.

Und da schritt er auch schon durch das Portal,
ließ sich von der Menlchenniasse an die Garderobe
schieben, trat in das Parkett.

Ein Türhüter erkannte ihn.

„Ah, das is nett, daß uns der Herr von
Beethoven einmal wieder die Ehre schenkt-" plau-
derte der redselige Mann. „Sind lang nicht
mehr Heringewesen, Euer Gnaden! Seit damals.

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Register
Franz Langheinrich: In die Fernen
Max Hayek: Melodie
Karl Ettlinger: Die Dreibuberlhütte
Hans Hofmüller: Im Mühltal
 
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