ist ein Sch-Haus!" Und ein Dritter meint,
wenn man ein Tier so unterbringe, laufe man Ge-
fahr, wegen Tierquälerei angeklagt zu werden.
So geht es eine Stunde fort. Aber: wenn ihr
daheim schimpft, meine Herren Huber, Grandinger
oder Labermeier, so drückt ihr mit eueren schweren
Weltkugeln todsicher eine Bierbank. Die Grena-
diere aber — und das ist der Unterschied — werden
beim Abladen ihres Grolls, ihrer Seelenlast, aus
Knechten imnier mehr Meister; sie haben längst
irgend ein Werkzeug in der Hand. Der, welcher
die Umsicht der Tierschutzpolizei in seiner Weise be-
tonte, bindet aus umherliegenden Reisern einen
Besen zusammen und weiß das gar nicht. Sie
alle wissen nicht, das; sie schimpfen und — schaffen.
In zwei Stunden ist der Unterstand so sauber,
daß die zierlichste Hausfrau daran ihre Freude
haben würde. Und Grenadier Wirschke, der im-
mer am dicksten schimpft und räsonniert, sucht
unter unzähligen Verwünschungen des Kriegs,
der Welt, der Quartiermacher und der ganzen
Wirtschaft „nur noch zwei" Nägel, um letzte Hand
an die von ihm gezimmerte Unterstandstür zu
legen. Mitternacht steht der Alarmposten, alles
andere aber ruht friedlich in der neuen „Hornzche".
Stünde morgen eine Neuverteilung der Quartiere
zu erwarten, so würden die beiden Gruppen sich
bis auf den letzten Blutstropfen im Besitz ihres
Baues zu halten suchen. Im Notfälle würden
die beiden Unteroffiziere zum Kompagnieführer
gehen mit der Bitte, ihre Gruppen doch in dem
schönen Unterstand wohnen zu lassen. In dem
sie vor ein paar Stunden „nicht begraben" sein
wollten-
All das hat das Schimpfen geschaffen: den
schönen Bau, das mollige Zusammensein, die Ge-
mütlichkeit. Jetzt fühlen sich die Grenadiere wohl,
jetzt haben sie Körper und Seele zusammen. Die
Last aber musste erst herunter. Jetzt kann dafür
auch „ehr Stößchen" konrmen.
So wirkt das Schimpfe» aufbauend, Werte
schaffend. Es bleibt nichts Schweres auf der
Seele; Besseres, Größeres wird erzeugt. Aus der
Spannung des Mögens und Müffens entsteht es.
Und ist es erst einmal da, dann rast es und tobt
und frißt die Spannung auf. Nun dürft ihr nicht
glauben, daß es in dem Grenadier, der sich durch
Schimpfen befreite, so artig aussieht wie in, Herz-
chen von Ludmilla Hafenbrädl, die, den Ridikül
am Arm, im weißen Kleid zu ihrer Freundin ins
Kränzchen schwebt; nein, seine Seele ist etwas
rauh geworden in den dreinnddreißig Monaten
und etwas verschossen wie sein feldgraues Klüft-
chen. Beide aber sind aus dauerhaftem Stoff;
sie wissen, daß sie noch manches auszuhalten haben.
Das Schimpfen wird helfen.
Ich mußte euch euer liebgewordenes Bildchen
ein bißchen trüben, ihr guten Leute in der Hei-
mat. Aber ihr müßt euch damit abfinden. Kein
Feind ist an der Aisne durchgekommen. Die
Soldaten haben jeden zurückgefchmiffen. Wenn
ihr aber auch wüßtet, was an der Aisne ge-
schimpft worden ist-!
*
An meinen Schäferhund
Es tat mir weh, wenn fröhlich mit Gebell
Du mir entgegensprangst am frühen Morgen —
Du fühltest nicht, du munterer Gesell,
Wie ich schon deiner dachte voller Sorgen:
Die Zeit ist ernst, und jeden Bissen zählt
Man uns jetzt zu, dank Englands feiger Tücke,
Das lieber Schwache, Weiber, Kinder quält,
Statt, daß es ritterlich den Degen zücke.
Auch dich, mein Treuer, trifft ihr gift'ger Haß,
Auch du, mein armes Tier, mußt drunter leiden —
Mich wurmt's, seh ich den kümmerlichen Fraß,
Den ich als Futter dir muß zubereiten.
Genug der Qual! Ich sende dich hinaus,
Hinaus ins Feld, zu unfern tapfer» Kriegern,
Als Postenhund. Und kehrst du einst nach Haus,
So zählst auch du dann mit zu unfern Siegern. —
Und leise kosend graub' ich dir dein.Fell
Und schaue dir in deine klugen Augen —
Leb wohl, mein Freund, mein wackerer Gesell:
Fortan sollst du zu höher» Zielen taugen!
Ich weiß es nicht, wo nach des Feindes Spur
Du suchen wirst — im Westen, oder Osten.
Ich frag auch nicht, ich weiß das eine nur:
Dort ist ein Treuer dann auf seinem Posten!
Walikam
*
Liebe Jugend!
Fm Frühjahr als wir die Russen noch
durch Kurland jagten, kamen wir endlich nach
schweren Märschen in ein Stadtquartier, Rosijeny,
eine lebhafte Kleinstadt. Unterkunft bei einer
orgelpfeisenkinderreichen Schustersfamilie, nachmit-
tags allgemeines Kaffeegelagc mit Balalaika,Kinder-
ÜZuartett, russischen Nationalgesängen und Tänzen.
Neben mir ein halbwüchsiger jüdischer Knabe, ein
sogenannter „Bocher" als Dolmetscher. — „Nun,
sing Du uns auch einmal ein schönes Lied," er-
munterte ich ihn. — „Ichch? Ichch kenn norr
jüdische Liederlechs." — „Gut, also singe uns ein
jüdisches Lied." —
Und mit erhobener Stimme begann er: „Pupp-
chen, Du bist mein Augenstern."
*
Meinem Freund Karl sprach ich mein tiefstes
Beileid aus, anläßlich .des Todes seines Vnkels. —
Als ich mich erkundigte, ob derselbe auch etwas
hinterlassen hatte, antwortete er mir:
„Nein, rein garnichts! — sogar seine Brot-
karten hat er noch aufgebraucht! —"
470a
wenn man ein Tier so unterbringe, laufe man Ge-
fahr, wegen Tierquälerei angeklagt zu werden.
So geht es eine Stunde fort. Aber: wenn ihr
daheim schimpft, meine Herren Huber, Grandinger
oder Labermeier, so drückt ihr mit eueren schweren
Weltkugeln todsicher eine Bierbank. Die Grena-
diere aber — und das ist der Unterschied — werden
beim Abladen ihres Grolls, ihrer Seelenlast, aus
Knechten imnier mehr Meister; sie haben längst
irgend ein Werkzeug in der Hand. Der, welcher
die Umsicht der Tierschutzpolizei in seiner Weise be-
tonte, bindet aus umherliegenden Reisern einen
Besen zusammen und weiß das gar nicht. Sie
alle wissen nicht, das; sie schimpfen und — schaffen.
In zwei Stunden ist der Unterstand so sauber,
daß die zierlichste Hausfrau daran ihre Freude
haben würde. Und Grenadier Wirschke, der im-
mer am dicksten schimpft und räsonniert, sucht
unter unzähligen Verwünschungen des Kriegs,
der Welt, der Quartiermacher und der ganzen
Wirtschaft „nur noch zwei" Nägel, um letzte Hand
an die von ihm gezimmerte Unterstandstür zu
legen. Mitternacht steht der Alarmposten, alles
andere aber ruht friedlich in der neuen „Hornzche".
Stünde morgen eine Neuverteilung der Quartiere
zu erwarten, so würden die beiden Gruppen sich
bis auf den letzten Blutstropfen im Besitz ihres
Baues zu halten suchen. Im Notfälle würden
die beiden Unteroffiziere zum Kompagnieführer
gehen mit der Bitte, ihre Gruppen doch in dem
schönen Unterstand wohnen zu lassen. In dem
sie vor ein paar Stunden „nicht begraben" sein
wollten-
All das hat das Schimpfen geschaffen: den
schönen Bau, das mollige Zusammensein, die Ge-
mütlichkeit. Jetzt fühlen sich die Grenadiere wohl,
jetzt haben sie Körper und Seele zusammen. Die
Last aber musste erst herunter. Jetzt kann dafür
auch „ehr Stößchen" konrmen.
So wirkt das Schimpfe» aufbauend, Werte
schaffend. Es bleibt nichts Schweres auf der
Seele; Besseres, Größeres wird erzeugt. Aus der
Spannung des Mögens und Müffens entsteht es.
Und ist es erst einmal da, dann rast es und tobt
und frißt die Spannung auf. Nun dürft ihr nicht
glauben, daß es in dem Grenadier, der sich durch
Schimpfen befreite, so artig aussieht wie in, Herz-
chen von Ludmilla Hafenbrädl, die, den Ridikül
am Arm, im weißen Kleid zu ihrer Freundin ins
Kränzchen schwebt; nein, seine Seele ist etwas
rauh geworden in den dreinnddreißig Monaten
und etwas verschossen wie sein feldgraues Klüft-
chen. Beide aber sind aus dauerhaftem Stoff;
sie wissen, daß sie noch manches auszuhalten haben.
Das Schimpfen wird helfen.
Ich mußte euch euer liebgewordenes Bildchen
ein bißchen trüben, ihr guten Leute in der Hei-
mat. Aber ihr müßt euch damit abfinden. Kein
Feind ist an der Aisne durchgekommen. Die
Soldaten haben jeden zurückgefchmiffen. Wenn
ihr aber auch wüßtet, was an der Aisne ge-
schimpft worden ist-!
*
An meinen Schäferhund
Es tat mir weh, wenn fröhlich mit Gebell
Du mir entgegensprangst am frühen Morgen —
Du fühltest nicht, du munterer Gesell,
Wie ich schon deiner dachte voller Sorgen:
Die Zeit ist ernst, und jeden Bissen zählt
Man uns jetzt zu, dank Englands feiger Tücke,
Das lieber Schwache, Weiber, Kinder quält,
Statt, daß es ritterlich den Degen zücke.
Auch dich, mein Treuer, trifft ihr gift'ger Haß,
Auch du, mein armes Tier, mußt drunter leiden —
Mich wurmt's, seh ich den kümmerlichen Fraß,
Den ich als Futter dir muß zubereiten.
Genug der Qual! Ich sende dich hinaus,
Hinaus ins Feld, zu unfern tapfer» Kriegern,
Als Postenhund. Und kehrst du einst nach Haus,
So zählst auch du dann mit zu unfern Siegern. —
Und leise kosend graub' ich dir dein.Fell
Und schaue dir in deine klugen Augen —
Leb wohl, mein Freund, mein wackerer Gesell:
Fortan sollst du zu höher» Zielen taugen!
Ich weiß es nicht, wo nach des Feindes Spur
Du suchen wirst — im Westen, oder Osten.
Ich frag auch nicht, ich weiß das eine nur:
Dort ist ein Treuer dann auf seinem Posten!
Walikam
*
Liebe Jugend!
Fm Frühjahr als wir die Russen noch
durch Kurland jagten, kamen wir endlich nach
schweren Märschen in ein Stadtquartier, Rosijeny,
eine lebhafte Kleinstadt. Unterkunft bei einer
orgelpfeisenkinderreichen Schustersfamilie, nachmit-
tags allgemeines Kaffeegelagc mit Balalaika,Kinder-
ÜZuartett, russischen Nationalgesängen und Tänzen.
Neben mir ein halbwüchsiger jüdischer Knabe, ein
sogenannter „Bocher" als Dolmetscher. — „Nun,
sing Du uns auch einmal ein schönes Lied," er-
munterte ich ihn. — „Ichch? Ichch kenn norr
jüdische Liederlechs." — „Gut, also singe uns ein
jüdisches Lied." —
Und mit erhobener Stimme begann er: „Pupp-
chen, Du bist mein Augenstern."
*
Meinem Freund Karl sprach ich mein tiefstes
Beileid aus, anläßlich .des Todes seines Vnkels. —
Als ich mich erkundigte, ob derselbe auch etwas
hinterlassen hatte, antwortete er mir:
„Nein, rein garnichts! — sogar seine Brot-
karten hat er noch aufgebraucht! —"
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