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Glühender Morgen

Da du mit mir dies schlichte Lager teilst.

Du heißgeliebtes, königliches Weib.

Mit mir glutspendend in den Morgen weilst.
Ward königlich durch dich mein schwacher Leib.

Und da der Morgen nun durchs Fenster bricht,
Wie sagt Ahn König David: „hab's nicht not.
Daß mich zum Wachsein weckt das Morgenlicht!
Ich selbst, ich selber weck' das Morgenrot!"

Ist das nicht schön? Doch du bist mnd'. Schlaf'ein!
So sag' ich 's anders königlich: O Glanz,

Du magst dem Volke rings der Morgen sein!

Ein Wink von mir, so bist du Monteiischein
Und stichst uns in das Haar den Schlummerkranz!

Hugo S a l n *

Die Heugeige

Von Horst Schöttler (Flugzeugobermatrose)

Frau Lore errötete. Daß er noch immer so
stürmisch war! Vor all den Kanieraden dies
jauchzende „Lore, meine Lore, du liebe alte Heu-
geige!"

In der Erregung rutschten ihm also doch noch
solch merkwürdige Ausdrücke heraus! Wie damals
vor der ganzen Hochzeitsgesellschaft dies „Du
wonniges Nilpferd". In seinen Koseworten
war er nie wählerisch gewesen.

„Heugeige?" — noch dazu „alte Heugeige,"
bei knapp 22 Jahren!

Doch das war ja jetzt alles gleich: die Haupt-
sache war, daß er den Hals nicht gebrochen hatte.
So eine verrückte Idee, dem Dampfer entgegen-
zufliegen und sie „fliegend" empfangen zu wollen.
Wie wenn sie darauf Wert gelegt halte l Unsinn;
tollkühn durfte er doch nur sein, wenn sie nicht
zusehen mußte! Ihr wär's hundertmal lieber
gewesen, wenn sie ihn schlafend vorgefunden hätte,
wie einen kleinen Jungen, — so mit wirren:
Haar,-oh, und ihn dann wachküssen dürfen!

So wie er sich den Empfang ausgedacht hatte,
war's doch ganz und gar nicht gemütlich. Statt
daß sie ihn küssen durfte, saß er noch immer in
seinen: Flugzeuge auf dem Wasser und wartete
bis das Ding heranbugsiert wurde. Danke,
Kon:n:a: erst wirft man seiner Frau eine alte
Heugeige an den Kopf und dann dauert's noch
ewig!

„Das ist also die Lore," hörte sie plötzlich
jemand sagen. Sie erschrak heftig. Das war ja
ein merkwürdiger Ton hier! Der blonde Leulnant,
dessen Namcn sie vorhin bei der Vorstellung nicht
n:al verstanden hatte, blickte sie jedoch quietsch-
vergnügt an und fuhr unbeirrt fort: „Ein feines
Mä'chen! Zwar nicht mehr ganz jung und für
nieinen Geschmack in: Unterbau ein bißchen zu
völlig, aber noch immer gut auf dem Posten!"

Sie war sprachlos.

„Geh' weg," sagte ein anderer, „die schwankt
ja wie Tante Ida zwischen Standesanit und
Iungfernstift! so'ne verdrehte alte Schachtel hat
ihre verdanunten Mucken!"

„Danke, Komma!" sagte sie jetzt laut und
entrüstet.

Man schien das nicht zu verstehen. Doch —
auf einmal verstand man's! Und da wollte man
sich ausschülten vor Lachen. „Die Lore, — ja,
gnädige Frau, daran werden Sie sich wohl ge-
wöhnen niüssen," klärte sie einer auf, „aber eigent-
lich ist's auch die Schuld Ihres Gatten: er war
der erste, der seinen: Flugzeuge den Namen gab,
der ihn: der liebste ist. Früher nannten wir die
Dinger Geigen, Heugeigen, Hinimelsgeigen. Seit-
dem sprechen wir von ihnen jedoch nur noch wie
von niehr oder minder geschätzten weiblichen
Wese>:. Da gibt's Idas, Fridas, Doras, Mä'-
chen, tolle Mä'chen, liebe alte Damen, blendende

Figuren,-sehen Sie z. B. da drüben diese

ganz funkelnagelneue No. 930, die nennt man
in unserer Fliegersprache einen Unschuldsengel!
Jeder ist in sie verliebt, träumt von ihren: zier-
lichen Bau, ist eifersüchtig auf ihre Unberührtheit
und wünscht sie als Braut zu gewinnen. Gestern
ist sie angekommen und noch keiner durste sie
fliegen, jeder hofft der Glückliche zu sein, der ..."

„Ich bekomnie sie; ich n:uß sie haben!" rief
der blonde Leutnant dazwischen.

„Die 930? Die ist mein! —"

Lore wandte sich rasch um. Das war eine
Stimme, mochte sie auch noch so ungewohnt schroff
klingen!

„Das ist noch nicht heraus," antwortete der
andere ebenso schroff. Ein älterer Oberleutnant
trat dazwischen: „Herrschaften, das ist ja ein schon
in: Entwurf verbocktes Unternehmen," entschied
er. „Hier ist zunächst mal eine junge schöne
Frau, und der Inselkonimandant hat die Ein-
fuhrbewilligung für diese Seltenheit nicht gegeben,
damit sie Euren Geigenstreit genießt, sondern weil
sie ihren lieben Herbert seit zwei oder drei Jah-
ren nicht gesehen hat. Also Kuß, — Schluß!"

Man lachte und ging auseinander. Herbert
zog Lore zu seinem Flugzeug hin. Voll Stolz
zeigte und erklärte er ihr jede Einzelheit. Und
da sah sie auch das kleine Schild „Lore". Das
war doch zu lieb von ihm! Geschrieben halle er
ihr's wohl mal, aber erst jetzt, wo sie sehen konnte,
wie begeistert er von seiner treuen Begleiterin in
den Lüften war, verstand sie diese zärtliche Hul-
digung.

Sie drückte ihm verstohlen die Hand. Sie
war viel zu glücklich, um sprechen zu können.
Und dann, — — ja: sie war arg verlegen. Er
kan: ihr so neu vor. Fast wie ein ganz anderer
Mann ; einer, den sie noch nicht kannte. Man
sah's ihn: an, daß er hier zu den „großen Ka-
nonen" gerechnet wurde. Er war nicht mehr der
kleine Stubengelehrte! Blaß, geisterhaft blaß,
war er :n:mer noch; aber in seinen: Wesen drückte
sich der Herrenmensch aus: einer, der anderen
zu befehlen weiß, weil er sich selbst auf Kandare
reitet. Das verriet jede seiner kurzen Bewegungen.
Und dann das Spiel dieser Hände! Wenn sie
ihn mit diesen aufreizend zarten Händen bald
hier bald da hart und entschlossen einen Hebel
bewegen sah, dann verwirrten sich ihre Gedanken.
Dann wagte sie ihn: nicht ins Gesicht zu sehen,
sonst mußte er ja erraten, daß ihre Gedanken
abirrten, — zurllckgingen, — zu jener seligen
Stunde ....

„Schatz, solch olle gelben Stiebeln schätze ich
eigentlich sehr daneben," hörte sie ihn plötzlich
etwas ungnädig sagen. „Die Lore kann auch
nicht davon lassen, obgleich . . ."

Die Lore? Ach so . . . dein Flugzeug! Aber
meine sind doch nicht alt, Herbert; bestimmt nicht,
ich habe sie mir erst vor der Abreise gekauft,
weil Du früher gerade immer solch gelbe Stie-
felchen ...."

Wvlang un Warum

Wolang ik d> girn hew? Fraag mi ni!

Fraagft du den Wind, woneem he söört.

De See, wa mied se eer Bulgen röört,

Laat brusen! Wat fraagst du mi?

Warum ik di girr: hew? Fraag mi ni!

Fraagst du den Hewen, warum he so rood,
Warum he vunawend een Füersoot.

Un de Sünn so dicht, dicht bi?

Warum ik di leew hew? Fraag mi ni!

Fraag unsen Herrgodd, wat't is um sien Leew,
Wat he uns rode Härtens gecw,

Härtens geew, mi un di!

Hans Fr. Blunck

„Ja früher!" sagte er etwas gedehnt. „Nur
weißt Du: seit die 930, dieser famose Käfer, da
ist, bin ich vom Gelben abgekommen. Sieh Dir
nur mal diese entzückenden grauen Schuhchen
an, die sind znm Verlieben, und gegen die wirken
die gelben der Lore wie ein paar Elbkähne!"

Frau Lore blickte gehörst:»: auf die plumpen
grauen Schwinimer, die wie ein paar Enten-
iatschen unter dem neuen Flugzeug herausragten.
Das nannte er also „entzückende graue Schuh-
chen?"

„Nun muckscht Du," sagte er lachend. „Doch!
Das kenne ich: das ist genau wie bei der Lore!
Sobald ich der mal ein bißchen was anderes als
Liebenswürdigkeiten gebe, spielt sie auch die ge-
kränkte Leberwurst; es ist rein zum Lachen, wie
launisch Ihr seid."

Frau Lore fand diese Vergleiche durchaus nicht
zum Lachen, aber sie schwieg. Sie schwieg auch,
als er im Laufe des Tages noch mehr Eigen-
schaften an ihr entdeckte, deren sie sich durchaus
nicht bewußt war; die nur die andere hatte, —
die Lore.

Gott sei Dank: als sie endlich zwischen vier
Wänden allein waren, da vergaß er die andere,
vergaß das Fliegen. Da küßte er sie wie einer,
der von: langen Traun: des Verschmachtens er-
wacht. Alle zärtlichen Liebesworte fand er wie-
der; er war wieder der liebe weiche Junge mit
wirrem Haar, der die tollsten Unglaublichkeiten
hinausplapperte in seinen: Glücksrausche. Bis —

Oh, sie fand cs schändlich! Und er fand cs
„trotz allem" begeisternd. In anderen Nächten
habe das Telephon ihn immer nur mit der Nach-
richt überrascht, daß die „Lore" bei der Frühauf-
klürung für irgend eine verunglückte Geige ein-
springen müsse: und jetzt dieser Dusel: daß er
morgen die Nr. 930 einfliegen dürfe!

Von dem Augenblicke an weilten seine Ge-
danken nur noch oben in den Lüften, wo er die
Pferdekräfte seinem Willen unterjochte. Noch im
Traume griff er nach Hebeln, warf den Kopf
blitzschnell herum, drehte mit beiden Händen an:
Steuer. Sie konnte vor Angst die ganze Nacht
kein Auge schließen.

„Angst?" sagte er an: andern Morgen bei:::
Aufstehen zu ihr, „aber wie töricht, niein Schatz!
Das wäre ja, — du, das wäre genau so, wie
wenn ich vor unserer Hochzeit Angst gehabt hätte!
Diese frischen jungen Dinger sind gänzlich unge-
fährlich, die kleinen Widerspenstigkeiten überwin-
det der Kenner spielend! Ja, mit der „Lore", da
war's manchmal garnicht so einfach, die alte Heu-
geige hatte ihren Kopf für sich; aber so ein un-
verdorbenes junges Mä'chen, das ist ja, — das
ist ja die reinste Himmelsgeige I Das ist wahr-
haftig mal eine Himmelsgeige!"

Frau Lore Irug's tapfer, sehr tapfer. Nur
als sie dann auf dem Flugplätze stand und sah,
wie er unter den Augen der Kameraden die auf-
geregt zitternde Maschine ausprobierte, wie er
jede Einzelheit mit fiebernden Händen und trunke.

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Register
Horst Schöttler: Die Heugeige
Hans Friedrich Blunck: Wolang un Warüm
Hugo Salus: Glühender Morgen
J. Mayer: Der Vogelsteller
 
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