tein Autor, der mit etwas Ungewöhnlichem
^ Auftritt, appelliert mit Recht an die Nach-
welt, weil fie ja erst ein Tribunal bilden must,
vor dem das Ungewohnte beurteilt werden
kann, und einen solchen Gerichtshof einzu.
fetzen vermag nur die Zeit, welche dem Neuen
das ßremde abstreift und es als etwas Be-
kanntes vor uns hinstellt, rso-th-.)
Der alte Äaum
Ein alter Baum in junger Au —
Nichts Schön'res weiß ich mir
zu seh'n,
Wenn über Stamm- und Aestegrau
Die frischen grünen Blätter weh'n,
Wenn seinem Schutze nahgedrängt
Biel Buschwerk, Kraut und Gräserheer,
Wo nicht so scharf die Sonne sengt
Und nicht der Regen trifft so schwer.
Der Wipfel hoch zur Himmelsstirn,
Die Wurzel tief in's Erdenherz,
Der lauscht deni Lerchentirilirn,
Die saugt die Säfte knospenwärts.
Er schüttelt seinen Morgentau
Rings auf verschlaf'nen Blumentraum,
Sein Gottesrauschen weckt die Au —
Wie jung ist doch der alte Baum!
Ernst Rosnrer (München)
Georg Hirth
für Runft und Tugend
von feinem ersten Auftreten in München an, bis ZU
feinen späten Alterstagen war Georg Hirth stets be-
reit, für Nunst und Zugend, für die Zugend in der
Nunst, mit Tat und Wort einzutreten, dem Neuen, 8ri-
fchen und Gefunden den Weg zu ebnen. Die Tatfreu-
digkeit, das frische Draufgängertum, mit dem er da
immer auf den plan trat, war fortreistend und herz-
erfrischend — und jedesmal, — in kleinen Dingen, wie
in den drei großen Hauptschlachten, die er für Nunst und
Jugend schlug, oder schlagen half, führte es zum Siege.
Vas erste Mal war's um die Mitte der Siebziger
Zahre, als es, nach einem hochbedeutfamen, erst heute
voll verstandenen Auffchwung unserer Münchner Ma-
lerei, galt, eine neue Zierkunst zu schaffen, das heißt zu-
nächst einmal die kostbaren Schätze des Altertums wie-
der zu heben, loszuläfen aus einem Wust von Mißver-
ständnis und schwächlicher Romantik, die stilreinen und
handwerklich unübertrefflichen Werke der alten Zeit der
Welt wieder als Muster vor Augen zu stellen und dann
weiterzubauen auf diesem kräftigen 8undament.
Heute lächelt der Ästhet über die retrofpektlve Be-
wegung — damals war fie Alles, war unschätzbar, war
die einzige Rettung aus trostloser Armut, Unkultur und
Verflachung. Und alles Gute von heute in Rau- und
Zierkunst ruht auf den Lrrungcnfchaften jener Zeit!
Wer sich nicht mehr erinnert, mit welcher jubelnden
Begeisterung nach der Glaepalastausstcllung von , 8/6
die Arbeit der Loren; Gcdon, Gabriel Seidl, Rudolf
Seih ausgenommen wurde, wie alle Gewerbe aufblüh-
ten in lustigem Wetteifer und das Handwerkskönnen
der Alten im Nu wieder lebendig war — wer das nicht
weiß, kann jene Zeit heute nicht mehr verstehen. Und
Fechter-Riege des Gothaer Turnvereins (1862)
Georg Hirth war mit in der ersten Reihe der fröh-
lichen Nämpfer, trug die 8«hne. Gabriel Seidl baute
das Deutsche Haus, Hirth schuf dar „Deutsche Zimmer".
Lr half, mehr als irgend Liner, den „8ormenfchatz" des
alten deutschen Nulturbefitzes zu heben, trug das Ver-
ständnis für dessen Schönheiten in alle Schichten des
Volkes, ließ ln feinem eigenen Helm ein vlelbewunder-
tes Musterbild der Dinge erstehen, für die er kämpfte.
Line Buchdruckerkunst hatte es tatsächlich nicht mehr
gegeben — er schuf fie und die Lrzeugniffe feines Ver-
lages wurden vorbildlich für das ganze deutsche Buch-
gewerbe.
Vas zweite Mal half er der künstlerischen Zugend
eine Gaffe bahnen um die Wende zum letzten Jahrzehnt
des neunzehnten Zahrhunderts, als es galt, die Zahres-
ausstellungen zu sichern, als sich eine Gruppe begeistert
Schaffender loslöste von der schwer und behäbig ge-
wordenen Masse der Münchner Nünstlerfchaft — die
Sezession! Wie sauer dieser Publikum, Nollegen, Be-
hörden und Parlament das Bestreben nach Selbstän-
digkeit machten, ist auch wohl halb vergessen. Georg
Hirth war wieder der begeisterte 8euerkopf, wie da-
mals, fürchtete weder Macht noch Mißgunst, schlug sich
für die Sache, die er gut fand, mit bös- und gutwil-
ligen Gegnern und half feinen 8reunden mit Rat und
Tat. Lr prägte das Wort „Zwietracht macht stark I"
als die Lefchwichtigungshofräte Gefahr darin wit-
terten, daß die mehrtaufendköpfige und noch so wenig
homogene Masse der Nünstlerfchaft ln mehrere Lager
gespalten werden sollte, er ging mit so forscher Rück-
sichtslosigkeit drauf, daß die Sache bis vor den Richter
kam und sogar eine 8relheitestrase wider ihn beantragt
wurde. Ls war nicht feine Art, dl« Worte auf die Gold«
wage zu legen, und verärgert hat er Manchen — nach-
getragen hat's ihm Nelner, well die Reinheit feines
Willens allen klar war. Die Götter gaben ihm ja über-
haupt das schöne Geschenk, daß ihm die Tüchtigen nichts
nachtrugen, auch wenn er mit ihnen zufammengestoßen
war, daß Nies und 8unken stoben.
Lin drittes Mal hat er sich wieder an die Spitz« der
Zungen gestellt, als er die Zeitschrift .Jugend' grün-
dete, über die hier wohl nichts weiter gesagt werden
soll. Nur daran mag erinnert werden, wie sich die
schassende Zugend ln Scharen an ihn herandrängte,
wie er das weiteste Her; und den freiesten Blick hatte
für alles, was frisch und neu war. Lr war den Sechzig
nahe, hatte fein halbes leben im Nampf für das gute
Alte in der Nunst zugebracht — und jetzt bot er den
kecksten Dffenbarungen jungen Nunstwiliens Gast-
freundschaft, herzlich und vorurteilslos. Und dabei war
er alles eher, denn ein Snob, der immer mitlut mit
den Züngsten, well man eben dabei gewesen fein muß —
Lr tat mit, weil er selber jung mit den Zungen fühlte,
weil er nie gerastet und darum auch nie gerostet hatte!
Daß seine Zeitschrift „Zugend" heißen mußte, ver-
steht sich eigentlich von selbstl z-itz von Dstint
Die Gründung der Münchner
„Jugend"
Als Zwölfjähriger hatte ich die schöne
aber tolle Idee, für meinen Kleinen Hei-
matsort ein Wochenblatt zu gründen,
und als mir der Vater die Unrentabilität
eines solchen Unternehmens Klar gemacht,
schrieb ich eine von Rittern wimmelnde
Chronik meines Ortes. Doch ich werde
biographisch, wie dumm! Genug, daß
ich mich seit meinem achtzehnten Jahre
immer mehr den, Teufel verschrieb, mehr-
fach unisattelte, Geograph, Statistiker,
Journalist und endlich „Selbstverleger"
wurde, weil mir der Präsident Delbrück
die von buchhündlerischer Seite gefor-
derte schriftliche Zusicherung der anit-
lichen Materialien nicht geben wollte, imb
mit Recht. 1871 ging ich mit meinen
„Annalen des Deutschen Reiches" von
Berlin nach München, und hier war
es, wo mir erst allmählich und dann
immer heftiger ein Licht über die große
Bedeutung des k ü n st l e r i s ch e n H u m o r s für
unsere gesanite deutsche Kultur aufging.
In der Tat konnte die „Jugend" so, wie sie
als deutscher Jungbrunnen gewähnt war, nur auf
Münchener Boden wachsen. Wir leben hier
sozusagen in einer Art von Kunstrepublik, deren
solides Gefüge dafür bürgt, daß uns das Haupt-
requisit — das junge Blut — nicht ausgeht.
Langem Suchen nach Progranim und Titel ward
eines schönen Sonnnertages in Hohenschwangau
ein fröhliches Ende bereitet, als auf jenem wun-
dervollen Aussichtspunkte, der den erfrischenden
Namen „Jugend" trägt, es wie eine Erleuchtung
über mich kam: da hatte ich Titel und Programm
in einem I Und so mag es bleiben, nach Goethe-
schem Rezept: „Die Jugend ist um ihretwillen
hier. Es wäre töricht, zu verlangen: Komm,
ältle du mit mir!"
Septeniber 1904.
Georg Hirth
Erinnerungen
Von Helene Raff (München)
Wer sich an Georg Hirth in den achtziger Jahren
porigen Jahrhunderts erinnert, dem taucht zugleich
eine Fülle bunten sinnenfreudigen Erlebens ans.
Das war noch die Zeit der öffentlichen und privaten
Künstlerfeste, die Zeit, da man in Raum und Klei-
dung alle möglichen Stile und Völker neu erstehen
ließ, das ganze Dasein zu einer Folge reizvollster
Bilder gestaltete. München, die dekorative Stadt! —
Und der Begründer des „Deutschen Formen-
schatzes", der unermüdliche Sammler malerischer
und kunstgewerblicher Kleinodien, ging natürlich bei
Allem voran. Seine verstehende Freude an stummer
wie an lebendiger Schönheit war ebenso groß wie
sein Genießerdrang, seine unerschöpfliche Jugend-
lichkeit.
Ta hatte eine englische Operette „Der Mikado"
just mit ihren graziösen Klängen die japanische
Aera im kunstsinnigen München eingeläutet. Gut,
daß die Menschen keine Propheten sind! Wir ahnten
noch nicht, was England und Japan uns eines
Tages bedeuten sollten; wir schwelgten in der bizarren
Anmut des Ganzen als in einem Märchen. Georg
Hirth ließ das Märchen i» seinem Hanse wieder-
holen, wirkte auch selbst mit und zwar in der Rolle
des Mikado. Kann sich das heute noch jemand vor-
stellen: Hirth als Mikado, die nickende Feder auf
dem Kopse, die bekannten Couplets über mikadische
Rechtspflege vortragcnd? Anderswo würde ein an-
gesehener Publizist, ein Mann in führender Stellung,
ein Familienvater sich so etwas sehr überlegen müssen.
Hierzulande nicht — schon aus diesem Grunde hätte
Georg Hirth, der Eingewanderte, nirgend anders
hingepaßt als nach München.
Wie er das genoß: das bunte Getriebe aus den
Proben! Wie er mit Eifer darüber wachte, daß die
Fächerbewegungen genau in den Takt der Musik
822
^ Auftritt, appelliert mit Recht an die Nach-
welt, weil fie ja erst ein Tribunal bilden must,
vor dem das Ungewohnte beurteilt werden
kann, und einen solchen Gerichtshof einzu.
fetzen vermag nur die Zeit, welche dem Neuen
das ßremde abstreift und es als etwas Be-
kanntes vor uns hinstellt, rso-th-.)
Der alte Äaum
Ein alter Baum in junger Au —
Nichts Schön'res weiß ich mir
zu seh'n,
Wenn über Stamm- und Aestegrau
Die frischen grünen Blätter weh'n,
Wenn seinem Schutze nahgedrängt
Biel Buschwerk, Kraut und Gräserheer,
Wo nicht so scharf die Sonne sengt
Und nicht der Regen trifft so schwer.
Der Wipfel hoch zur Himmelsstirn,
Die Wurzel tief in's Erdenherz,
Der lauscht deni Lerchentirilirn,
Die saugt die Säfte knospenwärts.
Er schüttelt seinen Morgentau
Rings auf verschlaf'nen Blumentraum,
Sein Gottesrauschen weckt die Au —
Wie jung ist doch der alte Baum!
Ernst Rosnrer (München)
Georg Hirth
für Runft und Tugend
von feinem ersten Auftreten in München an, bis ZU
feinen späten Alterstagen war Georg Hirth stets be-
reit, für Nunst und Zugend, für die Zugend in der
Nunst, mit Tat und Wort einzutreten, dem Neuen, 8ri-
fchen und Gefunden den Weg zu ebnen. Die Tatfreu-
digkeit, das frische Draufgängertum, mit dem er da
immer auf den plan trat, war fortreistend und herz-
erfrischend — und jedesmal, — in kleinen Dingen, wie
in den drei großen Hauptschlachten, die er für Nunst und
Jugend schlug, oder schlagen half, führte es zum Siege.
Vas erste Mal war's um die Mitte der Siebziger
Zahre, als es, nach einem hochbedeutfamen, erst heute
voll verstandenen Auffchwung unserer Münchner Ma-
lerei, galt, eine neue Zierkunst zu schaffen, das heißt zu-
nächst einmal die kostbaren Schätze des Altertums wie-
der zu heben, loszuläfen aus einem Wust von Mißver-
ständnis und schwächlicher Romantik, die stilreinen und
handwerklich unübertrefflichen Werke der alten Zeit der
Welt wieder als Muster vor Augen zu stellen und dann
weiterzubauen auf diesem kräftigen 8undament.
Heute lächelt der Ästhet über die retrofpektlve Be-
wegung — damals war fie Alles, war unschätzbar, war
die einzige Rettung aus trostloser Armut, Unkultur und
Verflachung. Und alles Gute von heute in Rau- und
Zierkunst ruht auf den Lrrungcnfchaften jener Zeit!
Wer sich nicht mehr erinnert, mit welcher jubelnden
Begeisterung nach der Glaepalastausstcllung von , 8/6
die Arbeit der Loren; Gcdon, Gabriel Seidl, Rudolf
Seih ausgenommen wurde, wie alle Gewerbe aufblüh-
ten in lustigem Wetteifer und das Handwerkskönnen
der Alten im Nu wieder lebendig war — wer das nicht
weiß, kann jene Zeit heute nicht mehr verstehen. Und
Fechter-Riege des Gothaer Turnvereins (1862)
Georg Hirth war mit in der ersten Reihe der fröh-
lichen Nämpfer, trug die 8«hne. Gabriel Seidl baute
das Deutsche Haus, Hirth schuf dar „Deutsche Zimmer".
Lr half, mehr als irgend Liner, den „8ormenfchatz" des
alten deutschen Nulturbefitzes zu heben, trug das Ver-
ständnis für dessen Schönheiten in alle Schichten des
Volkes, ließ ln feinem eigenen Helm ein vlelbewunder-
tes Musterbild der Dinge erstehen, für die er kämpfte.
Line Buchdruckerkunst hatte es tatsächlich nicht mehr
gegeben — er schuf fie und die Lrzeugniffe feines Ver-
lages wurden vorbildlich für das ganze deutsche Buch-
gewerbe.
Vas zweite Mal half er der künstlerischen Zugend
eine Gaffe bahnen um die Wende zum letzten Jahrzehnt
des neunzehnten Zahrhunderts, als es galt, die Zahres-
ausstellungen zu sichern, als sich eine Gruppe begeistert
Schaffender loslöste von der schwer und behäbig ge-
wordenen Masse der Münchner Nünstlerfchaft — die
Sezession! Wie sauer dieser Publikum, Nollegen, Be-
hörden und Parlament das Bestreben nach Selbstän-
digkeit machten, ist auch wohl halb vergessen. Georg
Hirth war wieder der begeisterte 8euerkopf, wie da-
mals, fürchtete weder Macht noch Mißgunst, schlug sich
für die Sache, die er gut fand, mit bös- und gutwil-
ligen Gegnern und half feinen 8reunden mit Rat und
Tat. Lr prägte das Wort „Zwietracht macht stark I"
als die Lefchwichtigungshofräte Gefahr darin wit-
terten, daß die mehrtaufendköpfige und noch so wenig
homogene Masse der Nünstlerfchaft ln mehrere Lager
gespalten werden sollte, er ging mit so forscher Rück-
sichtslosigkeit drauf, daß die Sache bis vor den Richter
kam und sogar eine 8relheitestrase wider ihn beantragt
wurde. Ls war nicht feine Art, dl« Worte auf die Gold«
wage zu legen, und verärgert hat er Manchen — nach-
getragen hat's ihm Nelner, well die Reinheit feines
Willens allen klar war. Die Götter gaben ihm ja über-
haupt das schöne Geschenk, daß ihm die Tüchtigen nichts
nachtrugen, auch wenn er mit ihnen zufammengestoßen
war, daß Nies und 8unken stoben.
Lin drittes Mal hat er sich wieder an die Spitz« der
Zungen gestellt, als er die Zeitschrift .Jugend' grün-
dete, über die hier wohl nichts weiter gesagt werden
soll. Nur daran mag erinnert werden, wie sich die
schassende Zugend ln Scharen an ihn herandrängte,
wie er das weiteste Her; und den freiesten Blick hatte
für alles, was frisch und neu war. Lr war den Sechzig
nahe, hatte fein halbes leben im Nampf für das gute
Alte in der Nunst zugebracht — und jetzt bot er den
kecksten Dffenbarungen jungen Nunstwiliens Gast-
freundschaft, herzlich und vorurteilslos. Und dabei war
er alles eher, denn ein Snob, der immer mitlut mit
den Züngsten, well man eben dabei gewesen fein muß —
Lr tat mit, weil er selber jung mit den Zungen fühlte,
weil er nie gerastet und darum auch nie gerostet hatte!
Daß seine Zeitschrift „Zugend" heißen mußte, ver-
steht sich eigentlich von selbstl z-itz von Dstint
Die Gründung der Münchner
„Jugend"
Als Zwölfjähriger hatte ich die schöne
aber tolle Idee, für meinen Kleinen Hei-
matsort ein Wochenblatt zu gründen,
und als mir der Vater die Unrentabilität
eines solchen Unternehmens Klar gemacht,
schrieb ich eine von Rittern wimmelnde
Chronik meines Ortes. Doch ich werde
biographisch, wie dumm! Genug, daß
ich mich seit meinem achtzehnten Jahre
immer mehr den, Teufel verschrieb, mehr-
fach unisattelte, Geograph, Statistiker,
Journalist und endlich „Selbstverleger"
wurde, weil mir der Präsident Delbrück
die von buchhündlerischer Seite gefor-
derte schriftliche Zusicherung der anit-
lichen Materialien nicht geben wollte, imb
mit Recht. 1871 ging ich mit meinen
„Annalen des Deutschen Reiches" von
Berlin nach München, und hier war
es, wo mir erst allmählich und dann
immer heftiger ein Licht über die große
Bedeutung des k ü n st l e r i s ch e n H u m o r s für
unsere gesanite deutsche Kultur aufging.
In der Tat konnte die „Jugend" so, wie sie
als deutscher Jungbrunnen gewähnt war, nur auf
Münchener Boden wachsen. Wir leben hier
sozusagen in einer Art von Kunstrepublik, deren
solides Gefüge dafür bürgt, daß uns das Haupt-
requisit — das junge Blut — nicht ausgeht.
Langem Suchen nach Progranim und Titel ward
eines schönen Sonnnertages in Hohenschwangau
ein fröhliches Ende bereitet, als auf jenem wun-
dervollen Aussichtspunkte, der den erfrischenden
Namen „Jugend" trägt, es wie eine Erleuchtung
über mich kam: da hatte ich Titel und Programm
in einem I Und so mag es bleiben, nach Goethe-
schem Rezept: „Die Jugend ist um ihretwillen
hier. Es wäre töricht, zu verlangen: Komm,
ältle du mit mir!"
Septeniber 1904.
Georg Hirth
Erinnerungen
Von Helene Raff (München)
Wer sich an Georg Hirth in den achtziger Jahren
porigen Jahrhunderts erinnert, dem taucht zugleich
eine Fülle bunten sinnenfreudigen Erlebens ans.
Das war noch die Zeit der öffentlichen und privaten
Künstlerfeste, die Zeit, da man in Raum und Klei-
dung alle möglichen Stile und Völker neu erstehen
ließ, das ganze Dasein zu einer Folge reizvollster
Bilder gestaltete. München, die dekorative Stadt! —
Und der Begründer des „Deutschen Formen-
schatzes", der unermüdliche Sammler malerischer
und kunstgewerblicher Kleinodien, ging natürlich bei
Allem voran. Seine verstehende Freude an stummer
wie an lebendiger Schönheit war ebenso groß wie
sein Genießerdrang, seine unerschöpfliche Jugend-
lichkeit.
Ta hatte eine englische Operette „Der Mikado"
just mit ihren graziösen Klängen die japanische
Aera im kunstsinnigen München eingeläutet. Gut,
daß die Menschen keine Propheten sind! Wir ahnten
noch nicht, was England und Japan uns eines
Tages bedeuten sollten; wir schwelgten in der bizarren
Anmut des Ganzen als in einem Märchen. Georg
Hirth ließ das Märchen i» seinem Hanse wieder-
holen, wirkte auch selbst mit und zwar in der Rolle
des Mikado. Kann sich das heute noch jemand vor-
stellen: Hirth als Mikado, die nickende Feder auf
dem Kopse, die bekannten Couplets über mikadische
Rechtspflege vortragcnd? Anderswo würde ein an-
gesehener Publizist, ein Mann in führender Stellung,
ein Familienvater sich so etwas sehr überlegen müssen.
Hierzulande nicht — schon aus diesem Grunde hätte
Georg Hirth, der Eingewanderte, nirgend anders
hingepaßt als nach München.
Wie er das genoß: das bunte Getriebe aus den
Proben! Wie er mit Eifer darüber wachte, daß die
Fächerbewegungen genau in den Takt der Musik
822