Rud. Hesse (München)
A un ft pause
»Ein Phänomen!!" — „)^eden Sic deutsch! Ein virtuos ist er!"
ruft ihn zurück und lockt ihn, ein zweites Mal
zu besitzen. Und dies zu erreichen ist ihm kein
Mittel zu niedrig: Schmeichelworte, ganz von
derselben Tonfarbe wie früher, — er versucht'«
damit, daß er auf alte Rechte pocht, — mit Luxus
und Geld — und ganz zuletzt reicht er ihr die Hand.
Sic weiß sehr wohl, daß es nur eine Schein-
ehre ist, die sie sich erkauft, aber sie greift doch
darnach aus all dem Schmutz und der Erniedri-
gung heraus und hat vor den Menschen mit einem
Mal wieder einen geachteten Namen.
„Also bist Du verheiratet?" fragte ich damals
plump, und als sie schwieg: „Und wo ist er'?"
„Auf Reisen!" sagt sie kühl und steht auf,
sieht über mich hinweg ins Leere. Gleich darauf
erhob auch ich mich und ging.
572
Schon das nächste Mal, als ich wieder kam,
war ich, ohne mir dessen bewußt zu sein, ver-
ändert. Ich fühlte instinktiv, daß diese Frau nach
mir griff wie nach einem Anker, um nidjt zu ver-
sinken in der Leere, und zugleich, daß ich jung
sei und eben erst anfange das Leben zu um-
armen, und daß alle Wege mir noch offen standen
und nur warteten, ich möge sie betreten. Und ich
A un ft pause
»Ein Phänomen!!" — „)^eden Sic deutsch! Ein virtuos ist er!"
ruft ihn zurück und lockt ihn, ein zweites Mal
zu besitzen. Und dies zu erreichen ist ihm kein
Mittel zu niedrig: Schmeichelworte, ganz von
derselben Tonfarbe wie früher, — er versucht'«
damit, daß er auf alte Rechte pocht, — mit Luxus
und Geld — und ganz zuletzt reicht er ihr die Hand.
Sic weiß sehr wohl, daß es nur eine Schein-
ehre ist, die sie sich erkauft, aber sie greift doch
darnach aus all dem Schmutz und der Erniedri-
gung heraus und hat vor den Menschen mit einem
Mal wieder einen geachteten Namen.
„Also bist Du verheiratet?" fragte ich damals
plump, und als sie schwieg: „Und wo ist er'?"
„Auf Reisen!" sagt sie kühl und steht auf,
sieht über mich hinweg ins Leere. Gleich darauf
erhob auch ich mich und ging.
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Schon das nächste Mal, als ich wieder kam,
war ich, ohne mir dessen bewußt zu sein, ver-
ändert. Ich fühlte instinktiv, daß diese Frau nach
mir griff wie nach einem Anker, um nidjt zu ver-
sinken in der Leere, und zugleich, daß ich jung
sei und eben erst anfange das Leben zu um-
armen, und daß alle Wege mir noch offen standen
und nur warteten, ich möge sie betreten. Und ich