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Der Flieger

Breit' Deine glügcl aus, meine zarte Libelle,

Und laß' des jungen Morgens silberne Welle
Noch einmal spielend darüberglelten.
vielleicht lst's eln Abschied für immer;

Venn heut' gilt's zu streiten l
Nein — da der Himmel so blau,

Zst's nicht Zelt, uns mit dunklen Sorgen zu quälen.
Schon bebt dein schlanker Leib
Und will sich bräutlich dem reinen Aether vermählen.
Wild ungestüm hämmert dein eisernes Herz,

Genau so wie meine.

Nicht ßurcht ist's, die uns beide bewegt.

Nur Sehnsucht nach oben.

Drum vorwärts!

Zage, tummle dich, schraub' dich empor,

Hoch, immer höher —

Nun sind wir droben!

Lin Wolkenberg! Rasch darüber geklettert!

Lin jäher Ruck — o Himmel, bist du zerschmettert?
Gerettet! — Des Todes grauses Gespenst
Saust in Wolkenfehen gehüllt vorbei,

Wir sind frei.

Doch gibt's kein Verweilen im blauen Meer

Hurtig, wir müssen eilen. kct

von ungefähr jagt ein weißes Wölkchen daher.

Dort ein zweites!

Fliege, rase mitten durch den Lijenreqen,

Schnurre, surre dein stählernes Lied,

Trag'e wie ein Schild dem 8e!nd entgegen,

Nühn und verwegen.

Brav meine singende, klingende Taube,

Alles ist gut —

Zm Sonnenlicht funkelt ein Heller, rofenfarb'ner Rubin.
Lin Tropfen Blut.

Ls rinnt ein kleines zitterndes Bächlein
© Herr, laß mich nicht stürzen die Schulter herab.
Aus lichten Höh'n ins finst're Grab,
leben will ich, genesen! —

Und soll's nicht fein,

So bin ich doch nahe der Sonne gewesen!

^ Lothar Ring (H)*cn)

Manfred Freiherr von Richthofen

Von Franz Carl Endrcs

Man hat mit Recht behauptet, daß der moderne
Krieg die alte Poesie des Kampfes verloren hat.
Poesie verträgt sich nicht init der Masse. Sie ist
an den Einzelnen gebunden, an das subjektive Bild,
das dem Einzelnen von der Welt entsteht und an
die subjektive Auseinandersetzung des Einzelnen
mit eben dieser Welt.

Der Massenkrieg degradiert die Einzelleistung
— so hoch sie auch sein mag, — zum Bestandteil
einer Gesamtleistung und nimmt ihr etwas von
ihrem individuellen Dasein, non ihrer Poesie.

Beim Flieger ist es noch anders, obgleich auch
hier die sieghafte „Masse" schon ihre Triumphe zu
feiern beginnt in den Geschwaderkämpfen. Dies
Eindringen der „Masse" als psychologisches Ele-
ment des Luftkampfes steht aber noch in den
allerersten Anfängen.

Noch ist der Flieger, der das zweidimensionale
Schlachtfeld zum dreidimensionalen Schlacht-
raum umgeschaffen hat, der Herr der Lüfte. Noch
ist sein Kampf ein alter, edler Zweikampf, noch ist
Ritterlichkeit ein auf Erden schon längst abhanden
gekommener Schmuck dieses Kampfes, — noch
schwebt die Poesie des Krieges, der in den Tiefen
maschinclltcchnischcr Masscnschlacht kein Obdach
winkt, zwischen den Wolken, in den Einsamkeiten
des Luftmeeres, in den noch erdfernen Strahlen
der Sonne.

Abend

K. Fiedler (Bootsmannsmaat)

Und sic liebkost die stolze Jugend, die sich
kühn und fröhlich den unendlichen Einsamkeiten
anvertraut. Dort oben ist Jugend! Alle sind sic
jung, die in den Lüften kämpfen. Richthofen ist
25 Jahre alt! Unser größter Held der Luft! Auch
sein Werdegang war motorschucll wie sein feind-
schreckendes Luftzeug.

Ein unbekannterMilitschcr Ulan 1912! Ein ener-
gischer, freundlicher, fröhlicher Kamerad. Wieviele
gibt es, die das auch sind! Und Reiten seine Freude,
wie es alten Geschlechtes jungem Sproß geziemt.

Da kam der Krieg und wies Tausenden ihren
Weg. Und Tausende fanden neuen Weg. Ge-
waltig war die Ueberlegenheit der Feinde in der
Luft. Aber mit starkem Willen und mit großen
Opfern, gerade an den Besten der Tapfern, rang
sich die Fliegertruppe aus der Mittelmäßigkeit
heraus zur Vollendung in technischer Hinsicht,
zur Meisterschaft in persönlicher Leistung.

Immelmann und Boelcke waren die Furcht
des Feindes! Sie starben, aber ihr Geist lebte fort.

Neue kamen im alten Geiste.

Das ist das Große am sonst bedrückenden Ge-
danken, daß Alles ersetzbar ist, daß jede Lücke sich
schließt, daß jedem Grabe eine Geburt folgt.... Daß
alles Wellen sind am Gestade des Unendlichen!

Richthofen hat den Geist Jmmelmanns und
Boelckcs und mehr noch, er haucht ihn feiner gan-
zen Jagdstaffel ein. Am 3. März 1917 Ober-
leutnant. Schon am 8. April 1917 nach dem
39. Sieg Rittmeister! Die Leistung erfordert Lohn.
Sie schafft aber auch das moralische Übergewicht
trotz der Jugend über Gleichaltrige und Altere.
Sie macht zum Führer.

Was knickebeinigen Friedensbedenklichkeiten
nicht möglich schien, der Krieg hat es geschaffen:
Daß der kommandiert, der es am besten kann. —
Wenigstens hier und da! Leider noch nicht über-
all. Noch gilt das Alter oft als ein Heilmittel
gegen die Unfähigkeit, und die Jugend als ein
unverzeihlicher Fehler.

Vielleicht wird sich das einmal ganz ändern und
man wird seine „Richthofen" früh und jung dahin
stellen, wo sie für das Vaterland wirken können. —

Oie Limonadde

„Pernnje — heute wird heißer Tag wer-
den," sagte der Grenadier Schlesinger zu seinem
Nachbar. Doch der ging mit stierem Blick
seines Weges, ohne auf diese Worte zu ach-
ten. — „Pernnje" fluchte noch einmal der
Andre, „wenn ich nur hätte zu trinken." —
Nur langsam bewegt sich die Kompagnie vor-
wärts, auf staubiger Chaussee — gleich einer
kleinen Raupe. Es war erst 8 Uhr Morgens
und doch war die Luft schon schwül und gab
allen Anlaß zu der Befürchtung Schlesingers.
Stunde um Stunde verging — nur unter-
brochen von den Stoßseufzern der Grenadiere.
Singen sollten sie, hatte der Kompagnieführer
durchsagen lassen — aber mehr als ein Vers
war es nicht geworden. — Einer nach dem
Andern hörte auf — Staub und Schweiß
nahm jedem die Lust...

Da rief plötzlich jemand: „Mensch, een
Schato! — Na, wenn't hier nischt zu trinken
gibt, will ick Schulze Heeßen."

Heller blickten die Augen der müden
Krieger, aber zufrieden waren sie erst, als das
Kommando — Halt! — kam und sie im
Schatten der hohen, alten Parkbäume ihre
Knochen ausstrecken konnten.

Wie umgewandelt war die Gesellschaft,
Lachen und Rufen ertönte, Witze wurden ge-
rissen, so faul, daß selbst die schöne Parkluft
anfiyg, darunter zu leiden.

„Wo ist denn der Schlesinger?" fragte ein

Unteroffizier und trat an eine Gruppe heran.

„Der wird sich wohl seitwärts in die Büsche

geschlagen haben," meinte einer.

„Dauert aber verdammt lange," knurrte der
Unteroffizier in seinen Bart. —

Schlesinger war eben weg — wohin unißte nie-
mand. Erst kurz bevor der Befehl zum Weitcr-
marsch kam, erschien er wieder, und machte sich
mit geheimnisvollem Getue an seinem Tornister
zu schaffen. Sein Gesicht strahlte und seine Hosen-
taschen schienen platzen zu wollen. Auf alle Fragen
gab er nur unklare Antworten, aber er grinste
dauernd. Von Zeit zu Zeit nahm er einen Schluck

aus seiner Feldflasche.-Die Sonne war höher

gekrochen — sengend sandte sic ihre Strahlen auf
die Stahlhelme — und bald war alles wieder in
das alte stumpfe Brüten versunken — wie vorher.

Auf einmal knallte irgendwo etwas — kein
Schuß — aber Sck)lesingcr hob seinen Feldflaschen-
korken von der Erde auf, wobei er seinem Vorder-
mann in die Beine geriet.

„Pschakreff, is aber merrkrvürdig — sprringt
siel, Stopfen aus Flasche — und is sich Kopf
meiniges so schwerr — Pernnje — muß ich Widder
saufen Limonadde" und schon hatte er die Feld-
flasche vor dem Munde und nahm einen kräftigen
Kuhschluck. Aber es wurde ihm nicht besser —
im Gegenteil, einmal schwankte er sogar an seinen
Nebenmann heran, der erschreckt aus seinem
Brüten auffuhr und ihn erstaunt anstarrte. Er
glaubte schon an Hitzschlag oder Sonnenstich, als
plötzlich die Stimme des Kompagnieführers neben
ihnen erscholl:

„Na, Schlesinger, was fehlt Ihnen denn, Sie
können ja kaum noch laufen?"

„Weiß ich nich, Herr Oberleitnant, aberr Kopf,
mirr is Kopp in Schwindel und so dumm — ick,..."

„Sie sind besoffen, Mensch," sagte der Führer,
„mal raus mit der Sprache, was haben Sie denn
bloß getrunken?"

„Weiß ich nich, Herr Oberleitnant, habb id)
getrunken Limonadde, wo ich habb gefunden in
Schato, eine Flasche und aus Feldflasche dazu —
auch Limonadde-"

„Na, das wird schon 'ne schöne Limonade sein,
haben Sie noch mehr von den, Zeug da? Raus
damit!"

ffHäbb ich," sagte der Bied're, faßte nach seinem
Affen rum und zog eine und noch eine dickbäuchige
Flasche hervor.

„ — Na, sagte ich so nicht — säuft der Mensch
Sekt für Limonade," sprach's und unter all ge

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Register
Richard Fiedler: Abend
Franz Carl Endres: Manfred Freiherr von Richthofen
Lothar Ring: Der Flieger
S-g: Die Limonadde
 
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