zweitens ein Schwein ist nun einmal kein Kana-
rienvogel , kein Angorakater und kein Seiden-
pintscher.
Und Frau Adele war keine Stallmagd.
Trotzdem mühte sie sich rechtschaffen mit ihrem
Dingelchen, wie sie es nannte, um es dick und
fett, zufrieden und — zimmerrein zu machen.
Denn es lebte vorerst in einem Rcisekorb
draußen in der Küche, Und darnach in der
Kommodenschublade drüben in dem Kammer! —
und zuletzt in der Badewanne.
Aber leider ward ungemischte Freude auch Frau
Adele nicht zuteil: man begann beim Kaufmann
und im Milchladen über sie zu munkeln.
„Wissen's es schon? — Beim Sekretär ham's
Söul — In der Wohnung! — Im Salon!!"
Und am Himmel des Sekretärsehepaars stand
drohend die Wolke einer Anzeige.
Also gab's nur eins: das Schweinchen mußte
sterben — gleich, sofort. —
Gut.
Man sagt, die Deutschen seien alle Barbaren;
hätte aber einer von denen, die das behaupten,
am Morgen des Tages, da dieses Schwemchen
sterben sollte, Herrn und Frau Sekretär Müller
gesehen, — er wäre unbedingt zu der Erkenntnis
gekommen, daß wir keiner Katze — ja nicht ein-
mal einer Sau ein Haar krümmen können!
Besonders Herr Müller nicht!
Der verwünschte den Tag und die Stunde,
da er das Schwemchen zu feinem Eigentum ge-
macht hatte: er rannte kopflos in der Wohnung
herum, in der Rechten ein spitzes Messer, in der
Linken einen Hammer. Und Frau Adele weinte
ihre salzigsten Tränen, trug den Todeskandidaten
wie einen erstgeborenen Sohn auf den Armen
und rief in einem fort: „Ach mein Schnukelchcn!
Mein Schweinchen! Nun mußt du sterben!"
Endlich entschloß man sich zur Tat.
Das eheliche Schlafzimmer wurde wegen fei-
ner erprobten Verschwiegenheit als Schlachtraum
ausersehen, das Bad erhitzt, der Küchenherd ge-
schürt und zur Stärkung der Nerven ein kleiner
Magenbitter getrunken.
Und dann sagte Herr Müller mit harter
Stimme: „Also, packen mir's!" —
Aber feine Hand zitterte doch schrecklich, als
er zum Schlag ausholte... Bumm...
„Auh!"
Frau Adele schrie laut auf: denn der Schlag
war richtig daneben gegangen — direkt an ihr
Schienbein. Das Schweinchen aber rannte wie
besessen durch das Zimmer in die Küche — ins
Bad — in den Salon! —
Und in dem Augenblick ein Krachen und
Knallen nebenan, — Rufen auf der Straße:
„Feindliche Flieger!" —
Ja ja. Was einem nicht gehört, bleibt einem
nicht.
Frau Müller hatte kaum den Knall gehört,
als sie sogleich hinaus auf die Treppe stürzte, die
Gangtüre offen ließ und sich mit dem Ruf:
„Flieger! Wir sind verloren!" im Keller in
Sicherheit brachte.
Herr Müller aber rannte ans Fenster und
blickte verstört hinaus, ob nicht über ihm irgend
was platzte...
Und das Schweinchen?
Ach, es lief hinaus auf die Stiege — lief,
fiel — kollerte die Stufen hinab — in heißer
Angst und Todesnot — und stand plötzlich drau-
ßen auf der Straße, mitten unter dem Menschcn-
knäuel, der die Fliegerbombe sehen wollte.
Und dann starb es durch den Biß eines
Bernhardinerhundes den Heldentod für feinen
Kommunalverband. — Indes Herr Müller dreißig
Mark bezahlte — für's Gesetz.
Oie Geschichte vom grauen Filzhut
Es war einmal ein weicher, grauer Filzhut,
der sich von den anderen nur dadurch unterschied,
daß er mir gehörte. In England hatte id) seine
Bekanntschaft gemacht, wir waren zusammen weit
in der Welt herumgekommen und hatten uns
stets gut vertragen. Dann kam der Krieg, ich
mußte in's Feld und da id) wichtigere Sachen
zu denken hatte, vergaß ich darauf, daß in irgend
einem Schrank der weiche Hut lag. Erst jetzt
fand id) ihn im Urlaub wieder und war erschrocken,
wie sehr er in der Zwischenzeit gealtert war: er
war wesentlich grauer geworden und die lange
Zeit hatte manch' tiefe Furche in sein Antlitz ge-
zogen. Offen gesagt, er sah etwas schäbig aus
und ich trug ihn von da an lieber in der Hand
als am Kopfe.
Eines Tages machte ich gegen Abend einen
wunderschönen Spaziergang: die Sonne war ge-
rade zur Ruhe gegangen und die Vöglcin schmet-
terten zum letzten Male ihr fröhliches Lied hinaus,
um sich zu sagen, wie wunderschön es auf der
Welt fei. Plötzlich rief ein feines Sümmchen
„He! Holla!" Ich war zuerst erschrocken, aber
bald wieder gefaßt und konnte trotz des eifrigsten
Euchens nicht finden, woher der Ruf, der sich
immer von neuem wiederholte, gekommen war.
Auf einmal sagte die Stimme „Du Tölpel!" und
jetzt wußte ich wenigstens, daß ich gemeint war.
Der kalte Angstschweiß trat mir auf die Stirne,
und um mich niri)t zu erkälten, setzte id) meinen
Hut auf. Die Stimme tönte nun plötzlich von
oben und auf einmal machte ich die höchst selt-
same Entdeckung, daß es mein Hut war, der mir
zugerufen hatte. Ich war natürlich darüber sehr
erstaunt, zumal ich nicht wußte, daß ich einen so
gebildeten Hut mein eigen nennen durfte: aber
mir sollten darüber bald meine Augen aufgehen,
denn er begann mit folgender Rede:
„Im Namen der englischen Nation, der an-
zugehören ich die hohe Ehre habe, bin ich obligeä
(der Schuft sagte tatsächlich obliged!), mir eine
derartige Behandlung, wie ich sie in der letzten
Zeit erleben mußte, aufs energischste zu verbitten.
Ich bin Engländer und als solcher gewöhnt, auf
dem Kopf der übrigen Menschen herumzutanzen.
Der Kopf ist der einzige Platz, von dem aus ich
auf die anderen Menschen so herunterschauen kann,
wie es bei uns Sitte ist. Ich gehöre auf Dein
sogenanntes Gehirn, um die Gedanken, die ja
sehr zu wünschen übrig lassen, schon im Entstehen
zu überprüfen. Außerdem stamme ich aus einer
viel zu vornehmen Familie, um dies Dasein in
Deiner Hand zu verbringen. Mein Bruder ist
Musiker und dient in einem Konzertflügel als
Einlage. Eine Tante von mir war Tintenwischer
bei der Lady Hamilton und ein Vetter von mir
ist sogar Filzpantoffel beim König von England:
er hat bis in die geheimsten Gemächer Zutritt und
ist der erste, der ihn am Morgen begrüßt, und
der letzte, der sich abends verabschiedet. Wenn
Du also weiterhin von mir behütet sein willst,
vergiß nicht auf meine Vornehmheit!"
Icl> konnte zuerst kein Wort zur Entgegnung
auf diese Unverschämtheit finden: aber als mir
eine entsprechende Antwort eingefallen war, merkte
id), daß ich auf einer Bank eingeschlafen war und
geträumt hatte.
R. <3. (.Leutnant d. R im Felde)
R. Rost
Spekulation
„Applaudieren wir ihm! Er ist bäuerlicher Abstammung, er wird uns Schmalzquellen verraten können!!"
6! v
rienvogel , kein Angorakater und kein Seiden-
pintscher.
Und Frau Adele war keine Stallmagd.
Trotzdem mühte sie sich rechtschaffen mit ihrem
Dingelchen, wie sie es nannte, um es dick und
fett, zufrieden und — zimmerrein zu machen.
Denn es lebte vorerst in einem Rcisekorb
draußen in der Küche, Und darnach in der
Kommodenschublade drüben in dem Kammer! —
und zuletzt in der Badewanne.
Aber leider ward ungemischte Freude auch Frau
Adele nicht zuteil: man begann beim Kaufmann
und im Milchladen über sie zu munkeln.
„Wissen's es schon? — Beim Sekretär ham's
Söul — In der Wohnung! — Im Salon!!"
Und am Himmel des Sekretärsehepaars stand
drohend die Wolke einer Anzeige.
Also gab's nur eins: das Schweinchen mußte
sterben — gleich, sofort. —
Gut.
Man sagt, die Deutschen seien alle Barbaren;
hätte aber einer von denen, die das behaupten,
am Morgen des Tages, da dieses Schwemchen
sterben sollte, Herrn und Frau Sekretär Müller
gesehen, — er wäre unbedingt zu der Erkenntnis
gekommen, daß wir keiner Katze — ja nicht ein-
mal einer Sau ein Haar krümmen können!
Besonders Herr Müller nicht!
Der verwünschte den Tag und die Stunde,
da er das Schwemchen zu feinem Eigentum ge-
macht hatte: er rannte kopflos in der Wohnung
herum, in der Rechten ein spitzes Messer, in der
Linken einen Hammer. Und Frau Adele weinte
ihre salzigsten Tränen, trug den Todeskandidaten
wie einen erstgeborenen Sohn auf den Armen
und rief in einem fort: „Ach mein Schnukelchcn!
Mein Schweinchen! Nun mußt du sterben!"
Endlich entschloß man sich zur Tat.
Das eheliche Schlafzimmer wurde wegen fei-
ner erprobten Verschwiegenheit als Schlachtraum
ausersehen, das Bad erhitzt, der Küchenherd ge-
schürt und zur Stärkung der Nerven ein kleiner
Magenbitter getrunken.
Und dann sagte Herr Müller mit harter
Stimme: „Also, packen mir's!" —
Aber feine Hand zitterte doch schrecklich, als
er zum Schlag ausholte... Bumm...
„Auh!"
Frau Adele schrie laut auf: denn der Schlag
war richtig daneben gegangen — direkt an ihr
Schienbein. Das Schweinchen aber rannte wie
besessen durch das Zimmer in die Küche — ins
Bad — in den Salon! —
Und in dem Augenblick ein Krachen und
Knallen nebenan, — Rufen auf der Straße:
„Feindliche Flieger!" —
Ja ja. Was einem nicht gehört, bleibt einem
nicht.
Frau Müller hatte kaum den Knall gehört,
als sie sogleich hinaus auf die Treppe stürzte, die
Gangtüre offen ließ und sich mit dem Ruf:
„Flieger! Wir sind verloren!" im Keller in
Sicherheit brachte.
Herr Müller aber rannte ans Fenster und
blickte verstört hinaus, ob nicht über ihm irgend
was platzte...
Und das Schweinchen?
Ach, es lief hinaus auf die Stiege — lief,
fiel — kollerte die Stufen hinab — in heißer
Angst und Todesnot — und stand plötzlich drau-
ßen auf der Straße, mitten unter dem Menschcn-
knäuel, der die Fliegerbombe sehen wollte.
Und dann starb es durch den Biß eines
Bernhardinerhundes den Heldentod für feinen
Kommunalverband. — Indes Herr Müller dreißig
Mark bezahlte — für's Gesetz.
Oie Geschichte vom grauen Filzhut
Es war einmal ein weicher, grauer Filzhut,
der sich von den anderen nur dadurch unterschied,
daß er mir gehörte. In England hatte id) seine
Bekanntschaft gemacht, wir waren zusammen weit
in der Welt herumgekommen und hatten uns
stets gut vertragen. Dann kam der Krieg, ich
mußte in's Feld und da id) wichtigere Sachen
zu denken hatte, vergaß ich darauf, daß in irgend
einem Schrank der weiche Hut lag. Erst jetzt
fand id) ihn im Urlaub wieder und war erschrocken,
wie sehr er in der Zwischenzeit gealtert war: er
war wesentlich grauer geworden und die lange
Zeit hatte manch' tiefe Furche in sein Antlitz ge-
zogen. Offen gesagt, er sah etwas schäbig aus
und ich trug ihn von da an lieber in der Hand
als am Kopfe.
Eines Tages machte ich gegen Abend einen
wunderschönen Spaziergang: die Sonne war ge-
rade zur Ruhe gegangen und die Vöglcin schmet-
terten zum letzten Male ihr fröhliches Lied hinaus,
um sich zu sagen, wie wunderschön es auf der
Welt fei. Plötzlich rief ein feines Sümmchen
„He! Holla!" Ich war zuerst erschrocken, aber
bald wieder gefaßt und konnte trotz des eifrigsten
Euchens nicht finden, woher der Ruf, der sich
immer von neuem wiederholte, gekommen war.
Auf einmal sagte die Stimme „Du Tölpel!" und
jetzt wußte ich wenigstens, daß ich gemeint war.
Der kalte Angstschweiß trat mir auf die Stirne,
und um mich niri)t zu erkälten, setzte id) meinen
Hut auf. Die Stimme tönte nun plötzlich von
oben und auf einmal machte ich die höchst selt-
same Entdeckung, daß es mein Hut war, der mir
zugerufen hatte. Ich war natürlich darüber sehr
erstaunt, zumal ich nicht wußte, daß ich einen so
gebildeten Hut mein eigen nennen durfte: aber
mir sollten darüber bald meine Augen aufgehen,
denn er begann mit folgender Rede:
„Im Namen der englischen Nation, der an-
zugehören ich die hohe Ehre habe, bin ich obligeä
(der Schuft sagte tatsächlich obliged!), mir eine
derartige Behandlung, wie ich sie in der letzten
Zeit erleben mußte, aufs energischste zu verbitten.
Ich bin Engländer und als solcher gewöhnt, auf
dem Kopf der übrigen Menschen herumzutanzen.
Der Kopf ist der einzige Platz, von dem aus ich
auf die anderen Menschen so herunterschauen kann,
wie es bei uns Sitte ist. Ich gehöre auf Dein
sogenanntes Gehirn, um die Gedanken, die ja
sehr zu wünschen übrig lassen, schon im Entstehen
zu überprüfen. Außerdem stamme ich aus einer
viel zu vornehmen Familie, um dies Dasein in
Deiner Hand zu verbringen. Mein Bruder ist
Musiker und dient in einem Konzertflügel als
Einlage. Eine Tante von mir war Tintenwischer
bei der Lady Hamilton und ein Vetter von mir
ist sogar Filzpantoffel beim König von England:
er hat bis in die geheimsten Gemächer Zutritt und
ist der erste, der ihn am Morgen begrüßt, und
der letzte, der sich abends verabschiedet. Wenn
Du also weiterhin von mir behütet sein willst,
vergiß nicht auf meine Vornehmheit!"
Icl> konnte zuerst kein Wort zur Entgegnung
auf diese Unverschämtheit finden: aber als mir
eine entsprechende Antwort eingefallen war, merkte
id), daß ich auf einer Bank eingeschlafen war und
geträumt hatte.
R. <3. (.Leutnant d. R im Felde)
R. Rost
Spekulation
„Applaudieren wir ihm! Er ist bäuerlicher Abstammung, er wird uns Schmalzquellen verraten können!!"
6! v