Erfurter Dom
Alwin Seifert (Sonneberg)
Besuch bei Johann Seb. Bach
Erhebe Dich, Menschengeist, aus trübem
Und gleite zur Höhe Alltagwust
Auf tanzender Welle.
Dort breite die Flügel aus
Der sehnenden Seele,
Laß blinken die weißen
In strahlender Sonne
Und nahe dem singenden Gotte des Lichts.
Doch mußt Du zu Tale,
Verbirg Deine Flügel I
Verbirg Deine Seele! den kriechenden Bauern
Verrat' ihnen nichts!
Und schreite vorüber
Im Mantel des Schweigens
Verrat' ihnen nichts!
Den fahlen Gesellen
Von Strahlen und Wellen
Des singenden Lichts.
I. F. Graf v. Bub na-Litt iß
*
Schwester Charitas
Wo des Sommers blütenschwere Wonne
Aus dem Dufte voller Linden weht,
Geht im Garten eine junge Nonne,
Und die Hände schließt sie zum Gebet.
Wie des Trauermantels Samtgefieder
Schwebt ihr Kleid im sonndurchglanzten Raum:
Und sie sinft auf eine Steinbank nieder,
Und ihr schöner Mund spricht wie im Traum:
„Helden, die ihr kühn das Feld der Ehre
Mit dem Blute eurer Pulse tränkt,
Helden, die ihr auf den Grund der Meere
Eures Lebens heiliges Opfer senkt,
Wen» in eure letzten Einsamkeiten
Nicht das Lächeln einer Seele schwebt.
Will ich meine Arme um euch breiten,
Daß mein Herz mit eurem Herzen bebt.
Meine Angen sollen zu euch sprechen
Leid und Lebens tiefsten Widerschein,
Und ich will euch, wenn die euren brechen.
Mutter, Schwester, Braut und Gattin sein.
Er, zu dessen Opfertod wir schwören,
Hört ihr, wie er segnend um euch wirbt?
Allen, Allen soll ich euch gehören,
Weil er selbst in jedem von euch stirbt."
Biene» singen durch die Blütenkrone
Golden - wundersamen Orgellaut,
Und das Liebeswort von Gottes Sohne
Tönt, soweit der Dom des Himmels blaut.
Tönt — und fern, umwölkt von Flammenschwaden,
In der Schlachten donnerndem Gericht,
Grüßt ein Sterbender voll Glück und Gnade»
Lächelnd ein erlösendes Gesicht.
Franz Langheinrich
Herbstabend
Und die Abendsonne sank und sank.
Röter von Sekunde zu Sekunde,
Wie von einer großen Sehnsucht krank.
O wie wild des Himmels Liebeswunde
Unter Blut und Bränden losch entgegen
Einer uferlosen Sterbestunde.
Und mit vampyrleisen Flügclschlägen
Hob die Nebelriesin sich vom Strande,
Um in Asche Land und Meer zu legen.
Jäh noch einmal bäumt zum Opferbrande
Sich am Horizont schön wie der Tod
Hoch ins Goldgewölk die Glutgirlaude
Und ertrank im eignen Abendrot.
O ich kenne, kenne dich vom Grunde,
Sonne, königlicher Weltpilot,
In der Allmacht deiner Schicksalsstunde . . .
Kurt Piper
*
Wanderspuk
Ich stieg an einem prächtigen Iulimorgen den
„Langen Grund" hinauf. Ein gutes Stück ober-
halb der Hollmannbaude überholte ich ein junges
Mädchen, das, ebenso wie ich mit Rucksack und
Bergstock ausgerüstet, langsam in die taufrische
Bergwelt hineinstiefelte. Ich grüßte und sagte
ein paar freundliche Worte, die sie ebenso er-
widerte. Schon war ich ihr um einige Schritte
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Alwin Seifert (Sonneberg)
Besuch bei Johann Seb. Bach
Erhebe Dich, Menschengeist, aus trübem
Und gleite zur Höhe Alltagwust
Auf tanzender Welle.
Dort breite die Flügel aus
Der sehnenden Seele,
Laß blinken die weißen
In strahlender Sonne
Und nahe dem singenden Gotte des Lichts.
Doch mußt Du zu Tale,
Verbirg Deine Flügel I
Verbirg Deine Seele! den kriechenden Bauern
Verrat' ihnen nichts!
Und schreite vorüber
Im Mantel des Schweigens
Verrat' ihnen nichts!
Den fahlen Gesellen
Von Strahlen und Wellen
Des singenden Lichts.
I. F. Graf v. Bub na-Litt iß
*
Schwester Charitas
Wo des Sommers blütenschwere Wonne
Aus dem Dufte voller Linden weht,
Geht im Garten eine junge Nonne,
Und die Hände schließt sie zum Gebet.
Wie des Trauermantels Samtgefieder
Schwebt ihr Kleid im sonndurchglanzten Raum:
Und sie sinft auf eine Steinbank nieder,
Und ihr schöner Mund spricht wie im Traum:
„Helden, die ihr kühn das Feld der Ehre
Mit dem Blute eurer Pulse tränkt,
Helden, die ihr auf den Grund der Meere
Eures Lebens heiliges Opfer senkt,
Wen» in eure letzten Einsamkeiten
Nicht das Lächeln einer Seele schwebt.
Will ich meine Arme um euch breiten,
Daß mein Herz mit eurem Herzen bebt.
Meine Angen sollen zu euch sprechen
Leid und Lebens tiefsten Widerschein,
Und ich will euch, wenn die euren brechen.
Mutter, Schwester, Braut und Gattin sein.
Er, zu dessen Opfertod wir schwören,
Hört ihr, wie er segnend um euch wirbt?
Allen, Allen soll ich euch gehören,
Weil er selbst in jedem von euch stirbt."
Biene» singen durch die Blütenkrone
Golden - wundersamen Orgellaut,
Und das Liebeswort von Gottes Sohne
Tönt, soweit der Dom des Himmels blaut.
Tönt — und fern, umwölkt von Flammenschwaden,
In der Schlachten donnerndem Gericht,
Grüßt ein Sterbender voll Glück und Gnade»
Lächelnd ein erlösendes Gesicht.
Franz Langheinrich
Herbstabend
Und die Abendsonne sank und sank.
Röter von Sekunde zu Sekunde,
Wie von einer großen Sehnsucht krank.
O wie wild des Himmels Liebeswunde
Unter Blut und Bränden losch entgegen
Einer uferlosen Sterbestunde.
Und mit vampyrleisen Flügclschlägen
Hob die Nebelriesin sich vom Strande,
Um in Asche Land und Meer zu legen.
Jäh noch einmal bäumt zum Opferbrande
Sich am Horizont schön wie der Tod
Hoch ins Goldgewölk die Glutgirlaude
Und ertrank im eignen Abendrot.
O ich kenne, kenne dich vom Grunde,
Sonne, königlicher Weltpilot,
In der Allmacht deiner Schicksalsstunde . . .
Kurt Piper
*
Wanderspuk
Ich stieg an einem prächtigen Iulimorgen den
„Langen Grund" hinauf. Ein gutes Stück ober-
halb der Hollmannbaude überholte ich ein junges
Mädchen, das, ebenso wie ich mit Rucksack und
Bergstock ausgerüstet, langsam in die taufrische
Bergwelt hineinstiefelte. Ich grüßte und sagte
ein paar freundliche Worte, die sie ebenso er-
widerte. Schon war ich ihr um einige Schritte
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