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Liebesboten

3it Eisenhut und Heidekraut
Und gold'nen Sonnenfäden
Ein junges Blut, verträumt und traut,
Sah still wie eine süße Braut
Und hört' die Winde reden.

Der erste sprach: „Ich komm zu dir
Von einem schmucken Knaben.

Er streift in feindlichem Revier
Und folgt dem siegenden Panier
Wohl über Grund und Graben."

Der zweite streifte ihre Stirn
Und plauderte im Wehen:

„Die Sonne brannt' ihm Herz ruck Stirn,
Da küßt' er eine heiße Dirn
So im Borübergehen."

Da kam ein dritter Wind zur Stund',
Der sah ihr traurig Sehnen.

Er sprach kein einzig Wortlein und
Küßte nur schweigend ihren Mund
Hub ihre bangen Tränen.

Und als der Abend ging ins Land,
Stand sie im roten Scheine.

Und in die frohen Locken band
Ein Kränzlein ihre weihe Hand —

„Er liebt doch mich alleine!"

Emil S~> o b i n a

Wiedercrwacheii

Ich sitze an Deinem Belte
Und bin bei Dir;

Ich halle Deine Hände,

Sie sind bei mir;

Ich lausche Deineni Herzen
Und fühle seinen Schlag,

Ob Dich aus tausend Schmerzen
Die Liebe retten mag.

Du gabst ja Deine Hände
Dem milden Ritter Tod.

Er küßte sie nur leise,

Sang eine stille Weise
Und löste Dich von Rot.

Ich aber wollt's rricht lassen,

Daß Du zum Schlafe gingst,

Ich mußt' Dich fester fassen,

Daß Dri noch einmal singst,

Mir singst von Deiner Liebe,

Mir singst von Deinem Glück.

Ich konnte Dich nicht lassen
Mußt' Dich noch einmal fassen, —
Da kehrtest Du zurück!

W. A. Krannhals

Burger Mühlfeld (Berlin)

Irgendwo

Von Kurt Martens

Das Haus steht gegründet rurd wartet auf die
Herrin, die noch immer nicht kommen will. Ric-
nraird kennt sie, selbst er nicht, der es fid) erbaute,
sie zu empfangen. Der Garten leudjtct in blühen-
der Sommerpracht. Dort soll sie mit ihm zwischen
den Rosenbeeten, unter den alten Kastanien wan-
deln und an dem Springquell, wo der steinerne
Triton lautlos in sein Horn stößt, der Musik ge-
meinsamen Friedens lauschen.

In der geräumigen Billa ist ihr eine Flucht
der behaglichsten Zimmer bereitet. Da herrscht der
unaufdringliche, gewählte Geschmack, der ihres
ganzen Wesens besonderes Kennzeichen ist. Hier
nnä) dem Wald hinaus liegt ihr lichtes, luftiges
Boudoir, ausgestattet mit allem Luxus, dessen
eine verwöhnte junge Fra» bedarf, ihr stattlicher
Empfangssalon, ihr Ankleidezimmer neben dem
Schlafgcmach, das sie beide beziehen werden, so-
bald sie einander nur erst gefunden und Hochzeit
gehalten haben.

Inzwischen lebt er hier abgeschlossen in beben-
der Sehnsucht und zuversichtlicher Erwartung.
Seinen gewohnten Platz hat er zur Seite des
mächtigen Kamins, dessen Marmorgesims zwei
jugendliche Karyatiden tragen: Mann und Weib.
Unter ihrer peinvollen Last hervor blicken sie fid),
einander unerreichbar, unverwandt in die ver-
schleierten Augen.

Auf dem Tisch vor ihm liegen Bücher ge-
schichtet, die er flüchtig durchblättert, alte Briefe
längstvergessener Freunde, schöner Damen und ge-
fälliger Mädchen, die ihn nur auf Tage und
Stunden fesselten. Ein Glas edlen Weines, an
dcnr er kaum noch nippt, eine Schachtel scl)wcrcr
Havannas, die ihm nicht mehr schmecken, die
Flöte, die er erst wieder blasen wird, wenn seine
Gattin am Klavier ihn dazu begleite!: der Platz
eines zu rasch enttäuschten Junggesellen, der sich
auf die guten Dinge des Lebens einstmals wohl-
verstand, sie aber tieferen Eindringens doch nicht
für wert erachtete und sein bestes Fühlen, all
seine noch nie verschwendete Kraft zu lieben und
anzubeten aufspartc für die Eine, die es doch
irgendwo geben muß.

Roch treiben fid) in den Fächern seines Schreib-
tifches außer den Briefschaften allerhand müßige
Andenken herum, Bilder und Locken kleiner
Schauspielerinnen, entblätterte Rosen von Stell-
dicheins, zärtliche Angebinde verliebten Getändels.
Wie nun sein Blick auf den leeren Sessel fällt,
der dem seinen fragwürdig und einladend gegen-

übersteht, fällt jener Kram ihm ein und wird
ihm mit einem Mal zuwider. Hastig erhebt er
sich, sucht und rafft ihn zusammen und zündet
im Kamin das erste Feuer damit an. Be-
freit, entlastet sieht er zu, wie die inhaltslos
gewordenen Zeilen der Briefe langsam ver-
kohlen und seine leichtfertige Vergangenheit
jn mißfarbenen Rauch aufgeht.

Die Dämmerung ist hereingebrochen: ein
lauer Wind bläht die Gardinen vor den ge-
öffneten Fenstern und streift den vor sich hin-
träumenden Mann, der sich zum ersten Male
altern fühlt, mit dem Dufte der Roscnrabattcn
und Lilienbeetc. Oh abendliche Einsamkeit! Oh
letzter Strahl der sinkenden Sonne ...! Welch
eine karge Spanne Zeit liegt zwischen dir und
dem vielleicht nie zu erlebenden neuen Tag!

Da erklingt neben ihm an der Wand, un-
hörbar fast, die Glocke des Telephons. An-
fangs glaubt er, sich verhört zu haben, vcr-
mutet eine Täusrlzung seiner überwachen, ewig
erwartungsvollen Sinne. Aber noch einmal
derselbe, fremdartig schwingende, dem locken-
den Ruf eines Vogels vergleichbare Ton. Den
Hörer am Ohr fragt er zweifelnd:

„Ist jemand da?"

Ja, cs kommt Antwort — ein Laut, der ihm
das Blut zum Herzen treibt:

„Bist Du cs, Liebster? Bist Du allein?"

Die Stimme einer Frau, einer völlig unbe-
kannten, und doch so seltsam vertraut, als habe
sie ihn seit Jahren schon täglich umschmeichelt und
getröstet.

„Hier bin ich," bestätigt er mit angehaltcnem
Atem, „bin ganz allein und warte."

„Endlich! Wie schön!" ruft es nun ganz be-
glückt. „Endlich! Endlich! — Darf ich zu Dir
kommen?"

Himmel! Jetzt ahnt er . . . jetzt weiß er: das
ist ja ihre Stimme, wie sie immer schon in ihm
selber wiederklang. Der dunkle und dach so kläre,
zart beruhigende Alt seiner Frau, deren ganze
Natur sanft gleitende Musik ist wie das Rauschen
der Äolsharfe hoch in einem fernen Wipfel.

„Komm... ja, komm! Alles ist bereit." Er
haucht es ihr zu, flüstert es, hingerissen, berauscht
und zugleich voll Andacht vor diesem Augenblick,
der die Erfüllung seines Lebenstraumes verkündet.

Aber nun plagt ihn auch schon die allzumensch-
liche Neugier, von der äußerlich so fremden, so
lange ferngebliebenen näheres zu erfuhren, und
er fragt in drängender Hast:

„Sag mir, wo bist Du jetzt? Wo in aller
Welt kommst Du denn her? Wie bist Du auf
mich geraten? Ach, noch nicht einmal Deinen
Namen kenne ich."

Schon hat er zuviel gesagt, zuviel auf einmal
wissen wollen.

Gebraus und Geklirr geht plötzlich durch den
Apparat... ein letzter, schwacher, verhauchender
Ton der ersehnten Stimme . . . und dann kein
Laut mehr. Die Verbindung abgebrochen. Alles
wieder totenstill.-

Was war das? Verworren blickt er um sich,
greift sich an den Kopf, betastet sich, ob er nidjt
selber ein Gespenst. — Bin ich bei Sinnen? Habe
ich nicht soeben ein Gespräch geführt? Mit einer
Frau? Mit ihr, die mich Liebster nannte und
endlich zu kommen versprach? — Woher kannte
sie mich denn? Wie wußte sie mich zu finden?

Jetzt aber...? Darf ich sie wirklich erwarten?
Wenn mich kein Kobold genarrt hat, muß sie
doch ihr Versprechen halten!-

Der Anruf hat sich weder an diesem noch an
einem der folgenden Tage wiederholt. Nie mehr
hat diese Frauenstimme so irdisch zu deni Ge-
liebten gesprochen.

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Register
Fritz Burger-Mühlfeld: Vignette
Kurt Martens: Irgendwo
W. A. Krannhals: Wiedererwachen
Emil Hadina: Liebesboten
 
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