Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
f

Pfauen im Garten

Rud. Schramm-Zittau (München)

Mein Stern

Seht 2hr dort oben jenen Stern?

Es ist der meine. Nah' und fern,

Glänzt er mir schon seit jenem Tag,

Da ich ein Kindlein nackt und bloß
Entbunden meiner Mutter Schoß
2n meiner ersten Windel lag.

Sein Licht ist meiner Seelen Speise
Auf dieser dunklen Erdenreise.

Und fließt es nicht, so ist's allein
Daß meiner Taten trüber Schein
Mit einer Wolke deckt sein Bild,

Dis sich der Werke Sinn enthüllt.

Dann glänzt er tim am Himmelstor
Und wir sind näher als zuvor.

Komm' ich zu ihm? Kommt er zu mir?
O, Freunde, sagt, was meinet ihr?

Ich weiß, ich ziehe seine Bahn,

Ich ziehe sie jetzt und fortan.

Bin ich in ihm, ist er kn mir?

Weicht er zurück, tritt er herfür?

Ich weiß, daß ich nach diesem Ende
Mein Dasein dort in ihm vollende.

Und Hab' ich lange ausgeruht,

Erwache dann mit neuem Mut,

Dann bitt' ich ihn: O, laß mich wieder
Auf meine liebe Erde nieder!

Und bleib auf meiner neuen Reise
Mein Licht und meiner Seelen Speise!

Paul Garlu

Schlaflied an die Geliebte

Meine Tage füllst Du mit Glück bis zum Rand:

Jeder Abend findet Hand uns in Hand.

Zeder Morgen Blick uns in Blicken gekettet.
Arme und Augen schließe,

Traumwärts Dich lösend fließe

Hin durch die dämmernden Stunden und Tage

und Jahre .. .

Weich ist um Dich meine bergende Liebe gebettet.
Warm umgeht Dich mein Atcni in sicheren

Takten; —

Spürst seinen streifenden Hauch Du im Haare,
Glaub nicht, es sei eine Schwalbe, die schwirret,
Glaub nicht, es sei ein Falter, der irret:

Längst ist die Welt fortgezogen;

All ihre Meere verrauschten, all ihre Feuer

Kommt kein Glanz mehr geflogen, verflackten.
Kommt kein Klang mehr gcklirret. . .

Wir nur, wir allein blieben zurück,

Kindern gleich, die beim Spielen
Aus Vaters Planwagen fielen . ..

Schlafe, schlaf ein, meiner Tage Glück. ..

Harry Kahn

Oer Ehrenabend

Eine Erinnerung von Hans Gustav Wagner

Eine mittelgroße, alte, deutsche Stadt. Nichts
Fremdes, nichts, was deutsches Wesen beein-
flussen könnte. Die jahrhundertalten Häuser:
Deutscher Bürgcrstolz, ernste Würde. Sie macht
Eindruck, diese alte Stadt.

Der Krieg kam.

Weit, gefahrlos weit — irgendwo in Fein-
desland wurden die Schlachten um Deutschlands
Zukunft gekämpft.

Monatelang — Monatelang.

Die Söhne und Väter, Gatten und Liebsten,
die ausgezogen waren aus der alten Stadt,

kämpften draußen, bluteten draußen, starben
draußen auf fremden Erden.

Me ersten Verwundeten kamen zurück in die
Heimat. Und in freudigem Danke und liebevollem
Pflegen kam wieder mehr Ruhe in das Leben
der Stadt und mehr Sicherheit. Und so war cs
gut. Es ist nicht deutsche Art: Ständiges Hoch-
gespanntsein, kraftnergeudcnde Leidenschaftlichkeit
und Aufregung. Fast in nichts merkte man es
mehr, daß irgenwo draußen der Krieg war. Und
in dieser Ruhe lag Kraft.

Immer länger dauerte das Ringen um das
Leben eines Volkes. Weit in Feindesland, weit-
ab der eigenen Grenzen, wurde es ausgefochten.

Wenn man früher einmal so davon sprach-

Krieg --der müßte alles, alles bis auf den

Grund berühren, von Grund auf ändern, Men-
schen und Dinge. Alles aus den Angeln heben.
Und nun er da war? Ins zweite Jahr fast trat?
Kaum ein merklicher Ton, der anders war, kaum,
daß man äußerlich daran erinnert wurde. Ein
paar Verwundete. Diese historische, ernstgraue
Uniform. Kaum mehr.

Bon den stillen, tiefsten Wunden, dem schwersten
Leid der einzelnen ist nicht zu reden. Es ist nicht
deutsche Art, sein Leid auf die Straße zu tragen.

Nichts — fast garnichts hatte sich geändert.

Wie voriges Jahr stand der St. Georgsplatz
in Blüte; sprang der Springbrunnen; spielten die
Kinder davor; saßen geruhsame Männer und
Frauen auf den behaglichen Bänken. Nur, daß
hier und da einmal ein Mann dazwischen saß —
Arm in der Binde, oder mit losem Rockürmel,
oder mit Krücken an den Banklehnen — in einer
Uniform, jenes Lehmgrau mit dunkelroten, heraus-
gereinigten Flecken — in einer Uniform, die mit
„draußen" war.

Und, daß um 6 Uhr abends die Zcitungsboten
mit ihren Extrablättern kamen, dem Tagesbericht.

Nichts — fast nichts hatte sich sonst geändert.

Das große Cafs Bernhofer am St. Georgs-
platz war wie früher besucht.^ Mädchen, junge
Damen mit geheimnisvollen Handarbeiten, sehr
nützliche und notwendige ohne Zweifel, ältere
Herren, ein wenig mehr Uniform, aber immer
noch genug Zivil.

e>a
Register
Hans Gustav Wagner: Der Ehrenabend
Rudolf Schramm-Zittau: Pfauen im Garten
Harry Kahn: Schlaflied an die Geliebte
Paul Garin: Mein Stern
 
Annotationen