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meine durstenden Augen sie verraten? Ich fühlte,
wie ein blondes Märchen zu uns in die Erde
Hinabstieg, Rautendelein, und bangte bei jedem
Schritt, daß fein Fast straucheln und fein Kleid
die Wände streifen konnte.

Meine Iungens stierten auf das junge Mädel
mit weiten Augen. Es wollte plaudern ... Da
machten sie sich zu schaffen und blieben schweig-
sam. Und Rautendelein griff zur Laute Ihre
feinen Finger strichen leis über die Sauen. Da
schauten meine Iungens auf das Wunder, ihre
Augen glänzten, ihre Blicke umfingen die weiße
Gestalt und gruben sich in die Lockenfiul, sie
tranken die Schönheit ihrer Nähe und atmeten
den Duft der Rosen, die Rautendelein schmückten.
Und leise erklang Rautendeleins Stimme:

Et wallen twe Künnigeskinner,

De hadden enanner so lef:

De können tonanner nich Kummen,

Dal Waier was vil to bred,

Dat Waler was vil lo bred ....

Es war ganz feierlich und still geworden. Auch
der hie lte Leutnant schaute vertstguint auf meine
Iungens. Dem groben Schmied zuckte es arg im
Gesicht. Der Peter schlich in die finsterste Ecke.
Und das Kerzleiti zuckte und flackerte und zeigte
unendlich viel Schönes, was Himer einer harten
Hülle sich barg. Es rang sich zum Licht. Es
kam über die armen frierenden Kerle mit dem
bärtigen Antlitz ein wundersames Sehnen und
Träumen, so schön zu schauen, wie d.e im Ge-
strüpp der ,auhen Hecke sich dehnende erste Knospe
im Sonnenschein.

Drei Rosen hatte Rautendelein zurückgelassen.
Meine armen Iungens sahen sehnend und scheu zu
ihnen. Ein Stück verträumtes Glück leuchtete in
den bärtigen, durchfurchten Gesichtern. Wir spra-
chen nute. Wir lebten ein Märchen. Tief unter
der Erde. Und im dunklen Unterstand war eilt
wundersames Klmgen ....

*

21 phoris m c n

Bon Dr. Baer (Oberdorf)

Dem strengsten Herrn ist leiehter zu dienen
als einem, der weniger fordert als unsere
Pfllcht.

Die wahrhaft Unverbesserlichen trifft man
nicht unter den ewig Ruckt ästigen, — sondern
linier deir — Makellosen.

*

Wie eine Zitrone ausgepreßt und dann
weggeworsen werden, tut nicht so weh als
itt der Fülle seiner Säfte und Kräfte über-
gangen und janft auf die Seite geschobert
werden.

*

Herb st- Föhn tage

Wie unter einem Glassturz alter Uhren
Goidzierat heller in dag Auge fällt,

So klar wie unter Glas steht nur, die Welt,
So fchwiuuueud und doch rein find die Konturen
Altgolöuer Wipfel, dunkelblauer Höh'u,
Besonnter Halden über Laiibwaldbräuden:

In seinetu letzten, seligen Verschwenden
Ruht das Gelände wie entblößt im Föhn,
Wie aufgelöst in Helle Gruppen, ganz.

Als müsse es fein Innerstes mir zeigen;
Und wie nun weiche Wolken höher steigen,
Sanft überschattend seinen weiten Glanz,
Steht es auf einmal vor mir gramverhalten
In feinem eignen, wundersamen Lieht,

So nah, als schaute ich in ein Gesicht,

In eines großen Kummers letzte Falten.

Hermann Schieber


f

Freilicht- Studie

zum Wandbilde für die Deutsche Bücherei

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Register
Dr. Baer: Aphorismen
Otto Greiner: Freilicht-Studie zum Wandbilde für die Deutsche Bücherei
Hermann Schieder: Herbst-Föhntage
 
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