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Paul Rieth (München)

Wort, Sinn für Sinn, aus einer Lückenlosigkeit des erfüllten Gefühls, einer
Reftlosigkeit des Glückes heraus, die früher auch nicht für eine kurze Se-
kunde das irrende Ich begnadet hatten, — göttlich! „Ich kann nur ge-
nau dasselbe von mir sagen," begann er mit ergriffener Stimme, „was
Du von Dir sagst. Aber. . und sogleich da entzündete sich das Wort
zum Feuer des flammendsten Preises ans Schicksal.... „was mich am
tiefsten erfaßt, am entzücktesten macht, mich erst richtig erlöst, ist: daß ich
stündlich mehr weiß, daß Du die Einzige bist! Ich war nie Don Juan, doch,
ohne zu wollen, — weil Keine ganz Alles war, was meine Natur uner-
bittlich verlangte — ging ich von der einen zur anderen und hatte bei Keiner

— bei Keiner! — die köstliche Sicherheit: nun kann die Königin von Saba
kommen, das Wunder von Weib, die Idee des Weiblichen, eine Göttin — ich
kenne nur die! Jetzt aber" — wie strahlte das Auge, ertönte das Wort!

— „bei Dir, — und nicht erst seit der Hochzeit! — jetzt Hab' ich's! Nicht, daß
ich glaubte, Du seiest der Kanon der Schönheit, Wahrhaftigkeit, Güte,
Großmut und der fesselnden Anmut! Aber für mein Auge bist, — ach, end-
lich! — die Schönheit nur Du! Für mein Herz alles Wohltuende, Öff-
nende, Heilende, Treuliche, Du! Meinem Geist, seinem Weg, seinem Ziel der
Gefährte nur Du! Meiner Welt feste Achse —" eiferrot aussetzend, fort-
setzend : „So, siehst Du, war es vorher: immer, kaum daß die eine erschien,
war auch die andre schon da! Mit der furchtbaren Frage: bin ich nicht am
Ende doch schöner, vollkommener? Und damit: niemals Einheit, nie Ab-
solutheit, nie . . . Leben. . . nur: Liebe!"

„Wie versteh ich's!" Mit der vollen Glaubenskraft blühendster Liebe:
„Für einen Mann, ohne Zweifel, isl's ja viel schwerer, zur Ausschließlich-
keit Hinzuge. . . ."

„Nur unsere Erziehung!" Fanatisch, überzeugtest: „Nur Sitte ist
Schuld daran! Sch' ich's doch, erleb' ich's doch jetzt: Weib und Mann,
alle beide sind ganz gleich inonogam! Sind. . ."

„Ein schönes Haus!" Sie blieb auch fteljen; denn er war plötzlich
stehengeblieben. Hell stand sie da, überirdisch lächelnd über dem himmel-
blauen Kleid, das so frühlingfrisch flatterte; unter der sanft pastellroten
Krempe des großen, flachen Hutes, der das Haar kaum bezähmte. „Eigen-
artiges Haus!" Ja! dieses Haus war zum Anschauen! Den Lichtern all
offen, dem Meer aufgetan, auf sandigem Hügel stand es, halb golden,
halb blau, von wildesten Gürteln von Grünem umbuscht. Auf der niederen
Terrasse, die die Wellen beleckten, vor der sonnhellen Wand, saß eine
Gestalt ohne Regung. Ohne Buch, ohne Wort, ohne Geste. Allein! Weiß
vom Scheitel bis zu den Zehen,' mit dunklem Haar, mit noch dunklerem
Auge, und der schiinmerndstcn Haut. Jung? Mädchen? Frau? Innen im
Hause, hinter den tiefblau offenen Fenstern, spielte jemand Violine. Lang-
sam, schwer, stockend, fast linkisch. Aber sie schien's so zu brauchen. Vom
Grüti, das die schwalbenschmalen Füßchen umspielte, empor über den reg-
losen Leib in das Antlitz rann mit dem Klang eine ewige Woge der Leere,
der Halbheit, des Wartens, Ersehnens ....

„Beethoven?" fragte flüsternd die Glückliche.

Aber er schaute nur! Schaute gebannt, überwältigt, gezwungen, und
antwortete nicht. Was diese Lippen verschwiegen! Diese Wangen ver-
bargen! Wie das Auge die Brust schien entlodern zu wollen, endlich! und
die Brust nicht gehorchte, sondern still blieb wie ein Busen aus Marmor!
Ist das Meer drin? Die Verheißung des Himmels, die Schwernis der
Erde? . . . all das ewig Verhüllte, nie völlig Entdeckte und, wenn es
entdeckt schien, gleich wieder Versteckte, neu wieder Gesuchte . . . ?

„Aus der Eroica spielt er. Erkennst Du?"

Aber er war schon gegangen! Er ging schon! Sie sah nicht, bemerkte
nicht: bleich war er geworden, hatte Stimme und Haltung verloren, ja,
schwankte. „Erkennst Du?" wiederholte sie träumend. „Die Andere!"
gestand er sich schaudernd im Schweigen, in Todesangst, Schweiß auf der
Stirne, „wieder die Andere! die Andere!" Nein! schwor er sich fest zu,
mit beherrschtem Schritt und gezügelter Geste: Nein! umgeschaut wird
nicht! Das ist noch kein Drama, keine Schlappe! Nur Zufall! Der
Wille besiegt ihn! Aber, jählings, ein Ruck, eine Drehung, und — natür-
lich! nun lebte das Antlitz!

„Du!" - mit einem Entsetzen ohne gleichen vor diesem Lächeln der
Anderen, drehte er zurück, faßte, mitten im Weg drin, vor den Augen dieses
Lächelns, die kindliche Hund, die nichts ahnte, nichts wußte, preßte sie
heiß mit der Gewalt seiner Furcht: „Du!" Aber das genügte nicht!
Den Arm um sie schlingend, die, ihm folgend, nur glaubte, der Strom
seines Glücks habe die Ufer zerrissen, fing er sie dicht an sich, eng an
sich, ganz, ganz, ganz nah an sich, so, als wollt' er sich Leib und Seele
eingießen von ihr und sich auf ewig vermischen damit und vermählen,
und flehte und bettelte: „Halt mich, oh halt mich! Gib mich niemals mehr
frei! Sei die Einzige, Eine, ... sei Anfang, sei Ende . . . das Leben!"

Riß der Himmel sich auf über ihrer springenden Brust? Gab es Glück,
das so reich floß, verschwenderisch? Träufelt Wonne, die jede Scham tötet?
So hatte dies Herz ihn noch nie, dieser Mund ihn noch niemals geküßt wie
jetzt hier in der Freiheit der Sonne! Und jauchzend unschuldig, im süßen
Nichtwissen, verhieß er: „Herzliebster — Gern!!!"

8ein I^eujaF^ruk au8 6em Felde
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