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Frau Holle

G. Schroeter (München)

Lied der jungen Frau

Auf dieser Jmel nichts als ich und du —

Den Sturm, den wir im Blut getragen,

Spüll sauft die dunkle Flur der Nacht zur Nuh.

Im Schlaf löst du von meiner Brust die Hand —

Mir ist, du hast mich allen Quellen

Des Glücks vermählt im ganzen weiten Land,

Des Glücks und auch des Leids — sie sind nun mein.
Und meine wissend stille Seele
Laßt aller Tiefe Strömen in sich ein.

Du schloffest auf all meine Lehenskraft,

Und me>ne Liede will umfangen
Das ganze Leben warm und frauenhaft.

Ich möchte wandern wie der dunkle Wind,

Mir ist, ich möchte gehn und suchen
Da draußen jetzt ein arm und irrend Kind;

Möcht' es umlabn mit aller Liebesmacht,

Daß es in rarilich weiche Hände

Sich retten könnt' aus Angst und Not und Nacht;

Möcht' lichte Tore vor ihm öffnen weit,

Auf daß s.iu Seelchen, müd der Tränen,

Sich nicht verfängt in letzter Dunkelheit.

Und alles Danks, aller Gelübde voll,

Will icb's in meine Arme heben,

Daß es nicht länger sich verbluren soll —

Und meine Hebe stutet heiß ins Leben.

Ilse Hamel

Und unser junger Spielmann

Und unser junger Spielmann,

Der blies wie ein Gebet,

Der blies mit ganzer Seele
Reveille und Retraite.

Die allen Krieger lauschen
Und Augen werden feucht
Und manchem wunden Bruder
Wird's junge Sterben leicht.

Ein einzigmal nur blies er
Mit heißer Kraft zum Sturm,

Der fuhr durch Mark und Kehle
Dem letzten Grabenwurm.

Und unferm jungen Spielmann,

Dem hat er's Herz zerweht —

Nun muß ein andrer blasen
Reveille und Retraite.

Karl Dankwart Zwerger (Leutnant)

*

Jetzt Hab' ich's gut...

Bon Fritz v. Ostini

Die beiden Schwestern hatten jung und töricht
geheiratet — die aschblonde Gret, wie die schwarze
Martha. Und das Leid, das sie davon trugen,
war schwer und hart.

Daß sie so töricht geheiratet hatten, das kam
im Grunde davon her, daß ihre Mutier vor vielen
Jahren das Gleiche getan. Die war ein hübsches,
jungfrisches und reiches Mädel gewesen und hatte
die Wahl unter netten und wackeren jungen
Männern. Eie nahm aber einen dunkellockigen
italienischen Klavierspieler zum Mann, in dessen
schwarze Mähne und glatte Larve damals alle
Backfische der Stadt verschollen waren. Auch
dann noch, nach der Hochzeit, nachdem die beiden
Mädels auf die Welt gekommen waren, die asch-
blonde Gret und die schwarze Martha. Die Eltern
lebten in ständigem Streit, denn der Klavierkünstler
war ein eitler, kaum notdürftig gebildeter Narr
und etliche Schülerinnen, Backfische und unver-
standene Frauen liefen dem schönen Mann mit
dem welschen Namen auch bis in seine Ehe nach.
Aus der Eifersucht der jungen Frau wurde all-
gcmncl) Ekel und Grausen. Eines Tages fand
man sie toi in ihrem Bette. Ob sie aus Versehen
oder mit Absicht die allzugroße Menge Morphium
genommen, die ihr hinüberschlummern half, wurde
nie festgestellt. Sie hinterließ kein Schriftstück,
das sich darauf bezog. Wohl aber einen letzten
Willen, der ihr Vermögen, soweit das möglich
war, ihren beiden Töchtern sicherte.

Der schöne Bittorio fand Trösterinnen genug
und nach Jahr und Tag führte er eine üppige
Witwe heim, die noch viel mehr Geld hatte, als
seine erste Frau. Sie machte ein großes Haus,
wußte seinen Ruhm ziclbewußt durch eine rau-
schende Gastlichkeit, Diners, musikalische Tees

und Abendfeste zu heben und lebte ganz glücklich
mit ihm. Ein Dorn im Auge waren ihr nur die
Heranwachsenden Mädels aus erster Ehe, die Gret
und die Martha. Ohne daß sie gerade die böse
Stiefmutter aus dem Märchenbuche gewesen wäre,
sorgte sie doch dafür, daß die beiden sich fort-
sehnlen aus dem Elternhause und Vater und
Mutter machten aus ihrem Wunsche, die Mädels
recht bald versorgt zu sehen, durchaus kein Hehl.
So kam's, daß die blonde Gret und die dunkle
Martha mit siebzehn und achtzehn fahren hastig
und unberalen ihr Jawort gaben, jede gleich, als
der erste anklopfte. Für jede der erste, für keine
der beste! Den Eltern war's recht. Je eher, je
lieber! Die beiden heirateten an einem und dem-
selben Tage.

Die Gret nahm ihren Mann aus Liebe. Ganz,
wie einst die Mutter. Einen schönen und blen-
denden Mann, ganz wie auch die Mutier einst
einen genommen hatte, ohne lange zu fragen, was
der Mann als Mensch wert war. Gretes Gatte
war ein junger und flotter Offizier aus gutem
Hause — nicht einmal versä>uldet, aber fertig mit
seinem Vermögen und angewiesen auf eine gute
Partie. Er sah prächtig aus in seiner Reiter-
Uniform, war immer guter Dinge, als Tänzer und
als Tischnachbar gleich begehrt. Grete, in der ein
heißes Sehnen nach Liebe brannte, war ihm zärt-
lich zugetan und auch er hatte sie von Herzen
gerne. In seiner Art. So grob und gewissenlos,
wie der Italiener Gretes Mutter betrogen hatte,
betrog der Leutnant seine Frau in den ersten
Jahren nicht. Das kam erst nach und nach. Als
ihm eingefallen war, den bunten Rock auszuziehen,
und als er nun vierundzwanzig freie Stunden im
Tag hatte. Sein Regiment hatte einen wortkargen,
stahlharten Obersten bekommen, nachdem cs zuerst
einen lauten und vergnügten Führer gehabt, der
Fünfe grad sein ließ und mehr auf tüchtigen Sekt-
verbrauch im Kasino hielt, als auf strammen
Dienst. Dafür hielten ja die Herrn Wachtmeister
ihre Kerls in guter Zucht.

Der neue Herr faßte den Dienst ganz anders
auf. Unter ihm gingen die Herrn selten mehr
bei Morgengrauen aus dem Kasino nach Hause;
um so öfter traten sie bei Morgengrauen in der
Kaserne zum Dienst an und bis in die Nacht hin-
ein belästigte der Oberst die lustigen Reiter mit
Kriegsspiel und theoretischen Aufgaben. Grete's
Mann war der Erste, dem 's zu dumm wurde.
Er nahm seinen Abschied wegen eines Herzleidens,
von dem er früher nie etwas verspürt. Bon nun
ab beliand sein ganzes Tagewerk aus freier Zeit.

Damit begann Grel's Unglück. Ihr Mann
fand keine Beschäftigung als das Vergnügen. Er
jagte, ritt, hielt sich ein paar Hindernispferde und

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Index
Fritz Frh. v. Ostini: Jetzt hab ich's gut
Gustav Schroeter: Frau Holle
Ilse Hamel: Lied der jungen Frau
Karl Dankwart Zwerger: Unser junger Spielmann
 
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