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kam nicht immer nüchtern nach Hause aus dem
Klub. Dort hatte sich nach und nach ein Trüpp-
chen Mißvergnügter angesammelt, die alle der
stahlharte Oberst aus dem Regiment weggeekelt
hatte. In diesem Kreise wurde fleißig gespielt
und sie hatten auch ihren Zirkel mit leichtlebigen
Weibern.
Früher war Grete's Mann ein wohlerzo-
gener und ritterlicher Gatte gewesen, nach und
nach wurde er nachlüssiger gegen seine Frau,
manchmal ein wenig rüde. Grete hing nach
fast zehnjähriger Ehe noch mit schwärmerischer
Liebe an ihm und er ließ sich diese Liebe auch
gerne gefallen. Eine Art von Dankbarkeit da-
für, daß ihr Vermögen ihm ein so stattliches
Wohlleben erlaubte, ließ ihn vergessen, wie gleich-
gültig sie ihm im Grunde geworden war. So
ging's doch immer noch leidlich weiter.
Da kam das zweite Unglück für Grete.
Ihr Mann erbte plötzlich, lange, ehe er's er-
warten durfte. Erbte ein großes Haus in
der Stadt, ein Gut, eine Rente, die allein
weit über das hinausging, was das Ehepaar
bisher zu verzehren hatte. Run wurde das
flotte Leben auf höherer Stufe weilergeführt.
Die Dankbarkeit, die den fröhlichen Müßig-
gänger bisher noch an seine Frau gebunden
hatte, schwand unmerklicl> dahin und bald war
kaum mehr etwas, was die Beiden verband.
Greten war's nicht gegeben, mitzutun an seiner
Art zu genießen. Sie war so gar nicht flott,
wie er: sie zog sich gut, aber ein wenig spieß-
bürgerlich an und wußte weder aus ihrer Er-
scheinung noch aus ihremWesen etwas zu machen,
was feiner Gatteneitelkeit geschmeichelt Hütte. Ihre
graue stille Ehrbarkeit ärgerte ihn und er fand sie
aschenbrödelhaft. In seinen glänzenden Verhält-
nissen hätte er lieber eine glänzende Frau gehabt,
auch wenn sie weniger gut und anständig gewesen
wäre, als Gret. Dabei war diese doch klug und
hübsch — eine gute Schneiderin und ein raffinierter
Haarkünstler hätten aus ihr geradezu eine Schön-
heit machen können. Aber sie wollte gar nicht.
Sie strich ihr schweres, seidiges Haar in einem
schlichten Madonnenscheitel zurück und schlang es
hinten in einen schlichten Knoten. Ihre Hüte und
Kleider standen der vorletzten Mode immer näher,
als der letzten. Und ihr Wesen blieb gedrückt und
leidend. Den Mann wiederzuerobern, der sich ihr
entfremdet hatte, mühte sie sich kaum, so sehr sie
litt — Kraft zum Kampf war ihr nicht gegeben.
So entglitt er ihr ganz. Und mit ihm die
Kinder. Der immer fröhliche, stattliche Vater mit
dem frischgeröteten Gesicht, der so reckenhaft auf
seinen Pferden saß, seinen prächtigen Kraftwagen
selbst lenkte und in ungemessener Freigebigkeit seine
Kinder mit Geschenken überschüttete, hatte deren
Herz bald allein für sich gewonnen. Gegen das,
was er zu geben hatte, wog die Liebe der be-
scheidenen, hausbackenen Mutter federleicht. Nicht
einmal, als die Art des Vaters brutaler wurde,
als er recht nierkwürdige Frauen bis ins eigene
Haus brachte und der Mutter Augen oft rot von
Tränen waren, hielten die Kinder zu ihr. Und
als die Frau einmal nach einer garstigen Szene,
die sich in der Kinder Gegenwart abgespielt, den
Blick hilfesuchend und traurig nach diesen wandte,
da blitzte sie kalt und grausam der Spott aus
drei Paar Kinderaugen an. Die Kinder hielten
zum Vater, auch wenn er ihr weh tat.
Diese harte Gewißheit gab ihrem Stolz und
ihrer Kraft den letzten Stoß. Sie lebte jetzt fast
iensam, wie eine Fremde in der Familie hin, ein
geduldetes, duldendes Wesen. Sic machte keine
Szenen mehr, wenn die Weibergeschichtcn des
Gatten ihre Schatten ins Haus warfen — sie
riegelte sich höchstens in ihr Zimmer ein und
weinte sich aus. Bald weinte sic auch nicht mehr.
Dazu fing sie an zu kränkeln, ihr Gesicht wurde
schmal und bleich und zwei scharfe Fältchen zogen
sich neben ihren Mundwinkel herab.
Die schwarze Martha hatte nicht aus Neigung
geheiratet, wie die Gret. Sie hatte freilich auch
den ersten Mann genommen, den man ihr vor-
schlug, nur um sich aus dem verhaßt gewordenen
- 0^
Die Leucht-Raketc
R. Fiedler (Bootsmannsmaat)
Baterhause zu befreien, aber nicht, weil er ihr
sonderlich gefiel. Es war ein etwas steifer, stets
feiner Würde bewußter Beamter, untadelhaft in
Lebensführung und Manieren, nicht schön, nicht
häßlich, nicht klug, nicht dumm, nicl>t gut und
nicht böse. Seine wenigen Freunde nannten ihn
überaus tüchtig, feine zahlreicheren Gegner hießen
ihn einen Streber. Daß er eine glänzende Lauf-
bahn vor sich habe, darüber waren sich beide
Parteien klar. Martha war jung, blutwann und
lebhaft — er war immer unjung und trocken ge-
wesen und brachte keine Wärme auf für etwas,
was nicht sein Vorwärtskommen betraf. Kinder
hatten sie nicht. Er hielt gut Haus, vergrößerte
das Vermögen und langweilte feine Frau mit
Abrechnungen und Wirtschaftsplänen.
Er langweilte sie überhaupt. Sie hätte, heiter
und empfänglich, wie sie war, das Leben gern
nach ihren Mitteln genossen — für ihn war auch
der beschränkte Lebensgenuß, für den er zu haben
war, nur ein Stück Beruf. Man ließ sich in der
Wir und sie
Meistens sind wir alle verschlossen,
Denn die Gedanken sind anders und schwer
Und die Glücke, die wir genossen —
Leichten Kaufes — sind alle verflossen
Und die Liebe ist ung wie das Meer.
Manchmal jedoch, nach Tagen und Wochen,
Wenn die Ruhe uns satt gemacht,
Sind uns Gluten ins Blut gekrochen;
Was wir dachten und was wir gesprochen.
Hat die Liebe zu Zoten zerlacht.
Doch daheim, bei den Mädchen und Frauen,
Fern von Not und Tod und Pein,
Lernten wir alles nur edel schauen.
Selbst der Dirne gezeichnete Brauen
Schienen ein heiliges Zeichen zu sein.
Norbert Lynkke
Welt sehen, führte ein respektables Haus und
lud Menschen ein, die einmal nützlich werden
konnten. Lachende Jugend, übermütige Freude,
Schönheit und Kunst verloren sich nicht in dieses
Haus. Im Laufe der Jahre langweilten sie sich
auseinander, der Regierungsrat und seine Frau.
Und der Spalt zwischen ihnen wurde täglich
breiter.
Die heißblütige, lebensdurstige Martha sehnte
sich nach Liebe und fand endlich Einen, dem
sich ihre, noch blühende Jugend init Leidenschaft
an den Hals warf. Ihr Gatte sah nichts davon,
so wenig vorsichtig sie war. Sie wurde mit
Absicht unvorsichtig und er wollte immer noch
nichts sehen. Als sie offen auf Scheidung
drängte, weigerte er sich. Das hätte ihm dis
Laufbahn stören können — man dachte „oben"
in Ehrenangelegenhetien sehr strenge. Und
dann war doch auf ihrem Besitz der Wohlstand
des Hauses aufgebaut! Aus dem dumpfigen,
gleichgültigen Frieden dieser Ehe wurde all-
mählich ein zäher Kampf, aus Abneigung der
helle Haß. Martha machte daraus kein Ge-
heimnis. Aber ihr Mann blieb unangreifbar,
sah und hörte noch immer nicht, was er nicht
hören und sehen wollte und wenn wirklich ein-
mal ein lauter Streit ausbrach, siegte seine kalte
und nüchterne Überlegenheit über die maßlos
tcibcnfdjaftlirijc Art seiner Frau.
So war die Martha nicht minder unglücklich
geworden, wie die Gret. Die beiden Schwestern,
die zärtlich aneinander hingen, trugen sich gegen-
seitig ihr Leid zu, redeten mit einander von nichts
mehr, als von diesem Leide. Sie saßen in ban-
gen, langen Dämmerstunden zusammen im Zimmer
Greis, die nun schon den größten Teil des Tages
über im Bette liegen mußte, immer schmäler wurde
und unter trockenem, quälendem Husten litt Uber
ihr Kranksein klagte sie nie und hatte auf stürmische
Ausbrüche von Martha's Mitleid nur ein stilles,
fremdes Lächeln.
Manches Mal saßen sie ganz stumm, Hand
in Hand und sahen zu dem Bilde ihrer Mutter
hinauf, das Greis Bett gegenüber an der Wand
hing. Da trafen sich ihre Gedanken. Bon der
Mutter zu reden, vermieden sie gerne, aus einer
fast abergläubischen Scheu heraus. Ein Schicksal
nicht zu berufen, dem ihrer Beiden Schicksal so
seltsam glich und in dem sie eine Art von Erb?
sahen! Die blonde Gret hatte dies Erbe freilich
längst mit Ergebung angetreten. Aber Martha
kämpfte utid hungerte nach dem Leben. Sie wollte
sich nicht unter die Füße tretet! lassen und die
Gret hatte eine bittere, wehmütige Freude an die-
sem Kampf und zerbrach sich in den schlaflosen
Nächten, die ihren Fieberabenden folgten, den
Kopf, wie der Schwester zu helfen wäre.
Einmal sprach sie doch wieder von der Mutter:
„Weißt Du, daß es eigentlich nur das Geld
ist, das uns Frauen in der Familie so elend ge-
macht. Andere gehen an der Armut zu Grunde,
wir am Reichtum. Wäre die Mutter arm ge-
wesen, der Vater hätte sich gewiß nicht um sie ge-
kümmert. Hätte des Vaters zweite Frau nicht
so viel Geld gehabt, man hätte uns nicht zu so
gedankenlosem Heiraten gedrängt. Wären wir
Beide arnr gewesen, wir Hütten gewiß nicht die
Männer bekommen, mit denen wir unglücklich
sind und hätte mein Mann nicht die große Erb-
schaft gemacht, lebten wir vielleicht doch noch in
verträglichem Verhältnis — ich halte ihn lieb
genug, trotz allen!, was er mir antat!"
„Und Du hast ihn noch lieb. Du Arme?"
„Ja — nein — ich weiß nicht! Nun ist ja
auch alles gleich! Die Kinder sind nun einmal
da und ich kann nicht davon! Auch wenn sie sich
nichts aus mir machen. Es ist ja auch nicht
mehr der Mühe wert, sich zu wehren, wegen des
dünnen Endchen Lebens da —"
Sie schluchzte und aus dem Schluchzen wurde
ein Husten, der nicht enden wollte. . .
„Gret, liebe Gret! Wie kannst Du nur so
was sagen!"
Die Gret nahm das Taschentuch vom Munde,
wies das Tüchlein mit einem großen blutigen
Flecken der Schwester und sagte matt und keuchend'
„Da — sieh'"