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Feuerüberfall

Tannhäuser abends . . In der Früh drei Tote.
Gleichgültig surrt ein graues Falterspiel.

Flach hämmert üstors auf einer Paukennote
Und durch die Wolken singt ein Projektil.

Mechanisch zählen wir die kurzen Pausen,

Bis Luft sich wieder wie Gebläse bauscht.

Bis wieder dieses feuchte, schwere Sausen
Iir die Ergebenheit der Wälder rauscht.

Nur eine schwache Schwankung der Libelle,
Nur ein Kommando kühl und meilenfern —
Ein Flammengeiser steigt von unsrer Schwelle,
In Rauch und Trümmer sticht ein irrer Stern.

Erleb ich's, werde ich, — bevor die Sonne
Sich wieder zeigt, — am Straßenrande stehn
Und schattenstumm die Munitionskolonne
Mit schwarzen Bündeln heimwärts fahren sehn.

Kurt Erich Meurer (z.3t. im Westen)

*

Eine bayerische Division in Rumänien

Von Franz Carl Endres

An allen Fronten kämpfen bayerische Truppen
um das Schicksal des Vaterlandes. In Flandern,
an der Somme und bei Verdun haben sic ge-
blutet, in Rußland und Serbien, in Rumänien
und an der italienischen Grenze haben sie den
Wahlspruch ihrer Helmzier „In Treue fest" wahr
gemacht. Geachtet bei allen Freunden und zu
besonders schweren Aufgaben mit Vorliebe ge-
rufen, gefürchtet beim Feinde, haben sie gezeigt,
daß alte bayerische Kraft noch ungebrochen in der
modernen, als kraftlos so oft verschrieenen Zeit
wirkt und schafft.

Treu und kraftvoll, heißblütig im Kampf und
ruhig und geduldig, gutmütig und frohsinnig,
wenn Kampfespause ist, und dabei still, nicht auf
Reklame bedacht, das ist der Bayern Art. Der
Mund, das ist ihre schlechteste Waffe. Hat's auch
nicht nötig, wo die Faust hinschlägt, ist alles still,
und dann kommt der Bauer heim, und Du mußt
ihn sehr gut kennen, wenn er Dir etwas erzählen
soll. Und wenn er es tut, erzählt er nicht von sich.

Gut ist die alte bayerische Art. Wär' schade,
wenn sie ausslerben würde, wenn der Mund die
Faust ersetzen würde. Wäre sehr schade!

Eine bayerische Division hat in Rumänien,
mitgefochten. Bon Alpcnkorps weiß Jeder-
mann, aber von der bayerischen Divi-
sion weiß niemand. Irgendeine Nummer
hatte sie — aber aus alten Landwehrleuten
und Landsturmleuten bestand sie. Zuerst waren
die alten Leute irgendwo zum Küstenschutz be-
stimmt — das ist eine rechte Landsturmaufgabe.
Aber dann kam der Krieg mit Rumänien, und
da brauchte man die Bayern, die alten Burschen
mit verarbeiteten Rücken und verschwielten Fäusten
zum Dreinhauen und zum „Beißen". Und Beißer
waren es!

Bon Kronstadt zogen sie, im ganzen drei Di-
visionen und eine österreichisch-ungarische Brigade
unter dem Oberbefehl des Generals Morgen nach
Süden, die Bayern unter General Hüller im Törz-
burger Paß gegen Campolung. Sechs Wochen
keine Unterkunft, heftigste Kämpf« gegen die Ru-
mänen, die sich ihre Flanke nicht eindrücken lasten
wollten.

P. Segieth (Im Felde)

Und November war cs in unwirtlichem, hohen
Gebirge. Da gab es erfrorene Füße und Hände
und schwere Verluste. Das warme Essen wurde
auf Tragtieren nachgeschafft. Feuer durften sie
nicht brennen, denn sie waren immer dicht am
Feind. Regimentsstäbe verkrochen sich des Nachts
in laubgefüllte Erdlöcher. Drei Gegenangriffe der
überlegene!: Rumänen mußten ertragen werden.

Das war viel für eine junge Truppe, unsagbar
viel für die Alten. Da ist manch kernbayerischcs
Kreuzteufelsakradi zum Novemberhimmel hinauf-
gestiegen, aber locker gelassen haben sie nicht. Am
29. November schmeißen sie die Rumänen bei
Campolung über den Haufen, am 3. Dezember
schon sind sie in der alten rumänischen Residenz
Targovistc. Am 5. Dezember st"rmen die Bayern,
die ihre Maschinengewehre selbst auf dem Rücken
über die vereisten Wege tragen, Darmanesti, weiter
geht es ohne Atempause. Am Abend haben die
Bayern das rechte Prahova-Ufer gestürmt. Am
nächsten Tag geht es auf Ploesti weiter. Erneuter
Widerstand, erneuter wütender Kampf der Bayern.
Aber es war ja befohlen, Ploesti zu erreichen,
also geschieht es.

Das war an dem Tag, an dem weiter südlich
Bukarest in deutsche Hände fiel.

Nun nahm Rußland die Verteidigung Ru-
mäniens in die Hand. Das war den Bayern
„wurscht". Vorwärts ging's. Ob man den Russen
verhaute oder den Rumänen — gilt alles gleich.

Weiter ging es auf Buzau. Tauwetter war
eingetreten und machte den Krieg nicht leichter.
In aufgeweichtem, grundlosen Boden keuchte die
Infanterie vor, die Batterieen blieben stecken. Da
war fast kein Tag ohne Kampf, kein Tag ohne
Verluste. Am Buzaulfluß ein paar Tage Rast,
schon war Mitte Dezember vorüber. Zum ersten
Male seit Anfang Oktober hat da mancher die
große Bagage, den „fahrbaren Lebensgenuß"
wieder gesehen. Man hatte nun Anschluß an das
Alpenkorps, das im weiteren links hinausgezogen
wurde, und rechts mit einem Korps der 9. Armee.
Am 22. Dezember ging es zum Angriff gegen die
starke russische Stellung bei Rimnicul Sarat.

Das habt Ihr damals in der Zeitung gelesen,
dieses Paradoxon des Krieges: Die Weih-
nachtsschlacht. Das waren böse Tage für die
Bayern. Am Weihnachtsabend klingen daheim
in den bayerischen Dörfern die Christmettglocken,
und die Bauern wandern einträchtiglich übers
Land der Pfarrkirche zu oder kommen auf altem,
schweren Voroäterkahn über den See gefahren.

Da hat Mancher dran denken müsten. Wei-
nen tun die Weiber, aber „gedruckt" hal's ihn
doch, daß er in dem gottverlastenen Land am
heiligen Abend gegen den Rüsten hat angehcn

müssen. Mancher hat die Christmettglocken nicht
aus dem Sinn gebracht. Immer haben sie ge-
läutet im stärksten Feuer von Artillerie und In-
fanterie und Maschinengewehren.

Das war eine blutige Weihnacht 1916, bluti-
ger noch als die von Sendling vor 200 Jahren,
wo die braven oberbayerischen Bauern für ihren
Kurfürsten gestorben sind.

- Von der Division Hüller sind viele Bataillone,
die haben '/» ihres Bestandes verloren.

Das Morden der Weihnachtsnacht geht fort
über die Feiertage. Erst am 26. reift die Ent-
scheidung. Natürlich ist es ein Sieg. Das ist
das einzige Weihnachtsgeschenk für die Bayern.

Und dann geht es weiter an den Sereth unter
leichteren Gefechten, dann werden die Forts von
Focfani gestürmt. Seit Oktober hatte der Russe
die dortigen Stellungen verstärkt.

Und nun erst war der Auftrag erfüllt. Nun
kamen ruhigere Zeiten.

General Hüller konnte mit seiner Divi-
sion zufrieden sein. Er war ein strenger Herr
im Frieden und gefürchtet. Ihm ging blinder
Gehorsam und Strammheit über Alles, wohl
auch über die Liebe. Aber die hat er im Krieg
kennen gelernt, die Liebe seiner Leute, die allein
Schlachten gewinnt und jede Mühe überwindet.

So sind die Bayern: sie müssen einen gern
haben, dann tun sie alles, dann stürmen sie wie
die Jungen, wenn sie auch schon von der Lebens-
arbeit krumm gezogen sind. Mit den Herzen
wird der Feind geschlagen!

*

Mädchen

Sie gehn einher, der süßen Fülle froh.

Und haben selige Nachte zu verschenken
Und tragen ihre Maienkrone froh
Und leise Glöcklein in den Halsgehenken.

Und wissen kaum, wie sie gerüstet sind.

Mit Wunden schwer ein heißes Herz zu schlagen,
Da sie die Träume in den Frühlingswind
Und in die blürenblauen Fernen tragen.

Dort weilt ich einst und Lieder waren mein
Und Heimat hell, vom Reigen froh umklnngen —
Der Abend schweigt. Ich bin mit mir allein.
Ihr lieben Lieder... Ich Hab euch gesungen?

Victor Hardung

*

Die Burgstallerleut'

Novelle von Rudolf Kleineck«

Der alte Burgstaller ist mit seinen Buben gar
nicht zufrieden. Drei volle Jahre stehen die beiden
nun schon im Feld, ohne daß sich einer besonders
hervorgetan hätte I Korporal und Zugsführer sind
sie geworden — das ist alles. Wenig genug,
nach des Vaters Meinung! Daß zu den Sternen
nicht auch schon eine Medaille gekommen war,
das wurmte den Bauern gewaltig. Und daß die
Buben nichts andres zu schreiben wußten als
immer nur: „Ich bin gesund. Mir geht es $ut."
Da hätten sie ja gleich zu Hause im Ofenwmkel
hocken bleiben können!

Die Mutter freilich, die hat allemal einen
hohen Feiertag, wenn so ein rotes Blättchen den
Weg aus der weiten Welt ins Burgstallerhäusl
findet. Wie ein junges Dirndl sckießt sie dann
immer herum, und während ihr die yellen Tränen
aus den Augen rinnen, murmelt sie in cinemfort
vor sich hin: „Gott sei Lob und Dank, daß die
Buben nur g'sund sein! Und daß es ihnen gut

2.2
Register
Kurt Erich Meurer: Feuerüberfall
Paul Segieth: Vignette
Rudolf Kleinecke: Die Burgstallerleut'
Franz Carl Endres: Eine bayerische Division in Rumänien
Victor Hardung: Mädchen
 
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