kommt, gibt es allemal auch im Burgstallerhäusl ein heftiges
Scharmützel. Die Bäuerin wirft dem Bauern vor, daß er den
Ferdl in den Tod hetzt mit feinen gotllofen Reden, und der
Bauer hinwieder sagt es feinem Weibe ins Gesicht hinein, daß
sie aus dem Loisl eine „Letfeigen", einen „Trauminit" ge-
macht hat . . .
Der Ferdl ist längst wieder im Felde. Wie vor und eh
kommt ab rmd zu eine feiner roten Karten ins Burgstallerhäusl,
mit der gewohnten Meldung: „Ich bin gesund. Mir geht cs gut."
Eben heute hat er wieder eine schrecken wollen. Ist aber
nicht mehr dazugekommen. Denn da war so allerhand: Alarm,
ein Springen und Hasten über Felder, auf denen es Granaten
regnete, ein Sturmangriff auf ein von den Russen besetztes Dorf
— der Ferdl weiß selbst nid)t mehr, ob das wirklich alles heute
gewesen, ob es längst schon geschehen ist oder ob er es etwa gar
nur geträumt hat. Ihm ist so duselig im Kopf, und eine solche
Mait>gkeit ist in ihm, daß er die Augen nicht aufbringt vor
Schwäche. Ganz ein wohliges Gefühl wäre das — nur in der
Brust ist solch ein merkwürdiges Stechen und Brennen ...
„Drei Bajonettstiche," hört er eine leise Stimme sagen. Wie
aus weiter, weiter Ferne kommt sie her, aber der Ferdl weiß
nun doch mit einem Male ganz klar, wie alles gekommen und
geschehen ist. Die drei Russen sieht er wieder vor sich, die sich
ihm am Eingang des Dorfes in den Weg gestellt, — für einen
von ihnen hat er noch eine Kugel im Lauf gehabt, den zweiten
hat er mit dem Kolben niedergeschlagen, mit dem dritten ist er
ins Raufen gekommen. Und nun liegt er selber da im Feld-
spital. Drei Bajonettstiche . . .
„Dokter! Herr Dokter!" Er glaubt es zu rufen, und es
wird doch nur ein schwaches Röcheln daraus. „Wann ich sterben
sollt', laßt's mein' Vater wissen, daß ich nit von der Weiten bin
niederknallt worden. Drei Russen —"
„Ist schon gut, dummer Bub!" ruft der Doktor, springt auf
ihn zu und drückt ihn sanft auf sein Lager zurück. ,,Iä) werd's
Deinen Vater schon wissen lassen. Einstweilen stirbst Du ja noch
nicht — nur ruhig mußt Du Dich verhalten!"
Da ist der Ferdl, der Wildling, so folgsam geworden wie
ein kleines Kind, und hat sich nicht gemuckst. Aber gestorben
ist er doch.-
Es mag vielleicht zur selben Stunde gewesen sein, da kroch
des Ferdl's Bruder, der Loisl, mutterseelenallein auf allen Bieren
durch die Stille der Nacht. Ein schweres Kästchen mit Spreng-
patronen und Leitungsdraht hat er auf den Rücken geschnallt,
alle übrige Ausrüstung hat er im Unterstand zurückgelassen.
Es gilt ja nur auszukundschnften, ob sich in der verlassenen
Hütte dort oben auf einem der fernen Hügel nicht etwa feind-
liche Beobachter eingenistet haben. Und wenn es geht, ist die
Hütte in die Luft zu sprengen. „Es ist ein Gang auf Leben
und Tod," hatte der Hauptmann zu bedenken gegeben, als er
die Frage tat, ob firl) wer freiwillig für die Aufgabe melden
wolle. Und als er sich aus dem Dutzend Bewerber den Loisl
herausgesucht, hatte er dazugesetzt: „Einer allein vollbringt das
eher als eine ganze Schar. Nur muß es eben ein ruhiger, über-
legter Akensch sein."
Vielleicht hätte der alte Burgstaller zu diesen Worten nur
ein höhnisches, überlegenes Lächeln gefunden. „ ,Ein ruhiger,
überlegter Mensch' — weiß Gott, das ist der Loisl sein Lebtag
gewesen! Gar Kein richtiger Burgstaller..."
Aber wenn er seinen Buben gesehen hätte, wie der sich an-
schlich an die feindliche Stellung, ohne Herzklopfen, ohne einen
schnelleren Atemzug, nicht anders als ob es bloß gelte, einen
harmlosen Rehbock anzupürschen, — der alte Burgstaller hätte
doch den Hut ziehen müssen vor seinem Buben, dem Trauminit...
Jetzt hockt der Loisl vor der verdächtigen Hütte. Stock-
finster ist cs ringsum, kein Laut ist zu vernehmen. Die vordere
- einzige — Tür ist verschlossen. Aber Ijintcn, an der Hütte,
da gähnt ein Loch. Mag vielleicht einmal ein Stallanbau ge-
wesen sein. Da hinein kriecht nun der Loisl, lautlos wie eine
Schlange. Und von da in das eigentliche Gelaß.
Minutenlang liegt er still und lauscht. Nichts als das
Schweigen der Nacht... Vorsichtig nestelt er das Kistchen vom
Rücken und stellt es an die Mauer auf den Boden. Bringt
den Lcitungsdraht in Ordnung und kriecht dann wieder zurück
wie er gekommen, froh, daß er seinen Auftrag glücklich hat
zu Ende führen können.
Aber wie er aiiftanrijt aus dem gähnenden Loch des An-
baues, stehen plötzlich fünf, sechs Gestalten vor ihm. Der weiße
Strahl einer elektrischen Taschenlampe blitzt auf. und eine barsche
Stimme herrje t ihn in gebrochenem Deutsch an: „Hall! Was
suchst Du da?"
„Also doch ein Bcobachiungspasten!" fährt cs dem Loisl
durch den Sinn. Und im selben Augenblick läßt er sich auch
schon wieder zurückgleiten in das Loch, aus dem er eben empor-
gckrochcn. Ein Schuß kracht ihm nach, hastige Schritte rennen