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lhifiT c^nnu’ii Weidervieseii rieseln tausend stille Wasser,

Oiiräi die Hecken, über die Gräben streicht der Wind der nahen See.
Starr und dunkel stehn die Mühlen, tausend hohe, dunkle Mühlen
Stehen still, und ihrer Flügel Doppelkreuz harrt ans den Wind,

Der sie einmal kvinnit zu lösen, daß sie lustig wieder spielen,

Ihre Arme klappernd drehen und mit eins lebendig lind —
Flanderns Mühlen klagen Flanderns Weh!

andern

Unter blonden schlichten Kronen blitzen tausend blaue Angen;

Non Beghincnhanben tief innschattet oder hell ini lichten Ranni
Senken tausend heimatstolze Augen, wie aus fernen Tagen
Altvertraute, stammverwandte Losungsworte mir ins Herz.

Durch des Schlachtendonnerns Drohnen höre ich, was sie mir sagen.
Fühle ich der Augen Sehnen, sehe ich der Augen Schmerz —
Flanderns Angen leuchten Flanderns Traum!

In den zierlieh-sanbern Städten ragen tausend feine Giebel,
Gothischstarre, trutzigstarke Türme ragen über Haß und Neid,
lind von Meisterhand gefügte feierliche Kirchenschiffe
Bergen Eycks und Memlings Tafeln, Mittelalter, Weihrauchdnft.
Durch Kanäle geistern Hansakokken. Seltsam die Begriffe
Schwanken, klingt des alten Belffieös „beiaardsfpeel" hoch in der Luft:
Flanderns Glocken klagen Flanderns Leid!

llber Wiesen, Hecken, Mühlen, Giebel, Türme zieht ein Klingen
Wie von knisternd-hnschendem Tanwiüd, der durch sterbenden Winter zieht,
lind in uiiserm Herzen findet Echo, dag sich lang verloren,

Ihre kehllautschwere Sprache, reizt zum Lächeln auch ein Wort —

Wie zwei Alte stmmn sich sinden, die der gleiche Schoß geboren —

Wie die Seele oft geheim erkennt dem Auge ffemden Drt:

FanöernS Stinnnen singen Flanderns Lied! — Ed § ae Srern

Das möblierte Zimmer

Bon Heinz Scharpf

Mein Freund Gustl bot mich, ein möbliertes
Zimmer für ihn in Wien zu besichtigen. Er hatte
unter den achttausend annoncierten ein für seine
Zwecke besonders günstig gelegenes herausgefun-
dcn, nnd das sollte ich nun für ihn mieten.

Ich begab mich also in das bezeichncte Haus,
läutete ein paarnral an und erfuhr zu meiner
großen Freude, daß die gnädige Frau gerade
nicht anwesend sei. Das Dienstmädchen erbot
sich, mir jede gewünschte Auskunft zu geben. Ich
ließ mir also das Zimmer zeigen. Es hatte tat-
sächlich einen eigenen Eingang, aber leider vom
Schlafzimmer aus, in das n>an nur durch die
Küche gelangen konnte. Es war für jemanden,
der gerade aus dem Schützengraben kam, recht
wohnlich zu nennen. Obwohl ich entschlossen
war, es nicht zu mieten, stellte ich doch noch
einige Fragen.

„Mein Fräulein", sagte ich, „mir gefällt das
Ziinmer sehr gut. Aber sagen Sie mir noch, sind
Kinder im Hause?"

„Ja," bekannte das Mädchen ehrlich, „aber
nur eines und das ist erst vier Wochen alt."

3d) wollte zusammenfahren, aber da knurrte
etwas unter dem Tische auf mich los.

„So? Einen Hund haben Sie auch?" fragte
ich überrascht.

„Zwei! Aber haben Sie keine Angst, die
Biester beißen n!rl>t, sic bellen nur immer wie
verrückt."

„Und sind noch andere Mieter in der Woh-
nung?"

„Ja, aber die stören Sie den ganzen Tag
nicht. Die kommen spät nachts nach Hause und
gehen zeitig am Morgen weg. Wenn die Stiege
nicht so knarren würde, würden Sie sie überhaupt
nicht hören."

„Und wie steht es mit der Heizung?"

„Das kommt ganz darauf an, ob Sie Kohlen
geliefert bekommen."

„Und die Beleuchtung?"

„Petroleum."

„Woher nimmt man das?"

„Die Greißlerin tauscht es gegen Butter ein."

Ich seufzte. Dann fragte ich weiter: ,,Ist das
Zimmer wenigstens rein?"

„O," meinte der dienstbare Geist, „gewiß, ge-
wiß, es wurden erst vor vierzehn Tagen alle
Wanzenlöcher neu verstopft."

Mich fröstelte. Dann klammerte ici) mich an
die letzte Möglichkeit: „In Gottes Namen, hoffent-
lid) ist wenigstens der Mietpreis nicht zu hoch?"

Das brave Mädchen zuckte die Achseln: „Wie
halt die Preise fiub hier im Bezirk. Der allge-
meinen Teuerung angemessen. Nur steigert die
Gnädige gern."

„Die Gnädige? Was ist das für eine an-
genehme Dame?"

„Ich weiß nicht, ich bin erst seit gestern im
Hause und habe heute morgen wieder gekündigt."

*

Stehlen ist schwer

Ein amerikanisches Ingcnieurblatt beklagt firi)
bitter, daß die deutschen Patente (welche jetzt in
Amerika vogelfrei sind), so schwer auszustehlen
seien. Mit manchen seien ganze Bünde von Vor-
schriften und Anleitungen eingetragen, habe man
diese aber mit Mühe durchstudiert und versuche
nun, darnach zu arbeiten, so stelle sich heraus, daß
die gemeinen Deutschen gerade das, worauf es
ankomme, weggelassen hätten.

Eine solche Bande! Ist das nicht allein schon
Grund genug, ihnen den Krieg bis anfs Messer
zu verkünden? Bilden fiel) diese Hunnen ein,
Patente seien da, um ihre Arbeit zu schützen?
Glauben, sie, amerikanische Diebe haben ihre Zeit
gestohlen? Wissen sie nicht, daß time money ist?
Kerls, die sich der Ehre, ausgeraubt zu werden,
so wenig bewußt sind, gehören an den Galgen.
Natürlich nicht, ohne vorher ihre Patentgeheim-

rrii eo Waiden sch 1 a ge r

ä la Italien

„Sic habe» mir dock das letzte Mal vcr
sprechen, Ihre Dübsp anc aufzugcben?"

„Vlcc, Herr Amtsyricht ick kabc mir dct
lcberlegt. ick ka tc an meine cheilijen
Aspirationen' fest!

nisse ausgiebig erklärt und das gesamte Verfahren
den Herrn Pankees genau vorgeführt zu haben.
Dann erst hängen, dafür jedoch gründlich.

In die Friedensbedingungen sind folgende
Paragraphen aufzunehmen:

1. Eigentum (deutsches) ist Diebstahl (ameri-
kanischer).

2. Sicherheitsschlösser sind deutschen Eigen-
tümern verboten.

3. Wo sic vorhanden, müssen die Schlüssel
den Herren Dieben ausgeliefert werden.

4. Wenn die Herren Diebe damit nicht auf

sperren können, habe» die Deutschen ihnen aufzu-
sperren. i». *.

*

Siehste, nu wirste rot!

(Ein kleines Couplet)

„Deutschland," so Kräht Marianne,

„Hat diesen Weltkrieg entfacht!

Daß es den Erdball umspänne,

Heisllit es voll Niedertracht!"

— Wer denii hat rachebeflissen
Stets mit,Revanche' gedroht?

Frankreich, was sagt Dein Gewissen?

— Siehste, nu wirste rot!

„Nur für das Wohl kleiner Staaten
Kämpf' id)!" erklärt uns John Bull.

Alter Filou, laß Dir raten:

Nimm nirf)t Dein Schandmaul zu vnll!
Wer läßt in Irland vermissen
Jegliches Menschheitsgebot?

Iohnchen, was sagt Dein Gewissen?

— Siehste, nu wirste rot!*)

Wilson, der Champion der Ethik,

Kämpft „für die Demokratie".

Junge,. Du grade hast's nctik!!

Spar' Dir das Kikeriki!

Wer herrscht bei Euch beim gerissen
Wie ein Tyrann nnd Despot?

Woodrow, was sagt Dein Gewissen?

— Siehste, nu wirste rot!

Hamstern ist strengstens verboten.

Leser, Du weißt es genau!

Und Du empörst Dich nach Noten,

Hörst D» vom Hamsterbau.

Hamsterst Du selbst nie 'nen Bissen
Wurst oder Käse und Brot?

Leser, was sagt Dein Gewissen?

— Siehste, nu wirste rot!

Kiirlrlirn

*) Anmerkung des Sctzerlet.rUng?: Daß John Bult
noch rot werden kann, scheint mir eine Nenter-Metdung.

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Register
Heinz Scharpf: Das möblierte Zimmer
A. D. N.: Stehlen ist schwer
Edgar Stern: Flandern
Theo Waidenschlager: À laItalien
Karlchen: Siehste, nu wirste rot
 
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