Ludwig Kirschner (München)
Palestrina II. Akt, Spanischer Klerus
Einige Verse aus meinem Gebiet
Von Hans Pfitzner
Das gute Alte
Gewohntes nur für gut zu halten,
Heißt: Sehnsucht nach dem „guten Eliten".
Nur, wer das Alte liebt in Treuen,
3jt wert des wahrhaft guten Neuen.
*
Talent und Genie
Was ist Talent? Was ist Genie?
Die Definition gelang noch nie.
Ein Merkmal doch vom Genie, Ihr Lieben:
Das Leben ist immer sein Schuldner
„ geblieben.
Kunstentwickelung
Worin der Menschheit Fortschritt wohl besteht?
Dag sie von allem Schund zu neuem übergeht.
Bruch der Form
Der Trieb, der Starke zwingt, Formfesseln
zu zersprengen,
Sprengt auch die Reifen, die das eigne Herz
beengen.
Nicht Herz, noch Fesseln hat der Schwächling
je gefühlt:
Um desto lieber er nun „Formzerbrechcns" spielt.
*
Der Glückliche
Was ist das Glück des Kritikers auf Erden?
Dag er — als Einziger — nicht kritisiert darf werden.
Rabcnart
Der Rabe, der ist schwarz, und Leichen sind
sein Fraß.
Doch auch der weiße Rabe lebt von Aas.
*
Mignon
Goethe — und Ambroise Thomas — o Graus!
An der vollblühenden Rose die Laus.
Aber die deutsche Nation, die große,
Liebt die Laus, scheint es, mehr als die Rose.
*
Leben
Die Welt ist tot: lebendig wäre sie,
Gäb's statt des Nachruhms Platz für das Genie.
*
An die Peiniger
Das, was Ihr fällen wollt, wächst nicht den
Weg entlang.
Es wurzelt, und steigt hinauf, wo nie Eure
Axt hindrang.
Katastrophe
Goethe schrieb Schopenhauer ins Album:
„Willst Du Dich Deines Wertes frcu'n,
So mußt der Welt Du Wert verleihen."
Schopenhauers Geist antwortet:
Mein höchster Wert ist mir gekommen,
Als ich der Welt ihren Wert genommen.
tu
Ein Großer
„Du kennst nur ihn, und wagst, ihn doch den
Größten zu benennen?"
Ja! — Wären andre auch so groß, so würde
ich sie kennen.
*
Kunst auf Erden
Es würde jede Kunst verloren auf zum
Himmel fliegen,
Wenn Ballast Unvollkommenheit sie brächte
nicht zum Siegen.
Für unsre Zeit gültig
Keine Auffassung, keine Behauptung zu dumm,
Es sammeln sich „Intellektuelle" darum.
»
Beschluß
In Kunst das Herrlichste, — oder der größte Dreck:
— 's hat alles doch nur moralischen Zweck.
*
Einiges über Hans Pfitzner
Von Bruno Walter
Die Redaktion der „Jugend" bittet mich, über
Hans Pfitzner als Menschen etwas zu fdjreiben.
Offen gestanden: ich studierte lieber den „Palestrina"
von neuem ein — die Arbeit wäre zwar etwas
größer, „läge" mir aber bester. Indessen erscheint
es mir selbst so wünschenswert, daß weitere Kreise
etwas Persönliches von Pfitzner erfahren, daß ich
versuchen will, dem Wunsch der „Jugend" zu ge-
nügen. Nur bitte ich um Duldsamkeit gegen die
Palestrina II. Akt, Spanischer Klerus
Einige Verse aus meinem Gebiet
Von Hans Pfitzner
Das gute Alte
Gewohntes nur für gut zu halten,
Heißt: Sehnsucht nach dem „guten Eliten".
Nur, wer das Alte liebt in Treuen,
3jt wert des wahrhaft guten Neuen.
*
Talent und Genie
Was ist Talent? Was ist Genie?
Die Definition gelang noch nie.
Ein Merkmal doch vom Genie, Ihr Lieben:
Das Leben ist immer sein Schuldner
„ geblieben.
Kunstentwickelung
Worin der Menschheit Fortschritt wohl besteht?
Dag sie von allem Schund zu neuem übergeht.
Bruch der Form
Der Trieb, der Starke zwingt, Formfesseln
zu zersprengen,
Sprengt auch die Reifen, die das eigne Herz
beengen.
Nicht Herz, noch Fesseln hat der Schwächling
je gefühlt:
Um desto lieber er nun „Formzerbrechcns" spielt.
*
Der Glückliche
Was ist das Glück des Kritikers auf Erden?
Dag er — als Einziger — nicht kritisiert darf werden.
Rabcnart
Der Rabe, der ist schwarz, und Leichen sind
sein Fraß.
Doch auch der weiße Rabe lebt von Aas.
*
Mignon
Goethe — und Ambroise Thomas — o Graus!
An der vollblühenden Rose die Laus.
Aber die deutsche Nation, die große,
Liebt die Laus, scheint es, mehr als die Rose.
*
Leben
Die Welt ist tot: lebendig wäre sie,
Gäb's statt des Nachruhms Platz für das Genie.
*
An die Peiniger
Das, was Ihr fällen wollt, wächst nicht den
Weg entlang.
Es wurzelt, und steigt hinauf, wo nie Eure
Axt hindrang.
Katastrophe
Goethe schrieb Schopenhauer ins Album:
„Willst Du Dich Deines Wertes frcu'n,
So mußt der Welt Du Wert verleihen."
Schopenhauers Geist antwortet:
Mein höchster Wert ist mir gekommen,
Als ich der Welt ihren Wert genommen.
tu
Ein Großer
„Du kennst nur ihn, und wagst, ihn doch den
Größten zu benennen?"
Ja! — Wären andre auch so groß, so würde
ich sie kennen.
*
Kunst auf Erden
Es würde jede Kunst verloren auf zum
Himmel fliegen,
Wenn Ballast Unvollkommenheit sie brächte
nicht zum Siegen.
Für unsre Zeit gültig
Keine Auffassung, keine Behauptung zu dumm,
Es sammeln sich „Intellektuelle" darum.
»
Beschluß
In Kunst das Herrlichste, — oder der größte Dreck:
— 's hat alles doch nur moralischen Zweck.
*
Einiges über Hans Pfitzner
Von Bruno Walter
Die Redaktion der „Jugend" bittet mich, über
Hans Pfitzner als Menschen etwas zu fdjreiben.
Offen gestanden: ich studierte lieber den „Palestrina"
von neuem ein — die Arbeit wäre zwar etwas
größer, „läge" mir aber bester. Indessen erscheint
es mir selbst so wünschenswert, daß weitere Kreise
etwas Persönliches von Pfitzner erfahren, daß ich
versuchen will, dem Wunsch der „Jugend" zu ge-
nügen. Nur bitte ich um Duldsamkeit gegen die