Die Stein-Eiche
Eduard Okun (Warschau)
Die Meningitis
Das ist der Toni. Ader zuerst konnte man
ihn nid)t unter seinem Namen, sondern ganz ein-
fnd) linier dem Namen seiner Krankheit, wie die
meisten anderen. Und erst später, — ganz lang-
sam, wird aus der Meningitis der Toni.
„Hörst auf zu raunzen —" schreit ihn der
junge Regimentsarzt an, der mit jedem in seiner
Sprache spricht, ungarisch, czcchisch, jiddisd) und
kürntnerisch und immer so, wie es paßt. Die
Schwester spitzt die Ohren und denkt: „Der kann's
besser als id). Aber für eine norddeulsd>e Zunge
ist das auch schwerer " Und wirkelt Weiler der
Meningitis den Kopfverband ab, denn es ist
Durchschuß und außerdem noch diese schwere Ent-
zündung. Der aber sthreit und heult und sdzlägt
wie wild um fid). — Drei Tage ist er schon da —
hat keine Spur von Bewußtsein, und liegt im
Sterbezimmer, wo die Schwersten liegen, die von
den Stellungen heruntergebracht werden, ins
Feldspital, um dann ein paar Tage später auf
dem kleinen Waldfriedhof zu liegen.
3m Sterbezimmer liegt eine Meningitis, schreit
und erfüllt die Baradien mit Unruhe — und es
wäre sthon gut, wenn's ein Ende gäb, denn der
Augenspezialist sagt, die beiden Augen sind aud>
hin. Soviel weiß man.
Aber einmal kommt „Hochwürden", der Feld-
kurat, etwas später zum Essen, macht kugelrunde,
große Augen, die er immer macht, wenn er sid)
freut oder ärgert, und manchmal tut er beides
zur gleichen Zeit. Zum Beispiel wenn cs Pflau-
menmusknödel gibt — aber nicht reichlich! Dann
sind die Augen zwei Kullernde, rollende, braune
Kugeln in dem runden, glatten, unbewegten Ge-
sidzt, das wie das eines Knaben aussteht. Also
Hochwürden macht große Augen und lad>t. „Ho-
• ho — Panne Doktor! Die Meningitis aha —
hm — die Meningitis!" Er schweigt sid) aus.
— „Na, was denn! — Also bitte! Was ist mit
der Meningitis?" — „Sterben tut sie n!d>t! Denkt
nicht daran. Hat das Bewußtsein!" — Da läßt
die Sd)wester den Löffel hart auf den Teller
fallen: „Ach, der Arme! Mit beiden Augen hin!"
Und freut fid) garnicht.
3m Krankenzimmer, unter den anderen, liegt
der Toni. Es ist auch noch ein „Schwerkranken-
zimmer", aber doch kein Sterbezimmer, und der
Toni wird jetzt bei seinem Namen genannt, denn
er ist ja nun keine Meningitis mehr. — Aber
heulen und schimpfen und unleidlich sein — das
tut er immer noch.
„Geh, Tonderl, raunz net so!" sagt die
Schwester aus der andern Zimmeredie heraus,
wo sie den braunen „Bubi" tröstet, der das Sdzreien
nid)t anhören mag. „Geh, Tonderl!" — der dreht
fid) um und horcht, und irgendwas kommt ihm
bekannt vor. Er hält den Kopf zur Seite geneigt
und fragt: „Woas meinst?" — „Daß D' nit so
Eduard Okun (Warschau)
Die Meningitis
Das ist der Toni. Ader zuerst konnte man
ihn nid)t unter seinem Namen, sondern ganz ein-
fnd) linier dem Namen seiner Krankheit, wie die
meisten anderen. Und erst später, — ganz lang-
sam, wird aus der Meningitis der Toni.
„Hörst auf zu raunzen —" schreit ihn der
junge Regimentsarzt an, der mit jedem in seiner
Sprache spricht, ungarisch, czcchisch, jiddisd) und
kürntnerisch und immer so, wie es paßt. Die
Schwester spitzt die Ohren und denkt: „Der kann's
besser als id). Aber für eine norddeulsd>e Zunge
ist das auch schwerer " Und wirkelt Weiler der
Meningitis den Kopfverband ab, denn es ist
Durchschuß und außerdem noch diese schwere Ent-
zündung. Der aber sthreit und heult und sdzlägt
wie wild um fid). — Drei Tage ist er schon da —
hat keine Spur von Bewußtsein, und liegt im
Sterbezimmer, wo die Schwersten liegen, die von
den Stellungen heruntergebracht werden, ins
Feldspital, um dann ein paar Tage später auf
dem kleinen Waldfriedhof zu liegen.
3m Sterbezimmer liegt eine Meningitis, schreit
und erfüllt die Baradien mit Unruhe — und es
wäre sthon gut, wenn's ein Ende gäb, denn der
Augenspezialist sagt, die beiden Augen sind aud>
hin. Soviel weiß man.
Aber einmal kommt „Hochwürden", der Feld-
kurat, etwas später zum Essen, macht kugelrunde,
große Augen, die er immer macht, wenn er sid)
freut oder ärgert, und manchmal tut er beides
zur gleichen Zeit. Zum Beispiel wenn cs Pflau-
menmusknödel gibt — aber nicht reichlich! Dann
sind die Augen zwei Kullernde, rollende, braune
Kugeln in dem runden, glatten, unbewegten Ge-
sidzt, das wie das eines Knaben aussteht. Also
Hochwürden macht große Augen und lad>t. „Ho-
• ho — Panne Doktor! Die Meningitis aha —
hm — die Meningitis!" Er schweigt sid) aus.
— „Na, was denn! — Also bitte! Was ist mit
der Meningitis?" — „Sterben tut sie n!d>t! Denkt
nicht daran. Hat das Bewußtsein!" — Da läßt
die Sd)wester den Löffel hart auf den Teller
fallen: „Ach, der Arme! Mit beiden Augen hin!"
Und freut fid) garnicht.
3m Krankenzimmer, unter den anderen, liegt
der Toni. Es ist auch noch ein „Schwerkranken-
zimmer", aber doch kein Sterbezimmer, und der
Toni wird jetzt bei seinem Namen genannt, denn
er ist ja nun keine Meningitis mehr. — Aber
heulen und schimpfen und unleidlich sein — das
tut er immer noch.
„Geh, Tonderl, raunz net so!" sagt die
Schwester aus der andern Zimmeredie heraus,
wo sie den braunen „Bubi" tröstet, der das Sdzreien
nid)t anhören mag. „Geh, Tonderl!" — der dreht
fid) um und horcht, und irgendwas kommt ihm
bekannt vor. Er hält den Kopf zur Seite geneigt
und fragt: „Woas meinst?" — „Daß D' nit so