um einem Leben das Recht auf Erlösung durch
den Tod zusprechen zu dürfen. Das Übermaß
bestand darin, daß dies jammervolle Lasttier des
Luxus mit einem furchtbaren Witz der Chirurgie
behaftet in der Welt herum lief. Um überhaupt
noch leben und atmen zu können, war dem Tier
durch den Arzt etwa eine Spanne vor der Brust
von unten her ein Schnitt in den Hals beige-
bracht und eine Metallröhre hindurch gestoßen.
Durch diese Röhre zog es die belebende Luft in
feine Lungen, ohne das Glück, sie zu riechen und
Zu ^ schmecken, und mit ihr ungereinigt von den
weichen empfindlichen Nüstern allen Staub, den
seine und die Füße der andern Pferde und die
Räder der Wagen und Automobile aufrührten.
Durch diese von Wundsaft und Schmutz starrende
Röhre wurde es in den Stand gefetzt, weiterhin
die Zierde für das Wohlleben, die Liebe und den
Flirt einer luxuriösen Menschenklasse heran zu
schleppen, auf weiten öden Wegen vor Ermattung
halb schlafend zu traben, zu traben ohne Kraft
und ohne Willen, sein schwungloses Gewicht auf
einknickenden Beinen vor sich her Schritt um
Schritt auffangend, um nicht zu stürzen und liegen
zu bleiben, die Flüche des jungen rohen Kutschers
hinter sich und seine Peitsche über sich und immer,
immer nod) nicht von der Erlaubnis des allgüti-
gen Sdiöpfers eingeholt, endlich sterben zu dürfen.
3d, wollte es nicht glauben und trat näher
heran. Ein Aufflackern in den alten verfolgten
Augen und die zurückgelegten Ohren mahnten
midi zur Vorsicht; zum Überfluß verkündigte ein
angehängtes Schild, das id> erst jetzt bemerkte:
„Achtung! Bissig!" Aber sonst fand id, alles genau
so, wie es mir vom Bürgersteig aus erfd)ienen
war. An den wunden Stellen, die nicht von
dem Rand der Kanüle bedeckt wurden, hatte»
sich bei dem warmen Herbstwetter Schmeißfliegen
in großer Zahl angesetzt, gegen die das Pferd
sehr empfindlich fd)ien; cs warf unruhig uud auf-
gebracht den Kopf hin und her. Wahrscheinlich
Zog es die Marter des ewigen Trabens auf dem
harten Großstadtpflaster immer nod> der Qual
vor, zu stehen und von Fliegen gepeinigt zu wer-
den ; es genoß nicht mehr die Erholung, welche
sonst diesen armen Wesen zwischen ihren trostlosen
weiten Wegen zu teil wird. Ein Versuch, sid)
eigenmächtig in Gang zu setzen, zog ihm einen
Fluch des Fuhrmanns zu. „Brrr! Du
oller Knod>en, willst de wohl stehen
bleim! Id; soll dir wohl wat ieber
ziehen?" Das Tier schien die Bedeutung
dieses Anrufs zu kennen. Bedrückt
ließ es den Kopf hängen, um ihn gleid,
darauf wieder gepeinigt und mit den
häßlichen Lefzen schnappend herum zu
werfen. lind mit jeder Bewegung des
Kopfes und Halses bewegte sid> die
schreckliche Blechröhre mit.
Aus vielen Häusern hingen Fahnen;
man feierte den Durchbruch am Isonzo.
Viel frische und frohe Männer mußten
den geschichtlichen Erfolg mit dem Leben
büßen, nod> mehr bezahlten ihn mit
ihren gesunden Gliedern. Hier lächelte
die untergehende Sonne in den jungen
Pappeln der Parkanlage, Auf den
Kieswegen spielten Kinder der bessern
Stände, sehr reizend und farbig ange-
zogen, bewaäit von ihren eleganten
Müttern oder von Kindermädchen,
darunter den unvermeidlichen Spree-
wälderinnen in den kleidsamen Trach-
ten. Beim kleinen Teich an der elek-
trischen Haltestelle drängten sid, die
Männer um die Zeitungsverkäufer.
Frauen mit Luxushunden kamen vor-
bei; die Hunde trugen mit Mono-
grainmen bestickte Decken; bei mand,en
steckten in kleinen Seitentaschen weiße
Sd,nupftüd,er mit Spitzen. Schon über-
all war die neue Mode zu sehen,
Samtmäntel mit Pelzwerk besetzt, und
Pelzkragen, die bis übers Kinn hinauf
reidsten. Auch hier im Blumengeschäft Dressur
gingen Leute ein und aus. Gutgekleidete Män-
ner bestellten, sicher auftretend, Körbe und Sträuße,
die zu ihren Geliebten ins Haus gebradst werden
sollten; die Geliebten waren, was man im
Gesd,äft hinreid,end wußte, in den seltensten Fäl-
len ihre Ehefrauen. Einzelne Elegantinnen der
halben oder der ganzen Welt kauften Chrysan-
themen, mit denen sie diesen Abend in der The-
aterloge gut auszusehen gedad,ten. Aus der
Ladentür trat ein Pärchen, die Dame mit einem
dunklen Rosenstrauß, den sie wohlgefällig vor die
kleine Rase und die etwas kurzsichtigen Augen
hielt. Sie war eine schlanke Blondine von neuestem
Schick, in ganz kurzem Röckchen, sehr besonderm
Schuhwerl; mit Lad;galosd,en und hohem schmieg-
samem Oberteil aus Hellem Stoff mit Perlmutter-
Knöpfen, darum herum Pelzserpentinen vom Fud,s,
von denen ein braungoldnes Lichtspiel aus Seiden-
samt in neckisch verjüngten Linien aufwärts stieg,
bis das ganze wandelnde Pyrnmidchen aus Spitzen
und Bändern, Seide und Samt sid, mit zwei
großen blauen Augen und dem lockenden Lächeln
eines leidst geschminkten und nad,gezeid,neten
Huldinnenmundes als das entpuppte, was es war
und was nidst eben allzu sd,wer wog. Der junge
Mann, der sie begleitete, zeigte mit seinem sä,warzen
Haar und dem etwas weichlichen, blaffen, glatt-
rasierten Geiidst einen fremdländischen Typus. Er
trug ebenfalls Lackschuhe mit grauen Gamasd,en,
über dem modisd,en grauen Anzug einen kurzen
Überrock mit Zobelkragen und ein hellgraues
Hütdien.
„Ra, kannst jetzt Deinen Raunzer sd,on mal
einen Abend versetzen!" bemerkte er im Heraus-
treten mit seltsamer Aussprache und in etwas an-
spruchsvollem Tun zu ihr. „Kommst heut' mit
mir ins Theater? Kammerspiele?"
„Was gibt's dort?" fragte sie wohlbehalten
zurüd; und wandte ihre kurzsichtigen Augen von
den Rosen weg ihm zu.
„Strindberg. Der Vater. Zeigt, was für ein
trauriges Subjekt ein Ehemann ist. Zum Sdstuß
wird er von seiner eigenen Frau in die Zwangs-
jacke gelotst. Pervers, aber spannend. Wird man
die Ehre haben?"
Sie war mit dem Bliä; sä,on wieder wo anders.
„Gib Did, weiter nidst hin. Id, liebe nichts
Perverses. Außerden; hat mein Freund Karten
■ > (|
jMITi Hr
zu Carmen. Aber sag' mal, Carli, warum ist denn
eigentlid, geflaggt?" Sie sah neugierig nad, den
Fahnen, deren zusehends mehr wurden.
„Wird wieder so ein Sieg sein," maulte Carli.
„Weißt Du, id, finde Did, schofel. Gesd,enke
nimmst Du, das ist aber alles."
„Du verstehst nidst, daß jemand Geschmack an
der Treue hat," entgegnete sie ruhig. Sie hob
wieder den Strauß vors Gesidst. Die Rosen bil-
deten mit dem sehr geschmeidigen Handschuh und
dem breiten Fuchsaufschlag des Ärmels, aus
welchem er hervor kam, einen ganz vorzüglid,en
Anblid;. Bon ihrer Gleichgültigkeit geärgert, sdstug
er mit dem Stöckd,en gegen die Bügelfalte seiner
umgesdstagenen weiten Hose.
„Geschmack an der Treie!" greinte er. „Bis
einer kommt und sie preiswert bezahlt! —■» Darf
man Dich wenigstens nod, ein Stückchen begleiten?"
„Im Gegenteil, id, warte, daß Du gehst. Mein
Freund kommt um diese Zeit aus dem Büro. —
Sag' mal, wieso bist Du eigentlid, nidst im Feld?"
„Infolge O. ?.," knurrte er.
„Was ist das für eine Krankheit?"
„Druckposten natürlid,. Man lebt nur einmal."
„Stimmt soweit. Id, schwärme aber für Feld-
grau." Sie fuhr fort, mit ihren kurzsichtigen schönen
Augen in ihrer Weise aufmerksam beobad,tend um
sid, zu blicken, während sie auf seinen Abgang
wartete.
„Ja, so seid Ihr preißisd,en Weiber!" erboste
er sich. „Könnt nicht ruhig sitzen, bis wir tot auf
dem Rasen liegen."
Uber diese Anrempelung hörte sie hinweg, was
in diesem Monient vielleicht ihr stärkster Reiz war.
„Sieh dod, das arme alte Pferd!" sagte sie
statt aller Antwort mit einem Ton aufrichtigen
Mitleids. „Was ist das für ein Jammer, daß
ein sold,es Tier noch arbeiten muß!"
Sie war zu kurzsichtig, um and, die furcht-
bare Bled,röhre zu bemerken, aber er sah sie so-
fort; der Anblid; der entsetzlichen Verwundung
traf ihn offenbar wie eine unleidliche Beeinträchti-
gung oder eine Berdädstigung auf Diebstahl.
„Laß dod, den Klepper!" sdstmpfte er aufge-
bracht, nachdem er hingesehen hatte. „Das ist nichts
für_ schöne Augen. Überhaupt ist er auch nod,
bissig. Eine solche ekelhafte Schindmähre!" Erstellte
sich, aufs höchste erregt, zwisd,en sie und das Pferd.
Diese letzte Bemerkung hatte aber der
Bursche gehört, der hier den Kutsd,er
spielte, wie denn in dieser Zeit manch
einer Pferde durd, die Stadt hetzt, ohne
zu wissen, worauf er sdstägt, wenn er
sie prügelt.
„Wird schon 'ne Schindmähre sind!"
sagte er nun sehr vernehmbar, indem
er auf den Bod; kletterte, „Aber in
faulet Fleesd, beißt er »ich, da braucht
keener vor Bange ze Ham." Er ergriff
das Leitseil und drehte mit der andern
Hand die Bremse auf; zugleid, beugte
er sid, aus feinem Kutfd>versd>lag nod,
einmal nad, dem Paar vor. „Det Ferd
is nämlich 'n Klepper von ville Arbeet.
Seine Tätigkeit besteht in Ziehen, va-
stehn Sie. Andere Leite valegen sid,
lieber aufs Schie'm. Hü, olle Kruche.
Balier Deine Feife nidst aus 'n Halse,
damit id; ihr nid, wieder suchen nmß."
Er versetzte dem Tier einen kamerad-
schaftlichen Peitsd,enhieb. Es zog ner-
vös an, glitt auf dem glatten Asphalt
mit einem Hinterhuf aus, fing sid, aber
glücklich, und trabte unter einem Zuruf
des Bursd,en, der warnend die Peitsd,e
über ihm schwang, rasd, davon. Man
sah es um die Ecke der vornehmen
Parkanlage biegen, noch einmal den
alten häßlichen Kopf aufwerfen, dann
in einen steifen, gleid,gültigen Trab
verfallen, und endlich zwisd,en elektri-
sd,en Straßenbahnwagen und andern
Fuhrwerken mit dem großen blauen
Kasten hinter sid, im Abendschein ver-
Martin Rohrlapper schwinden.
83
den Tod zusprechen zu dürfen. Das Übermaß
bestand darin, daß dies jammervolle Lasttier des
Luxus mit einem furchtbaren Witz der Chirurgie
behaftet in der Welt herum lief. Um überhaupt
noch leben und atmen zu können, war dem Tier
durch den Arzt etwa eine Spanne vor der Brust
von unten her ein Schnitt in den Hals beige-
bracht und eine Metallröhre hindurch gestoßen.
Durch diese Röhre zog es die belebende Luft in
feine Lungen, ohne das Glück, sie zu riechen und
Zu ^ schmecken, und mit ihr ungereinigt von den
weichen empfindlichen Nüstern allen Staub, den
seine und die Füße der andern Pferde und die
Räder der Wagen und Automobile aufrührten.
Durch diese von Wundsaft und Schmutz starrende
Röhre wurde es in den Stand gefetzt, weiterhin
die Zierde für das Wohlleben, die Liebe und den
Flirt einer luxuriösen Menschenklasse heran zu
schleppen, auf weiten öden Wegen vor Ermattung
halb schlafend zu traben, zu traben ohne Kraft
und ohne Willen, sein schwungloses Gewicht auf
einknickenden Beinen vor sich her Schritt um
Schritt auffangend, um nicht zu stürzen und liegen
zu bleiben, die Flüche des jungen rohen Kutschers
hinter sich und seine Peitsche über sich und immer,
immer nod) nicht von der Erlaubnis des allgüti-
gen Sdiöpfers eingeholt, endlich sterben zu dürfen.
3d, wollte es nicht glauben und trat näher
heran. Ein Aufflackern in den alten verfolgten
Augen und die zurückgelegten Ohren mahnten
midi zur Vorsicht; zum Überfluß verkündigte ein
angehängtes Schild, das id> erst jetzt bemerkte:
„Achtung! Bissig!" Aber sonst fand id, alles genau
so, wie es mir vom Bürgersteig aus erfd)ienen
war. An den wunden Stellen, die nicht von
dem Rand der Kanüle bedeckt wurden, hatte»
sich bei dem warmen Herbstwetter Schmeißfliegen
in großer Zahl angesetzt, gegen die das Pferd
sehr empfindlich fd)ien; cs warf unruhig uud auf-
gebracht den Kopf hin und her. Wahrscheinlich
Zog es die Marter des ewigen Trabens auf dem
harten Großstadtpflaster immer nod> der Qual
vor, zu stehen und von Fliegen gepeinigt zu wer-
den ; es genoß nicht mehr die Erholung, welche
sonst diesen armen Wesen zwischen ihren trostlosen
weiten Wegen zu teil wird. Ein Versuch, sid)
eigenmächtig in Gang zu setzen, zog ihm einen
Fluch des Fuhrmanns zu. „Brrr! Du
oller Knod>en, willst de wohl stehen
bleim! Id; soll dir wohl wat ieber
ziehen?" Das Tier schien die Bedeutung
dieses Anrufs zu kennen. Bedrückt
ließ es den Kopf hängen, um ihn gleid,
darauf wieder gepeinigt und mit den
häßlichen Lefzen schnappend herum zu
werfen. lind mit jeder Bewegung des
Kopfes und Halses bewegte sid> die
schreckliche Blechröhre mit.
Aus vielen Häusern hingen Fahnen;
man feierte den Durchbruch am Isonzo.
Viel frische und frohe Männer mußten
den geschichtlichen Erfolg mit dem Leben
büßen, nod> mehr bezahlten ihn mit
ihren gesunden Gliedern. Hier lächelte
die untergehende Sonne in den jungen
Pappeln der Parkanlage, Auf den
Kieswegen spielten Kinder der bessern
Stände, sehr reizend und farbig ange-
zogen, bewaäit von ihren eleganten
Müttern oder von Kindermädchen,
darunter den unvermeidlichen Spree-
wälderinnen in den kleidsamen Trach-
ten. Beim kleinen Teich an der elek-
trischen Haltestelle drängten sid, die
Männer um die Zeitungsverkäufer.
Frauen mit Luxushunden kamen vor-
bei; die Hunde trugen mit Mono-
grainmen bestickte Decken; bei mand,en
steckten in kleinen Seitentaschen weiße
Sd,nupftüd,er mit Spitzen. Schon über-
all war die neue Mode zu sehen,
Samtmäntel mit Pelzwerk besetzt, und
Pelzkragen, die bis übers Kinn hinauf
reidsten. Auch hier im Blumengeschäft Dressur
gingen Leute ein und aus. Gutgekleidete Män-
ner bestellten, sicher auftretend, Körbe und Sträuße,
die zu ihren Geliebten ins Haus gebradst werden
sollten; die Geliebten waren, was man im
Gesd,äft hinreid,end wußte, in den seltensten Fäl-
len ihre Ehefrauen. Einzelne Elegantinnen der
halben oder der ganzen Welt kauften Chrysan-
themen, mit denen sie diesen Abend in der The-
aterloge gut auszusehen gedad,ten. Aus der
Ladentür trat ein Pärchen, die Dame mit einem
dunklen Rosenstrauß, den sie wohlgefällig vor die
kleine Rase und die etwas kurzsichtigen Augen
hielt. Sie war eine schlanke Blondine von neuestem
Schick, in ganz kurzem Röckchen, sehr besonderm
Schuhwerl; mit Lad;galosd,en und hohem schmieg-
samem Oberteil aus Hellem Stoff mit Perlmutter-
Knöpfen, darum herum Pelzserpentinen vom Fud,s,
von denen ein braungoldnes Lichtspiel aus Seiden-
samt in neckisch verjüngten Linien aufwärts stieg,
bis das ganze wandelnde Pyrnmidchen aus Spitzen
und Bändern, Seide und Samt sid, mit zwei
großen blauen Augen und dem lockenden Lächeln
eines leidst geschminkten und nad,gezeid,neten
Huldinnenmundes als das entpuppte, was es war
und was nidst eben allzu sd,wer wog. Der junge
Mann, der sie begleitete, zeigte mit seinem sä,warzen
Haar und dem etwas weichlichen, blaffen, glatt-
rasierten Geiidst einen fremdländischen Typus. Er
trug ebenfalls Lackschuhe mit grauen Gamasd,en,
über dem modisd,en grauen Anzug einen kurzen
Überrock mit Zobelkragen und ein hellgraues
Hütdien.
„Ra, kannst jetzt Deinen Raunzer sd,on mal
einen Abend versetzen!" bemerkte er im Heraus-
treten mit seltsamer Aussprache und in etwas an-
spruchsvollem Tun zu ihr. „Kommst heut' mit
mir ins Theater? Kammerspiele?"
„Was gibt's dort?" fragte sie wohlbehalten
zurüd; und wandte ihre kurzsichtigen Augen von
den Rosen weg ihm zu.
„Strindberg. Der Vater. Zeigt, was für ein
trauriges Subjekt ein Ehemann ist. Zum Sdstuß
wird er von seiner eigenen Frau in die Zwangs-
jacke gelotst. Pervers, aber spannend. Wird man
die Ehre haben?"
Sie war mit dem Bliä; sä,on wieder wo anders.
„Gib Did, weiter nidst hin. Id, liebe nichts
Perverses. Außerden; hat mein Freund Karten
■ > (|
jMITi Hr
zu Carmen. Aber sag' mal, Carli, warum ist denn
eigentlid, geflaggt?" Sie sah neugierig nad, den
Fahnen, deren zusehends mehr wurden.
„Wird wieder so ein Sieg sein," maulte Carli.
„Weißt Du, id, finde Did, schofel. Gesd,enke
nimmst Du, das ist aber alles."
„Du verstehst nidst, daß jemand Geschmack an
der Treue hat," entgegnete sie ruhig. Sie hob
wieder den Strauß vors Gesidst. Die Rosen bil-
deten mit dem sehr geschmeidigen Handschuh und
dem breiten Fuchsaufschlag des Ärmels, aus
welchem er hervor kam, einen ganz vorzüglid,en
Anblid;. Bon ihrer Gleichgültigkeit geärgert, sdstug
er mit dem Stöckd,en gegen die Bügelfalte seiner
umgesdstagenen weiten Hose.
„Geschmack an der Treie!" greinte er. „Bis
einer kommt und sie preiswert bezahlt! —■» Darf
man Dich wenigstens nod, ein Stückchen begleiten?"
„Im Gegenteil, id, warte, daß Du gehst. Mein
Freund kommt um diese Zeit aus dem Büro. —
Sag' mal, wieso bist Du eigentlid, nidst im Feld?"
„Infolge O. ?.," knurrte er.
„Was ist das für eine Krankheit?"
„Druckposten natürlid,. Man lebt nur einmal."
„Stimmt soweit. Id, schwärme aber für Feld-
grau." Sie fuhr fort, mit ihren kurzsichtigen schönen
Augen in ihrer Weise aufmerksam beobad,tend um
sid, zu blicken, während sie auf seinen Abgang
wartete.
„Ja, so seid Ihr preißisd,en Weiber!" erboste
er sich. „Könnt nicht ruhig sitzen, bis wir tot auf
dem Rasen liegen."
Uber diese Anrempelung hörte sie hinweg, was
in diesem Monient vielleicht ihr stärkster Reiz war.
„Sieh dod, das arme alte Pferd!" sagte sie
statt aller Antwort mit einem Ton aufrichtigen
Mitleids. „Was ist das für ein Jammer, daß
ein sold,es Tier noch arbeiten muß!"
Sie war zu kurzsichtig, um and, die furcht-
bare Bled,röhre zu bemerken, aber er sah sie so-
fort; der Anblid; der entsetzlichen Verwundung
traf ihn offenbar wie eine unleidliche Beeinträchti-
gung oder eine Berdädstigung auf Diebstahl.
„Laß dod, den Klepper!" sdstmpfte er aufge-
bracht, nachdem er hingesehen hatte. „Das ist nichts
für_ schöne Augen. Überhaupt ist er auch nod,
bissig. Eine solche ekelhafte Schindmähre!" Erstellte
sich, aufs höchste erregt, zwisd,en sie und das Pferd.
Diese letzte Bemerkung hatte aber der
Bursche gehört, der hier den Kutsd,er
spielte, wie denn in dieser Zeit manch
einer Pferde durd, die Stadt hetzt, ohne
zu wissen, worauf er sdstägt, wenn er
sie prügelt.
„Wird schon 'ne Schindmähre sind!"
sagte er nun sehr vernehmbar, indem
er auf den Bod; kletterte, „Aber in
faulet Fleesd, beißt er »ich, da braucht
keener vor Bange ze Ham." Er ergriff
das Leitseil und drehte mit der andern
Hand die Bremse auf; zugleid, beugte
er sid, aus feinem Kutfd>versd>lag nod,
einmal nad, dem Paar vor. „Det Ferd
is nämlich 'n Klepper von ville Arbeet.
Seine Tätigkeit besteht in Ziehen, va-
stehn Sie. Andere Leite valegen sid,
lieber aufs Schie'm. Hü, olle Kruche.
Balier Deine Feife nidst aus 'n Halse,
damit id; ihr nid, wieder suchen nmß."
Er versetzte dem Tier einen kamerad-
schaftlichen Peitsd,enhieb. Es zog ner-
vös an, glitt auf dem glatten Asphalt
mit einem Hinterhuf aus, fing sid, aber
glücklich, und trabte unter einem Zuruf
des Bursd,en, der warnend die Peitsd,e
über ihm schwang, rasd, davon. Man
sah es um die Ecke der vornehmen
Parkanlage biegen, noch einmal den
alten häßlichen Kopf aufwerfen, dann
in einen steifen, gleid,gültigen Trab
verfallen, und endlich zwisd,en elektri-
sd,en Straßenbahnwagen und andern
Fuhrwerken mit dem großen blauen
Kasten hinter sid, im Abendschein ver-
Martin Rohrlapper schwinden.
83