Heldensage
(18. Februar 1883)
Goldhelme blitzten, weiße Neffe schnoben,
Im Slurmritt klirrten Panzer, Speer' und Schilde,
Walküren sprengten ans das Kampfgefilde
Zur Kür des Helden aus des Streites Toben.
Ein Schlag anf's Herz — und auf ihr Noß gehoben,
Den Sänger Siegfrieds hält im Arm Brnnhilde;
Hellauf vor Freude jauchzend lacht die Wilde;
Und weitersausend lenkt der Zug nach oben —
Zur Götterburg. Weit auf die Tore stiegen;
Das Horn ertönt; die Brücke dröhnt und zittert.
Den Willkomm bietet Siegfried seinem Meister .
„Hier ist Dein Platz nach so viel Kampfund Siegen
Im Kreis der Götter und der Heldengeister,
Vom Glanz und Hauch der Ewigkeit umwittert!"
Albert »Inttlilli
Ein einziges Wort
Skizze von Alfred Richard Meyer
(z. 3t. im Westen)
Zwischen meinen Frontrciscn war ich jetzt drei
Tage in Deutschland, eines Vortrags wegen. Der
erste Gang, den ich in der kleinen Residenzstadt
zu tun hatte, war derjenige wegen der Lebens-
mittelkarten. Vom Rathaus schickte man mich
zur Kommandantur, von dort wieder zu einer
Kaserne, ein Vorgang, der mir so ganz nebenbei
die äußerliche Bekanntschaft von fast der ganzer
Stadt vermittelte.
Als ich in die kleine Kasernenstube eintrat,
nahm mir eine schwarze Mauer von Menschen
und wieder Menschen jegliches Licht. Alle waren
wie ich desselben Zweckes wegen hier. Alle hatten
sich schon in die wenig erfreuliche Aussicht ge-
sunden, daß sie mindestens eine halbe Stunde,
wenn nicht noch länger, hier zu warten haben
würden, bis sie abgefertigt wären. Während ich
leise den Gedanken in mir bewegte, ob es nicht
irgendwie, immerhin nicht allzu auffällig, möglich
sei, sich etwas vorzudrängeln, kam eine etwas
heisere Stimme einer Frau, die ich nicht sehen
konnte, an mein Ohr: „Bitte, immer schön der
Reihe nach, auch die Damen, muß ich schon bitten!"
Ich bemerkte, wie eine junge Johanniter-Schwester
mit einem roten Kopf wieder zurücktrat, um zwei
Soldaten den Vortritt zu lassen, denen man es
ansah, daß sie von vorne, ganz von vorne aus
der Front kamen und sich nun, wer weiß nach
wie vielen Monaten treuester Pflichterfüllung, mit
Staunen in die strenge Disziplin der wiederge-
fundenen Heimat zu fügen hatten. Eine kleine
Lücke zwischen all den Menschen zeigte mir jetzt
von jener Frau, deren Stimme ich gehört hatte,
die Hände, schmale, weiße, feine Hände, die schnell
in einen Tischschrank griffen nach den Karten für
Brot, Fleisch, Butter, Kartoffeln, Zucker. Hände,
die früher sicherlich nicht gearbeitet hatten und die
jetzt täglich unermüdlich viele Stunden tätig waren,
in dieser schlechtluftigen, immer wieder mcnschen-
erfüllten Kasernenstube. Und noch einmal kam
dieselbe Stimme, noch etwas heiserer, an mein
Ohr: „Die Tür da hinten bitte schließen! Es
zieht!" Ich stellte für mich fest, daß es hier doch
gar nicht ziehen könne, und dann hörte ich die
Stimme, jetzt ganz ruhig, ganz beamtenmäßig
fragen, jeden einzelnen Soldaten: „Wohin fahren
Sie wieder?" Und jedesmal lautete die Antwort:
„Rach dem Osten!" oder „Rach dem Westen!"
wie eine eintönige Melodie, die schon nach ganz
kurzer Zeit in mir einen schläfrigen, einschläfern-
den Rhythmus annahm, wie viel mehr wohl für
lene Frau, die das Tage, Wochen, Monate lang
über sich ergehen lassen mußte.
Jetzt erst konnte ich die Dame voll sehen. Sie
war ganz in Schwarz, und ihre Rechte trug zwei
goldene Eheringe. Als Brosche hatte sie die Zni-
iialen eines bekannten Infanterieregiments uor-
gesteckt. Eine Witwe, die junge einsame Frau
eines fern gefallenen Offiziers zweifellos. . Und
auch das war sicher, daß sie schwer unter ihrem
Verlust litt — das las ich in ihren Augen, die
mich flüchtig streiften, das las ich in jeder herben
Linie ihres verblühenden Gesichts, das doch noch
ad) so jung war, lächeln, lachen sollte in das Leben
dieses milden Herbsttages.
Als sie jetzt wiederum fragte, wohin denn die
Fahrt gehe, was sie in die laufende Liste einzu-
tragen hatte, antwortete ein Unteroffizier stolz:
„Ppern!" Wie wenn er mit diesem einzigen Wort
triumphiere» wolle, daß er just hier, mitten in den
heißesten Großkampftagen, seinen Mann gestanden
habe, daß er wie durch ein Wunder heil aus deni
Vernichten aller Höllenmaschinen dieser armen,
schrecklichen Erde gekommen sei, daß er in einigen
Tagen schon wieder hier dem rasenden Feinde
gegenüberzustchen habe.
Es entging mir nicht, wie ein krampfhaftes
Zucken durch den jungen Fraucnleib ging, wie
die Hand zitterte und den Bleistift plötzlich sinken
ließ — für Sekunden. Der Unteroffizier bemerkte
es gewiß nicht, weil seine Gedanken schon wieder
ganz wo anders fein mochten, wie geruhig er
diesen Nachmittag verbringen würde, wie sorglos
er den morgigen und übermorgigen Tag feiern
wolle, eine bunte Kette fröhlicher Feiertage. Wie
fern war ihm der Krieg!
Ich war der nächste nach dem Unteroffizier.
Die Dame war noch nidjt wieder Beherrscherin
ihres Selbst geworden. Groß trafen mich ihre
Augen. Und ich bannte sie und warf ihnen den
fragenden Blick zu: „Also dort war es, wo Du
Deine Liebe verlieren mußtest?" Und als Antwort
kam ein großes, tränenloses Ja zurück. Mir
aber war cs, als sähe ich den ganzen schmerzlichen
Bach der Tränen, den diese junge Frau, heimlich,
nachts, nacl> ihrem ermüdenden Dienst, geweint
halte und noch immer weinte. Das kleine kahle
Zimmer voller Soldaten dehnte sich für mich
plötzlich zu dem weiten, zertrichterten Feld rings
um Wern, wie ich es in den letzten Wochen
immer wieder sehen mußte. Rot sprang in Weiß
und verblich in ein schauriges Grau, das sich in
Nebeln bewegte, durcheinander gequirlt wurde,
schneller und schneller. Und in meinen Ohren
waren Rufe, Donner, Poltern, Sausen, Singen,
Krachen, näher und näher.
Hastig nahm ich meine Lebensmittelkarten,
und ängstlich, daß mein Fuß vielleicht zu laut
auftretcn möchte, verließ ich die kleine Kasernen-
stube.
O, das leuchtende Sonnenlicht dieses klaren
Herbsttages! Zn diesem Licht noch stehen zu
können, schreiten zu dürfen — ach, wie lange
noch! Leben hier in Deutschland!
Hab acht, du meine Seele...
Hab acht, du meine Seele,
Hab acht, du meine Hand,
Daß durch der Menschheit Schwären
Ihr Best-Teil nicht verbrannt.
Verhülle deine Seele,
So du zum Töten gehst;
Doch bleibe festen Willens,
Da du in Notwehr stehst.
Umgürte deine Rechte,
Eidlreu erheb' die Hand,
Da dich ein rein Gewissen
Zur ernsten Tat bekannt.
Schützend die Heimaterde
Hast du die Seel' verhüllt.
Zur Wehr für alles Heil'ge
Hast du die Hand erfüllt.
Ist erst vollbracht das Schwere
Und Menschenmord verbannt.
Dann neu erheb' dich, Seele,
Dann neu erheb' dich, Hand.
Doch Hab dann acht, o Seele,
Doch dann Hab acht, o Hand,
Daß von dem Glutgcsichte
Ihr Best-Teil nicht verbrannt.
Max F. Michel (im Felde)
*
Die Veränderung
Sie war 18 Jahre alt, schon vier Wochen
verheiratet, im Pensionat erzogen worden und
noch nie in einem Kabarett gewesen.
Er hatte eine Glatze, war gegenwärtig in seine
eigene Frau verliebt und zwar in dem Stadium,
in welchem man sich zu langweilen beginnt und
redete ihr seit einer halben Stunde zu, mit ihm
ins Kabarett zu gehen.
„Ich verstehe Dich nicht, Maus, daß Dich das
nicht interessiert. Es gibt Mädchen, die nur hei-
raten, damit sie alles lesen und ins Kabarett gehen
dürfen. Du wirft Dich großartig unterhalten.
Und dann — es ist doch gar nichts dabei-"
Darauf läutete sie dem Stubenmädchen und
ließ sich ankleiden.
Eine Stunde später saßen sie in einer Prosze-
niumloge des „Gaudeamus". Bor ihnen standen
in einem vernickelten Kübel zwei Flaschen und
vier dunkelrote Rosen eingekühlt.
Sie trug ein weißes Taftkleid, das für ihre
Begriffe eigentlich ein bißchen sehr ausgeschnitten
war und zog deshalb mit den kleinen nervösen
Kinderhänden, an denen der neue Ehering seltsam
funkelte, den breiten, weißen, königlichen Polar-
fuchs eng um die Schultern und fest am Halse
zusammen, daß ihr feines Kindergesichtchcn fast
in den langen, glänzenden Haaren des Felles
versank.
Es war eigentlich recht warm in dem men-
schengefüllten Saal.
Er sagte: „Willst Du den Pelz nicht lieber
oblegen, — Du wirst Dich erkälten. .."
Sie schüttelte den Kopf und lächelte.
Die Kapelle spielte ein Potpourri der neuesten
Operetten. Es war eine „erstklassige Salon-
Kapelle". Der Klavierspieler affektierte, als säße
er am Flügel eines Konzertsaales vor andächtig
84
(18. Februar 1883)
Goldhelme blitzten, weiße Neffe schnoben,
Im Slurmritt klirrten Panzer, Speer' und Schilde,
Walküren sprengten ans das Kampfgefilde
Zur Kür des Helden aus des Streites Toben.
Ein Schlag anf's Herz — und auf ihr Noß gehoben,
Den Sänger Siegfrieds hält im Arm Brnnhilde;
Hellauf vor Freude jauchzend lacht die Wilde;
Und weitersausend lenkt der Zug nach oben —
Zur Götterburg. Weit auf die Tore stiegen;
Das Horn ertönt; die Brücke dröhnt und zittert.
Den Willkomm bietet Siegfried seinem Meister .
„Hier ist Dein Platz nach so viel Kampfund Siegen
Im Kreis der Götter und der Heldengeister,
Vom Glanz und Hauch der Ewigkeit umwittert!"
Albert »Inttlilli
Ein einziges Wort
Skizze von Alfred Richard Meyer
(z. 3t. im Westen)
Zwischen meinen Frontrciscn war ich jetzt drei
Tage in Deutschland, eines Vortrags wegen. Der
erste Gang, den ich in der kleinen Residenzstadt
zu tun hatte, war derjenige wegen der Lebens-
mittelkarten. Vom Rathaus schickte man mich
zur Kommandantur, von dort wieder zu einer
Kaserne, ein Vorgang, der mir so ganz nebenbei
die äußerliche Bekanntschaft von fast der ganzer
Stadt vermittelte.
Als ich in die kleine Kasernenstube eintrat,
nahm mir eine schwarze Mauer von Menschen
und wieder Menschen jegliches Licht. Alle waren
wie ich desselben Zweckes wegen hier. Alle hatten
sich schon in die wenig erfreuliche Aussicht ge-
sunden, daß sie mindestens eine halbe Stunde,
wenn nicht noch länger, hier zu warten haben
würden, bis sie abgefertigt wären. Während ich
leise den Gedanken in mir bewegte, ob es nicht
irgendwie, immerhin nicht allzu auffällig, möglich
sei, sich etwas vorzudrängeln, kam eine etwas
heisere Stimme einer Frau, die ich nicht sehen
konnte, an mein Ohr: „Bitte, immer schön der
Reihe nach, auch die Damen, muß ich schon bitten!"
Ich bemerkte, wie eine junge Johanniter-Schwester
mit einem roten Kopf wieder zurücktrat, um zwei
Soldaten den Vortritt zu lassen, denen man es
ansah, daß sie von vorne, ganz von vorne aus
der Front kamen und sich nun, wer weiß nach
wie vielen Monaten treuester Pflichterfüllung, mit
Staunen in die strenge Disziplin der wiederge-
fundenen Heimat zu fügen hatten. Eine kleine
Lücke zwischen all den Menschen zeigte mir jetzt
von jener Frau, deren Stimme ich gehört hatte,
die Hände, schmale, weiße, feine Hände, die schnell
in einen Tischschrank griffen nach den Karten für
Brot, Fleisch, Butter, Kartoffeln, Zucker. Hände,
die früher sicherlich nicht gearbeitet hatten und die
jetzt täglich unermüdlich viele Stunden tätig waren,
in dieser schlechtluftigen, immer wieder mcnschen-
erfüllten Kasernenstube. Und noch einmal kam
dieselbe Stimme, noch etwas heiserer, an mein
Ohr: „Die Tür da hinten bitte schließen! Es
zieht!" Ich stellte für mich fest, daß es hier doch
gar nicht ziehen könne, und dann hörte ich die
Stimme, jetzt ganz ruhig, ganz beamtenmäßig
fragen, jeden einzelnen Soldaten: „Wohin fahren
Sie wieder?" Und jedesmal lautete die Antwort:
„Rach dem Osten!" oder „Rach dem Westen!"
wie eine eintönige Melodie, die schon nach ganz
kurzer Zeit in mir einen schläfrigen, einschläfern-
den Rhythmus annahm, wie viel mehr wohl für
lene Frau, die das Tage, Wochen, Monate lang
über sich ergehen lassen mußte.
Jetzt erst konnte ich die Dame voll sehen. Sie
war ganz in Schwarz, und ihre Rechte trug zwei
goldene Eheringe. Als Brosche hatte sie die Zni-
iialen eines bekannten Infanterieregiments uor-
gesteckt. Eine Witwe, die junge einsame Frau
eines fern gefallenen Offiziers zweifellos. . Und
auch das war sicher, daß sie schwer unter ihrem
Verlust litt — das las ich in ihren Augen, die
mich flüchtig streiften, das las ich in jeder herben
Linie ihres verblühenden Gesichts, das doch noch
ad) so jung war, lächeln, lachen sollte in das Leben
dieses milden Herbsttages.
Als sie jetzt wiederum fragte, wohin denn die
Fahrt gehe, was sie in die laufende Liste einzu-
tragen hatte, antwortete ein Unteroffizier stolz:
„Ppern!" Wie wenn er mit diesem einzigen Wort
triumphiere» wolle, daß er just hier, mitten in den
heißesten Großkampftagen, seinen Mann gestanden
habe, daß er wie durch ein Wunder heil aus deni
Vernichten aller Höllenmaschinen dieser armen,
schrecklichen Erde gekommen sei, daß er in einigen
Tagen schon wieder hier dem rasenden Feinde
gegenüberzustchen habe.
Es entging mir nicht, wie ein krampfhaftes
Zucken durch den jungen Fraucnleib ging, wie
die Hand zitterte und den Bleistift plötzlich sinken
ließ — für Sekunden. Der Unteroffizier bemerkte
es gewiß nicht, weil seine Gedanken schon wieder
ganz wo anders fein mochten, wie geruhig er
diesen Nachmittag verbringen würde, wie sorglos
er den morgigen und übermorgigen Tag feiern
wolle, eine bunte Kette fröhlicher Feiertage. Wie
fern war ihm der Krieg!
Ich war der nächste nach dem Unteroffizier.
Die Dame war noch nidjt wieder Beherrscherin
ihres Selbst geworden. Groß trafen mich ihre
Augen. Und ich bannte sie und warf ihnen den
fragenden Blick zu: „Also dort war es, wo Du
Deine Liebe verlieren mußtest?" Und als Antwort
kam ein großes, tränenloses Ja zurück. Mir
aber war cs, als sähe ich den ganzen schmerzlichen
Bach der Tränen, den diese junge Frau, heimlich,
nachts, nacl> ihrem ermüdenden Dienst, geweint
halte und noch immer weinte. Das kleine kahle
Zimmer voller Soldaten dehnte sich für mich
plötzlich zu dem weiten, zertrichterten Feld rings
um Wern, wie ich es in den letzten Wochen
immer wieder sehen mußte. Rot sprang in Weiß
und verblich in ein schauriges Grau, das sich in
Nebeln bewegte, durcheinander gequirlt wurde,
schneller und schneller. Und in meinen Ohren
waren Rufe, Donner, Poltern, Sausen, Singen,
Krachen, näher und näher.
Hastig nahm ich meine Lebensmittelkarten,
und ängstlich, daß mein Fuß vielleicht zu laut
auftretcn möchte, verließ ich die kleine Kasernen-
stube.
O, das leuchtende Sonnenlicht dieses klaren
Herbsttages! Zn diesem Licht noch stehen zu
können, schreiten zu dürfen — ach, wie lange
noch! Leben hier in Deutschland!
Hab acht, du meine Seele...
Hab acht, du meine Seele,
Hab acht, du meine Hand,
Daß durch der Menschheit Schwären
Ihr Best-Teil nicht verbrannt.
Verhülle deine Seele,
So du zum Töten gehst;
Doch bleibe festen Willens,
Da du in Notwehr stehst.
Umgürte deine Rechte,
Eidlreu erheb' die Hand,
Da dich ein rein Gewissen
Zur ernsten Tat bekannt.
Schützend die Heimaterde
Hast du die Seel' verhüllt.
Zur Wehr für alles Heil'ge
Hast du die Hand erfüllt.
Ist erst vollbracht das Schwere
Und Menschenmord verbannt.
Dann neu erheb' dich, Seele,
Dann neu erheb' dich, Hand.
Doch Hab dann acht, o Seele,
Doch dann Hab acht, o Hand,
Daß von dem Glutgcsichte
Ihr Best-Teil nicht verbrannt.
Max F. Michel (im Felde)
*
Die Veränderung
Sie war 18 Jahre alt, schon vier Wochen
verheiratet, im Pensionat erzogen worden und
noch nie in einem Kabarett gewesen.
Er hatte eine Glatze, war gegenwärtig in seine
eigene Frau verliebt und zwar in dem Stadium,
in welchem man sich zu langweilen beginnt und
redete ihr seit einer halben Stunde zu, mit ihm
ins Kabarett zu gehen.
„Ich verstehe Dich nicht, Maus, daß Dich das
nicht interessiert. Es gibt Mädchen, die nur hei-
raten, damit sie alles lesen und ins Kabarett gehen
dürfen. Du wirft Dich großartig unterhalten.
Und dann — es ist doch gar nichts dabei-"
Darauf läutete sie dem Stubenmädchen und
ließ sich ankleiden.
Eine Stunde später saßen sie in einer Prosze-
niumloge des „Gaudeamus". Bor ihnen standen
in einem vernickelten Kübel zwei Flaschen und
vier dunkelrote Rosen eingekühlt.
Sie trug ein weißes Taftkleid, das für ihre
Begriffe eigentlich ein bißchen sehr ausgeschnitten
war und zog deshalb mit den kleinen nervösen
Kinderhänden, an denen der neue Ehering seltsam
funkelte, den breiten, weißen, königlichen Polar-
fuchs eng um die Schultern und fest am Halse
zusammen, daß ihr feines Kindergesichtchcn fast
in den langen, glänzenden Haaren des Felles
versank.
Es war eigentlich recht warm in dem men-
schengefüllten Saal.
Er sagte: „Willst Du den Pelz nicht lieber
oblegen, — Du wirst Dich erkälten. .."
Sie schüttelte den Kopf und lächelte.
Die Kapelle spielte ein Potpourri der neuesten
Operetten. Es war eine „erstklassige Salon-
Kapelle". Der Klavierspieler affektierte, als säße
er am Flügel eines Konzertsaales vor andächtig
84