Zwei Spiele
An eines plätschernden Baches Rand
Saß ein Kind.
Blond waren seine Locken. Blau
Seine Augen.
Mit seinen rosigen Händen spielt'
Es mit Kiesel
Und nannte die Kiesel Menschen.
Stellte sie ans
In Reihen und Glieder. Der da.
Der Große
Ist Vater und dieser der Kleine
Und Dicke
Ist Mutter, jener der und der,
Dieser da jener.
So spielte das Kind mit Lachen
lind Singen.
Am lauttosenden Lebensstrom
Saß das Schicksal.
Schwarz waren seine Locken. Grau
Seine Augen.
Mit seinen knöchernen Händen spielt'
Es mit Menschen
Und nannte die Menschen Kiesel.
Stellte sie auf
In Reihen und Glieder. Der da,
Der Reiche
Ist hart und dieser der Arme
Und Kleine
Ist weich. Wirft alle zusammen
Im Strome des Lebens.
So spielt das Schicksal mit hämischem
Lächeln.
Albert Langer
Der Rächer
Schwarz wie ein Bahrtuch sank herab die Nacht
Und Schweigen, unheilschwanger, hob die Flügel
Und übersiog den fernen Dünenhügel,
Wo Bernsteinfahrer meuchlings umgebracht
Halldor von Hjardahold. —
Der junge Held
Ertrank in seines Blutes Scharlachwogen. —
Um Walhalls Wonnen freventlich betrogen.
Taucht er hinab in Helas Schattenwelt,
Weil noch kein Erbe seinem heißen Lieben,
Kein Rächer seines Namens nachgeblieben.
Des Wikings Weib ritt seiner Wegspur nach.
Vor Schmerz versteint das stolze Angesicht.
Felstrümmer und Geröll — sie achtet's nicht,
Weil aus der Brust der wilde Wunsch ihr brach:
Die Mörder des Gemordeten zu sehn!
Das hält ihr Seele, Sinn und Sein unikrallt
lind peitscht sie mit des Müffens Zwangsgewalt
Zum Ziele — über Wollen und Verstehn.
Was rottet sich am Runenstein zusammen?
Sie hetzt den Hengst das Hünengrab hinan. —
In ihren Augen sprühen Feuerflammen —
Sie sieht, die sie gesucht! — Zum Sprung setzt an
Gleich wie ein Hirsch der hochgebaute Renner
lind trägt sie mitten in den Kreis der Männer. —
Wera von Bartels (München)
Ihr königlicher Wuchs erhitzt das Blut
Der Nordlandssöhne bis zur Siedeglut!
Die Meereswölfe lechzen nach dem Weib,
Nach ihrem junge», sieghaft schöne» Leib —
Das Beutestück umstellen sie im Nu;
Der Horde Häuptling herrisch tritt herzu,
Gepeitscht von jäh entfesselter Begier,
Umpackt in wilder hemmungsloser Lust
Die edle Wölbung ihrer weißen Brust
Und — stürzt zur Erde wie ein waidwund Tier.
Sie aber läßt ihr Roß geruhig wenden,
Von des Vollbringens Stolz das Herz geschwellt:
„Halltor in Helas finstrer Schattenwelt,
Es schwört Dir zu Dein ehelich Gemahl:
Du wirst gerächt! Du siehst Walhallas Saal!"
Judeß umstehn de» Führer die Genossen.
Ihr Wortschwall kommt wie zorn'geFlut geschossen:
„Schwächling, Du schweigst? Was fiel
Dich Feigen an?
Welch kläglich Schauspiel hast Du uns gegeben!
Sprich und ermanne Dich!" Schamvolles Beben
Zerbrochner Kraft durch seine Rede rann:
„Gefährten! Streckt mich nieder in den Sand!
Das Weib, das fremde Weib, hat mich entmannt:
Berauscht von ihrer Marmorbrüste Pracht
Erlag ich ihrer zauberischen Macht,
Und sah in ihren Blicke» doch den Tod,
Den lauernden, der lockt, bevor er droht!
Und als ich dann — zu spät— voll Grau» erkannt,
Wer dieses Weib — erlahmte meine Hand.
Die Norne Sknld webt rote Rache schon —
Ein Rächer drängt znm Licht, die Schuld
zu strafen,
Zm Mutterschoß verborgen sah ich schlafen
Der uns zu töten kommt: des Toten Sohn."
Ziska Luise Schember
Santa und der Hochstapler
Bon Carl Hauptmann
Die steinreiche Baronin Dexter war mit ih-
rem Marabu im Kronenhof in Wien ange-
kommen. Mutter und Tochter kostbar aufge-
tnkelt und aufdringlich laut.
Man hatte im Hotel die Schwere des
Reichtums sofort beurteilt.
Baronin Dexter, als sie von einem Troß
Hotelbediensteter geführt in die Zimmer eintrat,
das mit Diamanten besetzte Perlmutterlorgnon
vor den Augen, sagte: „Santa, sei froh!"
Santa, deren geblendete Augen zwischen
den: kostbarsten Pelzwerk und Schleierzeug
durchstachen, war nie froh.
Santa war höchstens schadenfroh.
Als die Baronin von oben nasal gelispelt
hatte: „Santa, sei froh!" blickte Santa verächt-
lich um sich. Besah den Hotelprunk. Rauschte
erregt im Zimmer herum. Und warf ohne
Worte den auf den großen Rundtisch postier-
ten Blumenkelch auf die spiegelnde Diele. So
daß die Blumenvase zerklirrte.
Es verlangte Santa, sich auszutoben.
Man hatte vor der Abreise den Herrschafts-
damen daheim im Schlosse noch ein Suppen-
huhn mit serviert.
Aber die alte Baronin war über das
Suppenhuhn, gelinde gesagt, beim ersten Bissen
empört gewesen.
Und Santa, die die junge Köchin und alle,
die in der Mutter Augen nichts taugten, immer
bevorzugte, hatte das Suppenhuhn „in den
Himmel gehoben."
Und der Streit war gerollt: über eine Er-
fahrung vor Zähren in einem Hotel in Nizza,
wo die Mama behauptete, ein zu weiches
Suppenhuhn gegessen zu haben. Über den
Geschmackstreit mit einer hämischen Verwandten,
die dort auch mit dabei gewesen und außerdem
Santas verrückte Coiffure getadelt und belächelt
hatte. Uber die Lächerlichkeit des Münnergcschmak-
kes. Denn Santa haßte die Männer. Uber eine
Parforcejagd, wo der einzige Bruder Santas zu
tödlichen: Fall gekommen. Uber ein Diner, das
die Baronin im Schlosse den im Quartier liegenden
Gardeoffizieren gegeben. Und wobei die Galantine
von Huhn total versalzen gewesen. War endlich
bis nach Wien gerollt, wo die zu äußerst gespannte
Lage im Kronenhof mit der Blumenvase geendigt,
die jetzt am Boden lag und in Scherben.
Baronin Dexter zitterte mit geschlossenen Augen
vor der Zertrümmerung. Sie hatte sich mit Ab-
scheu gleich zum Ausgang gewendet.
Felix, der Kammerdiener, erschien hinterdrein.
Auch Selma, die Zofe, stand mit Schachteln
nnd Taschen gebürdet.
Und die Baronin tat nur einen empörten
Blick noch ins Zimmer zurück. Und lief trippelnd
weiter.
Während die Zofe dann zur Santa trat, die
Base besah, die am Boden lag, heimlich lachte
und sagte: „Solcher geschnrackloser Praßt ....
darum ist's wirklich nicht schade!"
Dann begann man aus den Pelzen zu fahren.
Und sich in die Reihe Zimmer einzuordnen.
Es waren schon Briefe gekommen.
Vor allem zum Finanzminister mußte man
hin, der der Baronin ein entfernter Vetter war.
Baronin Dexter verschloß einen Plan in sich.
Sie wollte wogen Santa eine Berühmtheit
befragen.
Nur hätten Santa so ohne weiteres am
Schürzenbandc der Mutter zu einem Nervenarzt
hin nicht die vier bunten Zucker und der surrende
Hikorywagen zu bringen vermocht, in dem das
besessene, aufgestachelte, verkrümmte Schloßfrüulein
oft auf ihrer Herrschaft sich sehen ließ.
Übrigens verlief das Diner, wofür man hinter
Santas Rücken im Ministerhause alles sorglich
arrangiert hatte, zum Erstaunen aller Beteiligten
ganz entzückend.
Man hatte Santa nie so überschäumend und
frech gesehen.
102
An eines plätschernden Baches Rand
Saß ein Kind.
Blond waren seine Locken. Blau
Seine Augen.
Mit seinen rosigen Händen spielt'
Es mit Kiesel
Und nannte die Kiesel Menschen.
Stellte sie ans
In Reihen und Glieder. Der da.
Der Große
Ist Vater und dieser der Kleine
Und Dicke
Ist Mutter, jener der und der,
Dieser da jener.
So spielte das Kind mit Lachen
lind Singen.
Am lauttosenden Lebensstrom
Saß das Schicksal.
Schwarz waren seine Locken. Grau
Seine Augen.
Mit seinen knöchernen Händen spielt'
Es mit Menschen
Und nannte die Menschen Kiesel.
Stellte sie auf
In Reihen und Glieder. Der da,
Der Reiche
Ist hart und dieser der Arme
Und Kleine
Ist weich. Wirft alle zusammen
Im Strome des Lebens.
So spielt das Schicksal mit hämischem
Lächeln.
Albert Langer
Der Rächer
Schwarz wie ein Bahrtuch sank herab die Nacht
Und Schweigen, unheilschwanger, hob die Flügel
Und übersiog den fernen Dünenhügel,
Wo Bernsteinfahrer meuchlings umgebracht
Halldor von Hjardahold. —
Der junge Held
Ertrank in seines Blutes Scharlachwogen. —
Um Walhalls Wonnen freventlich betrogen.
Taucht er hinab in Helas Schattenwelt,
Weil noch kein Erbe seinem heißen Lieben,
Kein Rächer seines Namens nachgeblieben.
Des Wikings Weib ritt seiner Wegspur nach.
Vor Schmerz versteint das stolze Angesicht.
Felstrümmer und Geröll — sie achtet's nicht,
Weil aus der Brust der wilde Wunsch ihr brach:
Die Mörder des Gemordeten zu sehn!
Das hält ihr Seele, Sinn und Sein unikrallt
lind peitscht sie mit des Müffens Zwangsgewalt
Zum Ziele — über Wollen und Verstehn.
Was rottet sich am Runenstein zusammen?
Sie hetzt den Hengst das Hünengrab hinan. —
In ihren Augen sprühen Feuerflammen —
Sie sieht, die sie gesucht! — Zum Sprung setzt an
Gleich wie ein Hirsch der hochgebaute Renner
lind trägt sie mitten in den Kreis der Männer. —
Wera von Bartels (München)
Ihr königlicher Wuchs erhitzt das Blut
Der Nordlandssöhne bis zur Siedeglut!
Die Meereswölfe lechzen nach dem Weib,
Nach ihrem junge», sieghaft schöne» Leib —
Das Beutestück umstellen sie im Nu;
Der Horde Häuptling herrisch tritt herzu,
Gepeitscht von jäh entfesselter Begier,
Umpackt in wilder hemmungsloser Lust
Die edle Wölbung ihrer weißen Brust
Und — stürzt zur Erde wie ein waidwund Tier.
Sie aber läßt ihr Roß geruhig wenden,
Von des Vollbringens Stolz das Herz geschwellt:
„Halltor in Helas finstrer Schattenwelt,
Es schwört Dir zu Dein ehelich Gemahl:
Du wirst gerächt! Du siehst Walhallas Saal!"
Judeß umstehn de» Führer die Genossen.
Ihr Wortschwall kommt wie zorn'geFlut geschossen:
„Schwächling, Du schweigst? Was fiel
Dich Feigen an?
Welch kläglich Schauspiel hast Du uns gegeben!
Sprich und ermanne Dich!" Schamvolles Beben
Zerbrochner Kraft durch seine Rede rann:
„Gefährten! Streckt mich nieder in den Sand!
Das Weib, das fremde Weib, hat mich entmannt:
Berauscht von ihrer Marmorbrüste Pracht
Erlag ich ihrer zauberischen Macht,
Und sah in ihren Blicke» doch den Tod,
Den lauernden, der lockt, bevor er droht!
Und als ich dann — zu spät— voll Grau» erkannt,
Wer dieses Weib — erlahmte meine Hand.
Die Norne Sknld webt rote Rache schon —
Ein Rächer drängt znm Licht, die Schuld
zu strafen,
Zm Mutterschoß verborgen sah ich schlafen
Der uns zu töten kommt: des Toten Sohn."
Ziska Luise Schember
Santa und der Hochstapler
Bon Carl Hauptmann
Die steinreiche Baronin Dexter war mit ih-
rem Marabu im Kronenhof in Wien ange-
kommen. Mutter und Tochter kostbar aufge-
tnkelt und aufdringlich laut.
Man hatte im Hotel die Schwere des
Reichtums sofort beurteilt.
Baronin Dexter, als sie von einem Troß
Hotelbediensteter geführt in die Zimmer eintrat,
das mit Diamanten besetzte Perlmutterlorgnon
vor den Augen, sagte: „Santa, sei froh!"
Santa, deren geblendete Augen zwischen
den: kostbarsten Pelzwerk und Schleierzeug
durchstachen, war nie froh.
Santa war höchstens schadenfroh.
Als die Baronin von oben nasal gelispelt
hatte: „Santa, sei froh!" blickte Santa verächt-
lich um sich. Besah den Hotelprunk. Rauschte
erregt im Zimmer herum. Und warf ohne
Worte den auf den großen Rundtisch postier-
ten Blumenkelch auf die spiegelnde Diele. So
daß die Blumenvase zerklirrte.
Es verlangte Santa, sich auszutoben.
Man hatte vor der Abreise den Herrschafts-
damen daheim im Schlosse noch ein Suppen-
huhn mit serviert.
Aber die alte Baronin war über das
Suppenhuhn, gelinde gesagt, beim ersten Bissen
empört gewesen.
Und Santa, die die junge Köchin und alle,
die in der Mutter Augen nichts taugten, immer
bevorzugte, hatte das Suppenhuhn „in den
Himmel gehoben."
Und der Streit war gerollt: über eine Er-
fahrung vor Zähren in einem Hotel in Nizza,
wo die Mama behauptete, ein zu weiches
Suppenhuhn gegessen zu haben. Über den
Geschmackstreit mit einer hämischen Verwandten,
die dort auch mit dabei gewesen und außerdem
Santas verrückte Coiffure getadelt und belächelt
hatte. Uber die Lächerlichkeit des Münnergcschmak-
kes. Denn Santa haßte die Männer. Uber eine
Parforcejagd, wo der einzige Bruder Santas zu
tödlichen: Fall gekommen. Uber ein Diner, das
die Baronin im Schlosse den im Quartier liegenden
Gardeoffizieren gegeben. Und wobei die Galantine
von Huhn total versalzen gewesen. War endlich
bis nach Wien gerollt, wo die zu äußerst gespannte
Lage im Kronenhof mit der Blumenvase geendigt,
die jetzt am Boden lag und in Scherben.
Baronin Dexter zitterte mit geschlossenen Augen
vor der Zertrümmerung. Sie hatte sich mit Ab-
scheu gleich zum Ausgang gewendet.
Felix, der Kammerdiener, erschien hinterdrein.
Auch Selma, die Zofe, stand mit Schachteln
nnd Taschen gebürdet.
Und die Baronin tat nur einen empörten
Blick noch ins Zimmer zurück. Und lief trippelnd
weiter.
Während die Zofe dann zur Santa trat, die
Base besah, die am Boden lag, heimlich lachte
und sagte: „Solcher geschnrackloser Praßt ....
darum ist's wirklich nicht schade!"
Dann begann man aus den Pelzen zu fahren.
Und sich in die Reihe Zimmer einzuordnen.
Es waren schon Briefe gekommen.
Vor allem zum Finanzminister mußte man
hin, der der Baronin ein entfernter Vetter war.
Baronin Dexter verschloß einen Plan in sich.
Sie wollte wogen Santa eine Berühmtheit
befragen.
Nur hätten Santa so ohne weiteres am
Schürzenbandc der Mutter zu einem Nervenarzt
hin nicht die vier bunten Zucker und der surrende
Hikorywagen zu bringen vermocht, in dem das
besessene, aufgestachelte, verkrümmte Schloßfrüulein
oft auf ihrer Herrschaft sich sehen ließ.
Übrigens verlief das Diner, wofür man hinter
Santas Rücken im Ministerhause alles sorglich
arrangiert hatte, zum Erstaunen aller Beteiligten
ganz entzückend.
Man hatte Santa nie so überschäumend und
frech gesehen.
102