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Vor der Türe
Bor der Türe steh ich, höre innen
Deine Geige singen, leise,

Sv verzagte Licbesweise,

Wo die Töne zart wie Tränen rinnen.

Ja, die toten Saiten dürfen klagen
Sich ihr Leid, nicht unsre Seelen.

Jedes Wort würgt in den Kehlen.

Doch in Tönen läßt sich vieles sagen.

Und so darf ich an die Türe klopfen.

Und wir lächeln uns entgegen.

Während leis wie Sommerregen
Unsre Tränen still nach innen tropfen.

4 Will Vesper

Eine bot mir einen bunten Traum .. .

Eine bot mir einen bunten Traum,

Und ich Hab' mein Herz dafür gegeben,

Nannt' es Liebe, uannt' es reifstes Leben . . .
Jahre gingen, und ich merkt' cs kaum, '
klnd mein Blut gor wie der Saft der Reben.

Doch der Traum zersprang gleich einer Glocke,
lind ich wachte auf mit jähem Schrei.

Zögernd erst begriff ich, ivaS es fei.

Wie? — Mein Glück, als wär's nur eine Flocke,
Griffnach ihm derStraßenfchnintz? — Vorbei!...

klnd es war wohl gut, daß es entglitten.

Daß sich schmerzvoll löste, was mich band.

Denn seitdem zu dir den Weg ich fand.

Wandern wir, als ob vor unfern Schritten
Wartend läge einst verlor'nes Land.

Land des Friedens, golden überhaucht.

Sehnsucht rief eg oft an wilden Tagen . . .

In dem Glanz, den deine Auge» tragen,
Spiegelt sich's, dem Nebelmeer enttaucht.

Und mir ist, ich dürfte „Heimat" sagen.

Hans Friedrich

Schneenacht aufVorenkollen

Bon Niels Ho>)er

Ich habe das Fenster weit geöffnet. Die Nacht-
luft ist bitter kalt. Weis; ist der enge Pfad. Weiß
ist der Tannenwald. Venus steht hoch und stolz
unter den Sternen. Der Karlswagen ') wartet auf
sie: im Triumph will er sie heimfahren. Die feine
Mondsichel krönt eine ferne Tanne: wie sie strahlt,
wie sie ihr Haupt trügt, inondsichclgekrönte Tan-
nenprinzessin. Und hinttt ihr, demütig und weiß,
die zitternde Prinzessin-Schleppe: der Nebel der
Tiefe, unter deren Grunde, — himmlisches tausend-
fältiges Gestirn, heiß mich nicht einen Undankbaren
— millionenfach das Firmament der Erde: die
Stadt die große Stadl der Nacht, ein Abenteuer
wirrer Lichtergärten, ein unruhvoller Urwald weißer

*) .üarlswagen ist die nordische Bezeichnung für
das Sternenbird des großen Bären.

Sterne, im weiten Bogen, Strahlenbündel und
Fackelstraßen, und Kerzenkreise, und Flammcn-
säulen: ganz klar und fein kann mein Auge ihr
schwankes Widerspiel im starren Fjorde unter-
scheiden. Dort ist der Hafen Kristianias. Und
wo die Sternallccn leuchten, gehen Kristianias
enge Straßen. Und wo es dunkel ist, stehen
Kristianias kalte Menschenhäuser. -

Die Stunde ist so still. Die Stadt ist fern
und tief. <3lrrt Tage kann ich sie oft gar nicht
sehen. Wolkenlegionen wandern dann von, grauen
Wintermeer heran und füllen Tal und Fjord und
Tiefe und stemmen sich gegen die Tannenhöhen,
sind scl)wcr und wild, und unter ihrer Lust stöhnt
blind der Tag der Stadt. Die Höhe aber trium-
phiert! Und ich bin stolz: die Wolken unter mir
und über mir die Sonne!

Die Stunde ist so still. — Ich weiß, die letzten
Gäste gingen heim f ein leises, hartes Knirschen wie
ein allzustrafses, rauhes Harfenklingen: Schnee-
schuhe wandern sausend in die Tiefe. Ein Hunde-
bcllcn. Irgendwo ein Schlittenläuten.

Der eine Fremde spielte schlechte Walzer. Sie
tanzte vor den Augen aller mit dem Bürschlein,
das alle Tänze weiß und vicrundzwanzig zählt,
aus Russisch-Polen und Baron sein will: also
ein Löwe, und gestern noch mit einer anderen,
die heute reiste . . . Ach, was geht s mich an. —

Biel Stunden lang flog ich auf Ski heute
durch die weißen Tannenwälder. Neuschneepfade,
weiße, weiche Bänder zog ich als vpur für andere,
die ich nicht kenne. Iungfernschnee, wie Eider-
dauncn, und grün und blau und violett und rot.
Und übersät mit Diamantenstaub. — Plötzlich sah
ich ein Eichhorn, tief in diesen Schncewaldeinsam-
keiten. Auf einein Schncegrund, der das Farbcn-
wundcr des Regcnbogcns zu Gaste hatte, saß es
und rührte sich nicht, mit Kinderaugen starrte es

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Register
Hans Friedrich: Eine bot mir einen bunten Traum...
Will Vesper: Vor der Türe
Fritz Burger-Mühlfeld: Sirenenlied
Niels Hoyer: Schneenacht auf Voxenkollen
 
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