Bilü im Mai
Du schreitest üurch Üen Maien,
Du blütenjunge liebste Zrau,
Du schreitest Üurch Üen Maien
wie eine Welt zu Dreien,
Dein fjimmcl ist so blau.
Sie LrÜe Üir zu Küsten
3st Trieb unü Srang, ist Trieb unü Drang,
Die LrÜe üir zu Küsten.
Nun sag, WaS singen üic süsten
Vöglcin so lieben Dang?
Nun sag, was sie blühen unü blühen,
Die Blumen all mit holüem kjauch,
Nun sag, was sie blühen unü blühen?
„Mas sie singen unü waS ste blühen,
Das stngc unü blühe ich auch."
Du schreitest Üurch üen Maien
Unü lächelst lieb im KrühlingSwinÜ.
Du schreitest Üurch Üen Maien
Wie eine Welt zu Dreien:
Als sich unü Du unü kinü.
Lyeoüor Etzel
Die beiden Hennen
Bon Bertha von Nauendorf (Wiesbaden)
Im Hühnerhof herrschte große Aufregung und
lautes Durcheinander. Das Prinzeßchen, die
Zierde und der Stolz des ganzen Hühnerhofes,
war soeben verkauft worden. Prinzeßchen besaß
schaumig-weißes Gefieder, so weiß, daß es silbern
erglänzte, wenn die Sonne darauf schien, Prinzeß-
d)en hatte deu zierlichsten rosigen Kamm, der sich
denken läßt, setzte die Füßchen mit besonderer
Grazie und bildete sich viel, — sehr viel ein.
Prinzeßchen behauptete, zu Höherem geboren
zu sein, behauptete, eines Tages würde es fliegen
können und über den Menschen hinschweben.
Voller Hochmut blickte es auf das graue brave
Legehuhn mit den seltsam zerzausten, verbogenen
Federn nieder, das es ausgebrütet hatte. Nur
ausgebrütet! Ein Ei zu legen, das so ein präch-
tiges Huhn barg wie Prinzeßchen, dazu war das
graue Huhn gar nicht imstande!
Und nun war Prinzeßchen ganz plötzlich ver-
kauft worden. Mit sicherem Griff hatte ein
Händler das Tier gepackt, und Prinzeßchen mußte
sich selbst gestehen, daß sein Abgang vom Hühner-
hofe wohl recht kläglich gewesen sein mochte.
Aber das schadete nichts. Nun kam gewiß das
Schicksal, kam die Verwirklichung all ihrer ehr-
geizigen Pläne.
Und wirklich - das Schicksal kam und erfüllte
sich. Anders zwar, als das Prinzeßdien es er-
träumte, aber immer noch wundersam genug.
Prinzeßchen mußte sterben, doch das Schönste
an ihm blieb erhalten: das schaumig-weiße Ge-
fieder, das wie Silber erglänzte, wenn die Sonne
darauf fiel.
Ganz sorgfältig wurde mit den Schwanzfedern
und dem Flügclpaar umgegangen. Mancherlei
Prozesse wurden mit ihnen vorgenommen, bis sie
sich schließlich nach einem Jahr und mehr auf
einem Hut von feinstem Stroh wiederfanden.
Das Stroh hatte eine ganz helle Beige-Farbe,
die Flügel aber waren von zartem Blau, von
einem ganz eigenen Blau, das silbern schimmerte,
wenn die Sonne darüber glitt. . .
Der schöne Hut blieb nicht lange verborgen,
blieb nicht lange im Schaufenster einer Putz-
macherin ausgestellt. Die feine Zusammenstellung,
die schöngesteckten Federn übten einen starken
Reiz aus. Und zu hohem Preise kaufte ihn ein
Dirnchen, an dem alles unwahrscheinlich war' der
rote Mund, die geschwärzten Wimpern und Augen-
brauen, die strohgelben Haare, die schmale Taille.
So erfüllte das Schicksal Prinzeßchens Wunsch.
Das Flügelpaar schwebte über den Menschen
anders zwar, als Prinzeßchen es sich gedarl>t, aber
es war doch immerhin Erfüllung. . .
Das Dirnchen hatte dem Hut manchen Erfolg
zu verdanken. Die gleißenden Federn lockten und
winkten. Sie schwebten über dem unwahrschein-
lich gelben Haar mitten hinein in's Gewühl, dort,
wo es am bimtcften und dichtesten war. Und
thronten über einer lustigen Gesellschaft bis in
den hellen Morgen hinein, umgeben von einer
Wolke Tabak und scharfen Wohlgerüchen, die an
den Flügeln haften blieben, und lernten ein plötz-
liches, ruckhaftes Fliegen, wenn des Dirnchens
weiße, der Arbeit ungewohnte Hand den Hut
ergriff und ihn achtlos auf einen Stuhl schleu-
dcrte, nacf) solch tollen, durchjubclten Nächten ...
Mit der Zeit verloren die Federn ihren Glanz
und ihre Wciä>heit. Das Dirnchen sank mehr
und mehr. Immer zügelloser waren die Gesell-
schaften, über welchen die blauen Flügel thronten,
immer übler der Geruch des Tabaks und der
scharfen Essenzen, die sich den Federn mitteilten ...
Und da geschah cs, daß das Dirnchen in einer
regennassen Nacht trunken heimwärts taumelte,
daß es stürzte und der Hut in eine Pfütze zu
liegen kam. Mühsam raffte sich das Dirnchen auf,
nahm mechanisch den triefenden Hut vom Boden
und sri>lich nach Hause ....
Wie wenn schwere, schmutzigbraune Wolken
über einen leuchtenden Frühjahrshimmel ziehen,
so sahen die Federn aus. Kaum mehr zu er-
kennen. Nur hier und da ein Fleckchen vom
schönen zarten Blau. Und dieselbe Hand, die
dem Flügelpaar das plötzliche Fliegen beibrachte,
griff zornig nach ihnen, riß sie mit einem Ruck
herab und warf sie zum Unrat ....
Inzwiscl)en hatte auch das ulte brave Lege-
huhn sein Werk vollbracht. Es ging den Weg,
den alle Hühner einmal gehen, ob sie jung sind
oder alt. Es wurde geschlachtet und verkauft
lind bald rupfte eine derbe rote Hand an den
merkwürdig zerzausten und verbogenen grauen
Federn und warf sie in den Abfalleimer ....
* *
*
Draußen vor der Stadt fuhren zwei Müll-
wagen langsam hintereinander her. Endlich machten
sie Halt. Der erste Wagen öffnete seine Türe, und
in buntem Wirbel sank sein Inhalt zu Boden.
Konservenbüchsen rollten blitzend hervor, ©las»
und Porzellanscherben klirrten noch einmal, split-
terteir rmd barsten aufs lieue, dicker grauer Staub
und Asche flogen auf und mitten in diesem Chaos
ein paar Federn, die den Eindruck erweckten, als
zögen schwere, schmutzigbraune Wolken über einen
leuchtenden Frühjahrshimmel ....
Nun ließ der zweite Wagen seinen Inhalt zu
Boden gleiten. Es war das gleiche Bild wie
vordem. Auch da flogen in dem Wirbel von
Staub und mische ein paar Federn in die Höhe
und sanken nach kurzem Fluge matt und weich
zur Erde, just neben die anderen Federn, zu allem
übrigen Schutt. Es waren graue, seltsam ver-
bogene und zerzauste Federn ....
Ein in dieser Umgebung fast angenehmer Duft
entströmte den blaugetupften Federn, ein Duft
aus starken Essenzen und Zigarettenrauch gemischt.
Aber nicht lange. Bald rieselte ein feiner, lang-
samer Regen herab, überzog alles mit einer leise
glänzenden Nüsse und verwandelte den großen
Schutthaufen in eine einzige, übelriechende, glitschige
Masse_
Ein ekelhafter Mensch
Ich konnte den Kerl nicht aussiehn. Er hatte
einen fuchsroten, struppigen Bart und zwei kleine
stechende Augen. So ein richtiges Räubergesicht.
Seine Kleidung war die eines „besseren Mannes",
mit Röllchen rmd festgenähter Konfektionskrawatte
Auf den gerade gebogenen Griff des einfachen
Spazierstockes senkte sich mitunter eines der Röll-
chen. Abgesehen davon, daß ich eine unüberwind-
liche Abneigung gegen Leute habe, die auf dem
Wege zum Büro einen Stock tragen, als ob sie
einen Gipfel stürmen wollten, konnte ich den Rot-
bärtigen nicht sehen, ohne verstimmt zu werden.
Die Begegnung mit ihm konnte mir den ganzen
Weg zum Frondienst verekeln: so weit war cs
mit meiner Antipathie gekommen.
Mit geringen Ausnahmen traf ich ihn jeden
Morgen, weil wir dieselbe Trambahnlinie benutzen
mußten und zu gleicher Zeit an der Haltestelle der
nächsten Straße warteten. Unsre Blicke begegneten
sich manchmal unwillkürlich, und cs fdjien mir,
als schaute er besonders giftig auf mich Das
war ja nun firfjev eine starke Einbildung von mir,
aber tri) ertappte mich mehrmals dabei, wie id)
ihm einen Blick zuwarf, der mif eine freundliche
Gesinnung nirijt schließen ließ. Einmal stand id)
auf der Plattform des Trambahnwagens, als ein
andrer den mir unsympathischen Zeitgenossen be-
grüßte und ihn mit eineni „Guten Morgen, Herr
Rat" anredete. Auf diese Weise wurden mir
Anit und Würde des struppigen Mannes vertraut.
Saust lernte ich ihn nicht näher kennen. Und
dodi, einmal mad>te ich seine Bekanntsdiaft.
Es mar an einem grimmig kalten Morgen,
als wir gemeinsam um die Edte bogen. Dort
stand ein Schulhaus. Zwei kleine Buben und
ein Mädel standen frierend vor dem Tor, weil
sie zti früh daran waren, und der Unterricht in
einer Viertelstunde erst begann. Der Herr Rat
zögerte plötzlid> auf seinem gleichmäßigen Gange
und wandte ftri) den Kindern zu: „Müßt Ihr
denn heraußen stehn und frieren," brummte er
besorgt in seinen Fuchsbart, „da könnt Ihr ja
krank werden! Marsch hinein!" Und damit fdjob
er die Kleinen mir nirijts, dir nichts in das schüt-
zende Schultor.
Noch an demselben Morgen fndjtc ich in der
Trambahn einen Platz in der Nähe des Herrn
Rats^ zu gewinnen, weil id) ihm etwas nbzu-
bitten hatte. Id) konnte das zwar nirfjt mit
Worten tun, aber id) schaute ihm dod> einmal
so freundlich in die Augen, daß es ihm hätte
zum Bewußtsein kommen müssen, daß einer, ihm
gcgenüberstand, dem es von da an eine Freude
war, ihn zu sehen. Gustav Adolf Müller
Liebe Jugend!
Wir hatten wieder einmal dienstlich in der
Residenz zu tun. Sin guter Freund und ich. Kunst-
hungrig, wie wir Provinzler nun einmal sind, be-
schlossen wir abends die Gper zn besuchen. Nach
vielem Hin und Her hatte mein Hoteldiener, wie
er mir mit listigem Augenzwinkern bedeutete, noch
zwei Karten zu erschleichen gewußt. Ulan gab
Nikolais „Lustige Weiber von Windsor."
Hochbefriedigt von dein Genuß beschlossen wir
den Tag — bis am nächsten Nlorgen die Rechnung
und mit ihr die Bestürzung kam.
Bei all meiner.Ehrlichkeit in fünfundzwanzig-
jähriger Ehe wage ich cs nicht, diese Rechnung
meiner Frau vorzuweisen, vermag sic jedoch, dir,
liebe Fugend, nicht vorzuenthalten. Sic lautete:
X Zimmer mit Frühstück .... „11
2 lustige Weiber h (0 .11. ... 20 .11
3 54
Du schreitest üurch Üen Maien,
Du blütenjunge liebste Zrau,
Du schreitest Üurch Üen Maien
wie eine Welt zu Dreien,
Dein fjimmcl ist so blau.
Sie LrÜe Üir zu Küsten
3st Trieb unü Srang, ist Trieb unü Drang,
Die LrÜe üir zu Küsten.
Nun sag, WaS singen üic süsten
Vöglcin so lieben Dang?
Nun sag, was sie blühen unü blühen,
Die Blumen all mit holüem kjauch,
Nun sag, was sie blühen unü blühen?
„Mas sie singen unü waS ste blühen,
Das stngc unü blühe ich auch."
Du schreitest Üurch üen Maien
Unü lächelst lieb im KrühlingSwinÜ.
Du schreitest Üurch Üen Maien
Wie eine Welt zu Dreien:
Als sich unü Du unü kinü.
Lyeoüor Etzel
Die beiden Hennen
Bon Bertha von Nauendorf (Wiesbaden)
Im Hühnerhof herrschte große Aufregung und
lautes Durcheinander. Das Prinzeßchen, die
Zierde und der Stolz des ganzen Hühnerhofes,
war soeben verkauft worden. Prinzeßchen besaß
schaumig-weißes Gefieder, so weiß, daß es silbern
erglänzte, wenn die Sonne darauf schien, Prinzeß-
d)en hatte deu zierlichsten rosigen Kamm, der sich
denken läßt, setzte die Füßchen mit besonderer
Grazie und bildete sich viel, — sehr viel ein.
Prinzeßchen behauptete, zu Höherem geboren
zu sein, behauptete, eines Tages würde es fliegen
können und über den Menschen hinschweben.
Voller Hochmut blickte es auf das graue brave
Legehuhn mit den seltsam zerzausten, verbogenen
Federn nieder, das es ausgebrütet hatte. Nur
ausgebrütet! Ein Ei zu legen, das so ein präch-
tiges Huhn barg wie Prinzeßchen, dazu war das
graue Huhn gar nicht imstande!
Und nun war Prinzeßchen ganz plötzlich ver-
kauft worden. Mit sicherem Griff hatte ein
Händler das Tier gepackt, und Prinzeßchen mußte
sich selbst gestehen, daß sein Abgang vom Hühner-
hofe wohl recht kläglich gewesen sein mochte.
Aber das schadete nichts. Nun kam gewiß das
Schicksal, kam die Verwirklichung all ihrer ehr-
geizigen Pläne.
Und wirklich - das Schicksal kam und erfüllte
sich. Anders zwar, als das Prinzeßdien es er-
träumte, aber immer noch wundersam genug.
Prinzeßchen mußte sterben, doch das Schönste
an ihm blieb erhalten: das schaumig-weiße Ge-
fieder, das wie Silber erglänzte, wenn die Sonne
darauf fiel.
Ganz sorgfältig wurde mit den Schwanzfedern
und dem Flügclpaar umgegangen. Mancherlei
Prozesse wurden mit ihnen vorgenommen, bis sie
sich schließlich nach einem Jahr und mehr auf
einem Hut von feinstem Stroh wiederfanden.
Das Stroh hatte eine ganz helle Beige-Farbe,
die Flügel aber waren von zartem Blau, von
einem ganz eigenen Blau, das silbern schimmerte,
wenn die Sonne darüber glitt. . .
Der schöne Hut blieb nicht lange verborgen,
blieb nicht lange im Schaufenster einer Putz-
macherin ausgestellt. Die feine Zusammenstellung,
die schöngesteckten Federn übten einen starken
Reiz aus. Und zu hohem Preise kaufte ihn ein
Dirnchen, an dem alles unwahrscheinlich war' der
rote Mund, die geschwärzten Wimpern und Augen-
brauen, die strohgelben Haare, die schmale Taille.
So erfüllte das Schicksal Prinzeßchens Wunsch.
Das Flügelpaar schwebte über den Menschen
anders zwar, als Prinzeßchen es sich gedarl>t, aber
es war doch immerhin Erfüllung. . .
Das Dirnchen hatte dem Hut manchen Erfolg
zu verdanken. Die gleißenden Federn lockten und
winkten. Sie schwebten über dem unwahrschein-
lich gelben Haar mitten hinein in's Gewühl, dort,
wo es am bimtcften und dichtesten war. Und
thronten über einer lustigen Gesellschaft bis in
den hellen Morgen hinein, umgeben von einer
Wolke Tabak und scharfen Wohlgerüchen, die an
den Flügeln haften blieben, und lernten ein plötz-
liches, ruckhaftes Fliegen, wenn des Dirnchens
weiße, der Arbeit ungewohnte Hand den Hut
ergriff und ihn achtlos auf einen Stuhl schleu-
dcrte, nacf) solch tollen, durchjubclten Nächten ...
Mit der Zeit verloren die Federn ihren Glanz
und ihre Wciä>heit. Das Dirnchen sank mehr
und mehr. Immer zügelloser waren die Gesell-
schaften, über welchen die blauen Flügel thronten,
immer übler der Geruch des Tabaks und der
scharfen Essenzen, die sich den Federn mitteilten ...
Und da geschah cs, daß das Dirnchen in einer
regennassen Nacht trunken heimwärts taumelte,
daß es stürzte und der Hut in eine Pfütze zu
liegen kam. Mühsam raffte sich das Dirnchen auf,
nahm mechanisch den triefenden Hut vom Boden
und sri>lich nach Hause ....
Wie wenn schwere, schmutzigbraune Wolken
über einen leuchtenden Frühjahrshimmel ziehen,
so sahen die Federn aus. Kaum mehr zu er-
kennen. Nur hier und da ein Fleckchen vom
schönen zarten Blau. Und dieselbe Hand, die
dem Flügelpaar das plötzliche Fliegen beibrachte,
griff zornig nach ihnen, riß sie mit einem Ruck
herab und warf sie zum Unrat ....
Inzwiscl)en hatte auch das ulte brave Lege-
huhn sein Werk vollbracht. Es ging den Weg,
den alle Hühner einmal gehen, ob sie jung sind
oder alt. Es wurde geschlachtet und verkauft
lind bald rupfte eine derbe rote Hand an den
merkwürdig zerzausten und verbogenen grauen
Federn und warf sie in den Abfalleimer ....
* *
*
Draußen vor der Stadt fuhren zwei Müll-
wagen langsam hintereinander her. Endlich machten
sie Halt. Der erste Wagen öffnete seine Türe, und
in buntem Wirbel sank sein Inhalt zu Boden.
Konservenbüchsen rollten blitzend hervor, ©las»
und Porzellanscherben klirrten noch einmal, split-
terteir rmd barsten aufs lieue, dicker grauer Staub
und Asche flogen auf und mitten in diesem Chaos
ein paar Federn, die den Eindruck erweckten, als
zögen schwere, schmutzigbraune Wolken über einen
leuchtenden Frühjahrshimmel ....
Nun ließ der zweite Wagen seinen Inhalt zu
Boden gleiten. Es war das gleiche Bild wie
vordem. Auch da flogen in dem Wirbel von
Staub und mische ein paar Federn in die Höhe
und sanken nach kurzem Fluge matt und weich
zur Erde, just neben die anderen Federn, zu allem
übrigen Schutt. Es waren graue, seltsam ver-
bogene und zerzauste Federn ....
Ein in dieser Umgebung fast angenehmer Duft
entströmte den blaugetupften Federn, ein Duft
aus starken Essenzen und Zigarettenrauch gemischt.
Aber nicht lange. Bald rieselte ein feiner, lang-
samer Regen herab, überzog alles mit einer leise
glänzenden Nüsse und verwandelte den großen
Schutthaufen in eine einzige, übelriechende, glitschige
Masse_
Ein ekelhafter Mensch
Ich konnte den Kerl nicht aussiehn. Er hatte
einen fuchsroten, struppigen Bart und zwei kleine
stechende Augen. So ein richtiges Räubergesicht.
Seine Kleidung war die eines „besseren Mannes",
mit Röllchen rmd festgenähter Konfektionskrawatte
Auf den gerade gebogenen Griff des einfachen
Spazierstockes senkte sich mitunter eines der Röll-
chen. Abgesehen davon, daß ich eine unüberwind-
liche Abneigung gegen Leute habe, die auf dem
Wege zum Büro einen Stock tragen, als ob sie
einen Gipfel stürmen wollten, konnte ich den Rot-
bärtigen nicht sehen, ohne verstimmt zu werden.
Die Begegnung mit ihm konnte mir den ganzen
Weg zum Frondienst verekeln: so weit war cs
mit meiner Antipathie gekommen.
Mit geringen Ausnahmen traf ich ihn jeden
Morgen, weil wir dieselbe Trambahnlinie benutzen
mußten und zu gleicher Zeit an der Haltestelle der
nächsten Straße warteten. Unsre Blicke begegneten
sich manchmal unwillkürlich, und cs fdjien mir,
als schaute er besonders giftig auf mich Das
war ja nun firfjev eine starke Einbildung von mir,
aber tri) ertappte mich mehrmals dabei, wie id)
ihm einen Blick zuwarf, der mif eine freundliche
Gesinnung nirijt schließen ließ. Einmal stand id)
auf der Plattform des Trambahnwagens, als ein
andrer den mir unsympathischen Zeitgenossen be-
grüßte und ihn mit eineni „Guten Morgen, Herr
Rat" anredete. Auf diese Weise wurden mir
Anit und Würde des struppigen Mannes vertraut.
Saust lernte ich ihn nicht näher kennen. Und
dodi, einmal mad>te ich seine Bekanntsdiaft.
Es mar an einem grimmig kalten Morgen,
als wir gemeinsam um die Edte bogen. Dort
stand ein Schulhaus. Zwei kleine Buben und
ein Mädel standen frierend vor dem Tor, weil
sie zti früh daran waren, und der Unterricht in
einer Viertelstunde erst begann. Der Herr Rat
zögerte plötzlid> auf seinem gleichmäßigen Gange
und wandte ftri) den Kindern zu: „Müßt Ihr
denn heraußen stehn und frieren," brummte er
besorgt in seinen Fuchsbart, „da könnt Ihr ja
krank werden! Marsch hinein!" Und damit fdjob
er die Kleinen mir nirijts, dir nichts in das schüt-
zende Schultor.
Noch an demselben Morgen fndjtc ich in der
Trambahn einen Platz in der Nähe des Herrn
Rats^ zu gewinnen, weil id) ihm etwas nbzu-
bitten hatte. Id) konnte das zwar nirfjt mit
Worten tun, aber id) schaute ihm dod> einmal
so freundlich in die Augen, daß es ihm hätte
zum Bewußtsein kommen müssen, daß einer, ihm
gcgenüberstand, dem es von da an eine Freude
war, ihn zu sehen. Gustav Adolf Müller
Liebe Jugend!
Wir hatten wieder einmal dienstlich in der
Residenz zu tun. Sin guter Freund und ich. Kunst-
hungrig, wie wir Provinzler nun einmal sind, be-
schlossen wir abends die Gper zn besuchen. Nach
vielem Hin und Her hatte mein Hoteldiener, wie
er mir mit listigem Augenzwinkern bedeutete, noch
zwei Karten zu erschleichen gewußt. Ulan gab
Nikolais „Lustige Weiber von Windsor."
Hochbefriedigt von dein Genuß beschlossen wir
den Tag — bis am nächsten Nlorgen die Rechnung
und mit ihr die Bestürzung kam.
Bei all meiner.Ehrlichkeit in fünfundzwanzig-
jähriger Ehe wage ich cs nicht, diese Rechnung
meiner Frau vorzuweisen, vermag sic jedoch, dir,
liebe Fugend, nicht vorzuenthalten. Sic lautete:
X Zimmer mit Frühstück .... „11
2 lustige Weiber h (0 .11. ... 20 .11
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