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Rudolf Riemerschmied (München)

Am See

3d) möchte wohl wie Bäume.

3d) möchte wohl wie Bäume aus den Feldern
Zn Stämmen stehn, vom Laube überwuchtet,
verankert tief im Grund mit großen Wurzeln.
Und blühn und reisen war mir ein Gesetz,

Vas außer mir und dennoch in mir tätig.

Zch hob die Aeste leicht im Morgenwind,
wie Rinder mit den Fingern leise spielen
Zn bunten Träumen aus dem weißen Lmnen;
Wiird warm im Sonnenbrand und kalt im Schnee
Und scucht im Regen mit der Jahreszeit
Und meine Arbeit wäre: daß ich bin!

Uns aber ist gegeben, ehern-fest
Mühvoll zu schaffen, wenn wir ruhen möchten.
Zu zweifeln qualvoll, wo wir glauben sollten,
Vurst im Genießen, Leiden statt der Liebe,

Ven Tod zu wünschen, Abschluß unserm Leben.
Und wenn wir endlich unser Leben lieben.

Zu sterben. Lve Thorsten

Bergwiese

Bon Bernhard Flemes, Hameln

Als der Stromer aus dem Walde trat, lag
die Sonne heiß auf der bunten Bergwiese. Er
überlegte, ob er sich hinein wagen sollte, fdjob
nach Kurzem Entschlüsse die Beine in den goldenen
Ginster, zündete fid, eine Pfeife an, und streckte
sid) behaglich lang. Unter ihm stürzten die Felsen
lotrecht zum Strome hinunter, der glitzernd durch
Weiden und Wiesen ging. Das Städtchen unten
sd>morte recht in der Miltagsglut. Die Schatten
waren nahe an die Füße der Mauern gekrochen,
und wenn die Bürger über den Marktplatz wollten,
unr in den weinduftigen Ratskeller zu taudien,
so kostete es schon einen kühnen Entschluß. Hier
oben aber strich der Höhenwind kühlend aus dem
Walde. Die Bienen summten im Ginslergolde,
und auf der Blumenwiese flogen die Falter.

Das Leben war doch sdiön. Und so bequem,
wenn man es redjt einzurichten wußte. Der Stromer
blies seine blauen Rauchwolken fröhlidi in die
sonndurchrieselte, bunte Luft. Er hatte in den
letzten Kühlen Wod>en bei einem Bauern gearbeitet,
einiges Geld im Beutel und konnte es erst mal
eine Zeitlang aushalten, bevor er wieder in die
Fron mußte. Und diese Zeit gedachte er grllndlidi
zu genießen. Bor allem dadurch, daß er sid>
möglichst wenig rührte. Das bißchen Essen fand

sid, sd>on. Wasser gab der Bergquell ganz um-
sonst. Tabak war and, da und des Nachts ein
Heuhaufen oder eine Tannendickung Schön ist
das Leben, und heiter sind die Bierdörfer! dadsie
der Stromer und schob sid, seinen Rucksack be-
quem unter den Kopf.

Da war es ihm, als ob er leises Weinen in
der Nähe hörte.

Nanu? dad,te er.

Ein kleines Mädel war's, barfuß und mit
wirrem, braunem Sd,opf, der gewiß keinen Kamm
gespürt hatte. Es trieb weinend ans dem Walde
über die Wiese, gerade auf das Muttergottesbild
zu, das blau und golden am Wegsaume über der
Wiese stund. Da fiel es auf die ftnie. Das
Weinen wurde zu einem Sd,nucken, zwischen dem
sich ein Gemurmel hören ließ. Die gcfalietcn Händ-
chen hoben sid, zu der heiligen Frau mit dem
Kinde, und das schmuddelige Mäulchen betete
redst innig.

Dann war es fertig, sprang auf und mühte
sich, dem Zesusknäblein einen Kranz bunter Feld-
blumen anzuhängen, den es unterwegs gewunden
hatte. Aber es konnte nicht hinaufreid,en, seufzte,
hob sid, auf die Zehen und reckte die braunen
Arme so hoch es konnte. Jedoch es gelang nidst.
Das Kränzlein siel immer zurück.

„Mußt 'nen Stodi nehmen!" rief der Stromer
hinüber.

Die Kleine sah sid, ersd,rocken um.

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Eve Thorsten: Ich möchte wohl wie Bäume...
Bernhard Flemes: Bergwiese
Rudolf Riemerschmid: Am See
 
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