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Das verhexte Bildnis

(Eine zeitgemSße Ballade)

Ein Künstler malte die Frau Bankier,

Die er so hoch verehrte,

Noch hing das Bild im Atelier,

Auf daß es trocken werde.

Zehn Wochen hing's und war noch nah,

Als tät's Champagner trinken!

Der Maler flucht im tiefsten Baß:

„Verflixter Teufelsschinken!"

(Za, was war dann dös?l)

Er tupfte mit dem Finger dran,

Zu prüfen, ob es trocken.

Hoho, da fuhr der Malersmann
Zurück, zu Tod erschrocken.

Er hatte sich die Hand verbrannt
— Weih Gott, es war zum Rasen! —

Am Finger wuchsen imposant .

Drei schmerzgeborne Blasen!

(Ietz, da legst Di nieder!)

Und bald darauf fing auf dem Bild
Die Nase an zu blühen.

Ein grünes Pflänzlein, zart und mild,

Begann hervorzusprühen.

Es wuchs heraus zum Nasenbein,
Kreuzteufeldonnerwetter,

Trieb rechts und links, trieb groß und klein
Die schönsten, grünen Blätter.

(Hast scho so was g'hörl?!)

„O Gott, was Hab ich da geklext!"

Mit Grausen rief's der Maler.

„Das schöne Bild, es ist verhext!

Das bringt mir keinen Taler!"

— Da hat Erleuchtung ihm gestrahlt,

Erlöst vom Banne saß er:

Auf Leinwand war das Bild gemalt
Aus frischer Nesselfaser.

(2H Hab ma 's do glei denkt!)

Karlchen

*

Die „Aviatileuse"

Um der Entente den Sieg noch vor Eintritt
der diesjährigen Winter-Saison zu ermöglichen,
melden sich jetzt in England auch Krauen zum
Flugdienst.

Die weiblichen Flugzeuge werden, wenn sie
aus der Kabrik kommen, zuerst noch von einem
Damenschneider in die Kur genommen. Dem
Schwänze hängt er eine lange Schleppe an, die
Flügel werden mit durchbrochenem Blusenstoff
überzogen, dem Motor zwei mächtige Pleureusen
aufgesteckt. Für zarte Nerven, die den Benzin-
geruch nicht vertragen, wird der Motor mit Parfüm
getrieben.

Wer nicht mit Fliegerbomben umzugehen weiß,
erhält Knall-Bonbons. Stößt eine „Aviatikeuse"
auf einen feindlichen Flieger, so ruft sie ihn an:
„Please, mein Herr, stürzen Sie ab!" — „Bitte
sehr, nach Ihnen!" knallt's zurück.

Als erste Kampffliegerin flog Miß Pabbleburns
aus Bristol auf. „Gut Glück! Fallen Sie nicht!"
rief man ihr zu. — „Darüber bin ich hinweg:
mein Fall dient bereits seit vorigen Herbst bei
den Königsdragonern!" Und jubelnd stieg die
„eiserne Lerche" in die Lüfte. v. Fr.

Wahres Geschichtchen

Als während der großen Vffensive die Begriffe
„mein und dein" nicht allzu sehr feststehend waren,
„eroberten" zwei Fahrer meiner Batterie die Kuh
einer auf einen Augenblick neben uns rastenden
vreußischen Flakbatterie. Leider wurde sie entdeckt
und unter dem Siegesgeheul der Preußen sowie
unter energischer Beschwerde ihres Batterieführers
wieder zurückgeholt.

wenige Minuten später hörte ich die entrüstete
Stimme meines getreuen Burschen: „Ja, lserrgott-
sakra, jetzt Ham uns die Sauxreißn „unfa" Kuah
gstohl'nl"

Das hungrige Kind

2ch Hab einen kleinen Bruder, den auält
Ein gräßlicher Appetit:

Wieviel er auch zu essen erhält,

Er wird nicht satt damit.

Er tunkt die Finger schon in den Brei,

Der noch am Feuer steht,

Und herzerschütternd tönt sein Schrei,

Weil's ihm zu langsam geht.

Und immer schielen die Augen noch
Nach neuen Happen im Rund . . .

Wie stopf ich dem hungrigen Kinde doch
Den immer offenen Mund?

2ch hab's. Ich kenne Kinder genau —
Abwechslung ist beliebt!

Er braucht eine andere Kinderfrau,

Damit er Ruhe gibt.

Wenn statt des Fräulein Radoslawow,
Auf die er nicht hören will,

Das Fräulein Malinow kommt,— ich hoff',
Dann wird er ein Weilchen still.

A. I*. ».

*

Oer Sammelhafen

In einem Dorfe bei München hatte die Gen-
darmerie ein besonders scharfes Augenmerk auf die
Milchhamsterer, die, wie der Herr Wachtmeister mit
wachsendem Unmut bemerkte, in letzter Zeit immer
häufiger wurden. Um ihnen nun das Handwerk
gründlich zu verleiden, erbat er sich vom Bezirks-
amt die Genehmigung zur Anschaffung eines großen
Lmailhafens um 37 M., stellte diesen am nächsten
Sonntag bei Abgang des Nachmittagszuges am
Bahnhof auf und ließ jede Person, die mit einem
Milchkübel die Bahnsteigsperre passieren wollte, vor-
her den Inhalt in den Sammelhafen schütten. Mit
ersichtlichem Stolz auf seine Erfindung sah er, wie
sich auf diese weise der Hafen mehr und mehr
füllte. Jeder Hamsterer lieferte nach dem Beispiel
seines Vormannes, wenn auch widerwillig, so doch
ohne viele Umstände seine Beute ab, nur der Huber
Nazi zeigte kein Verständnis für den Sinn dieser
Vorrichtung und wollte ohne weitere Beachtung des
aufgestellten Hafens mit seinem Kübel zum Zuge
hinaus, „Halt! donnerte ihn der Wachtmeister an,

»llnsa Ächcckin will koa Milli geb'n « jetzt woast ih
netz muast ih an viechüokta hol'n oöa an Ächanüarm/

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„zuerst da her zu mir!" „Ja, muß ich denn auch mein'
Sach' da hineinschütten?" fragte ungläubig der Nazi.
„Meinst vielleicht, für dich brat' man eine eigene
Wurst?" lachte spöttisch der Wachtmeister. „Na,
mir kann's recht sein," meinte darauf ruhig der
Nazi und goß unter schallendem Gelächter der Um-
stehenden — seine Brennsuppe in den Milchhafen
des Herrn Wachtmeisters.

»

An die Muse

Der Gedanke, eine neue Kaiser- und Volkshymne
an die Stelle des der englischen Nationalhymne ent-
lehnten Liedes „Heil Dir im Siegerkranz" zu setzen,
ist auf so fruchtbaren Boden gefallen, daß dem preuß.
Abgeordnetenhause schon rund 3280 Neudtchtungen »u-
gegangen sind.

Heil Dir im Musenkranz,

Kartoffel und Heringschwanz,

Heil, Muse Dir!

Wird Dir's auch mancl>mal schlecht,

Wenn man so radebrecht,

Mache Dir nichts daraus!

Heil, Muse Dir!

Nicht die Papyrusnot,

Nicht ein Zensurverbot
Hemmen die Flut.

Großmutter, Mutter, Kind,

Vater und Hausgesind'

Dichten drauf los mit Macht,

Daß 's nur so kracht!

Weine drum, Muse, nicht!

Trübe nicht Dein Gesicht!

Zeige Humor!

Mach' nicht die Äuglein naß!

Kauf' Dir ein Tintenfaß,

Feder und Blei und Kitt

Und dichte mit! Kärtchen

Oer neue Bauernschreck

Zahlreiche ländliche Gemeindeverwaltungen er-
lassen Anzeigen, in denen sie Sommerfrischler
warnen, die betreffenden Orte aufzusuchen. Nach-
stehend geben wir eine Muster-Anzeige wieder:

Warnung vor Dippelskirchen.

Hier werden heuer nur Fremde mit eigenem
Proviantwagerl ausgenommen. Wer ohne dieses
kommt, erleidet den schrecklichen Hungertod. Außer
aber, er hat einen Kirmpaten in der Ukraine.
Alle Rucksäcke, Handtaschen, Reisekoffer und leere
Heringstonnen sind beim Gemeindcdiener abzu-
geben. Wer trotzdem beim Hamstern erwischt wird,
erhält 25 Slockschläge (Preußen das doppelte).
Wer dem Schandarm entwischt, den packt sicher
die verheerende Seuche, die seit 5 Wochen bei uns
wütet. Eine 25 Mann starke Raubersgesellschaft
treibt sich auch hier herum. Sie nimmt das, was
die hohe Obrigkeit übrig gelassen hat. (Friedens-
wnrs bevorzugt: Smoking ausgeschlossen.) An
Nachtruhe ist nicht zu denken: alle Stunden platzen
einheimische Freudenböller los, weil das Pfund
Butter hinten herum auf 20 Mark gestiegen ist.

Ohne Marken ist überhaupt gar nix zu haben.

bl 8. Sollte jedoch noch im Laufe des Sommers
der Friede kommen, dann empfehlen wir den
hochgeehrten Herrschaften unsere ozonhaltige Luft,
geringe Sterblichkeitsziffer, exquisite Küche und die
überaus geniüllichen Sitten der Bewohner. Mäßige
Preise (Berliner Extraermäßigung).

Der Bürgermeister
gez. c. Fr.

Kleines Gespräch

„Hast schon gehört, Kamerad? von daheim
ist paketsperre ins Feld."

„Gottfeidank! Da ist man wenigstens vor dem
,Buchenlaub' sicher!"
Register
[nicht signierter Beitrag]: Der Sammelhafen
[nicht signierter Beitrag]: Kleines Gespräch
[nicht signierter Beitrag]: Wahres Geschichtchen
Karlchen: An die Muse
C. Fr.: Die "Aviatikeuse"
Theo Waidenschlager: Dilemma
C. Fr.: Der neue Bauernschreck
Karlchen: Das verhexte Bildnis
A. D. N.: Das hungrige Kind
 
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