Grenadiere der bayer. Stoßtruppe
„Schweig!" herrscht der Fischer das Mädchen an.
„Ein paar Tage nach, und dann soll ich Dir
wieder zu Willen sein —"
„Das Maul hältst Du, dreckiges Schaf, mit
Deiner verfilzten Wolle!"
Da schleicht Pia bitterlich weinend heimwärts.
Adamo schleudert die zerbissene Zigarre ins
Wasser, reckt sich ein paar Mal unwillig und be-
ginnt trotzig laut ein neues Lied.
Triumphierend wendet sich droben im Pen-
sionsgarten Frau Doris an ihren kaltblütigen
Nachbarn.
„Was habe ich vor kaum fünf Minuten be-
hauptet, Herr Söhngen? Adamo wird nochmals
singen! Hören Sie? Doch nur still jetzt," ihre
Stimme verhaucht, „still!"
*
Linfame Reife
Wie entglitten jene Tage!
voll von Zugend, grenzenlos —
voll von Sturm, von lauter Frage,
Und das Leben schien so groß.
Run treibst du auf engem wegen,
Deinem Schicksal untertan.
Will es Unheil! will es Segen?
Ist es wissen? Ist es wahn?
Dft erlahmt dir fast die Schwinge.
Grau preßt dich des Alltags Rleid.
Aber noch im kleinen Dinge
Siehst du ein Stück Lwigkeit.
Still umrauscht von grünen Rränzen,
Leid und Liebe tief vertraut,
Schreitest du bis zu den Grenzen,
wo die letzte Sehnsucht blaut.
Trägst du Rarben auch und Wunden,
Rimm sie als willkomm'ne Zier!
So nur hast du heimgefunden
Und bist wieder ganz in dir.
wie an jenem fernen Tage,
Da das Leben dich entließ
Und mit seinem ersten Schlage
Tausend Wunder dir verhieß.
Hans Friedrich
Oskar Orsck jRrisgsmaler)
Der Ramsch Haufen
Bon Robert Grötzsch
Ob das wohl 'ne Art ist! Ob das wohl einer
versteht, daß sich ein gesetzter Herr, wie der alte
Joachim, plötzlich als Lümmel benimmt und harm-
lose Leute beschimpft!
Nein, also wirklich, es ist schon wie die Anna
sagt. Man könnte sich in die große Zehe beißen,
sagt die Anna, seine Haushälterin, die rotblonde.
Man ist zwanzig Jahre lang um den alten Kracher
und seine Bücher gewesen, man hat seinen Boll-
bart wachsen und grau werden sehen, tagelang
kann er still wie ein Maulwurf auf seinem Schreib-
tisch wühlen — und nun geht er eines Tages auf
den Markt hinunter, wird dort plötzlich munter,
donnert die Leute an, flucht und schimpft wie ein
Betrunkener. Ob das wohl einer versteht?
Ob das wohl einer versteht' Früh geht Herr
Joachim spazieren, harmlos, langsam mit dem Stock
bergab stackend. Nichts Verdächtiges merkt man
ihm an, gar nichts. Geht den Berg hinab und
gerät kurz vor dem Marktplatz in einen Hof, wo
alte Möbel versteigert werden. Alte Biedermeier-
schränke. Ein geblümtes Kanapee. Bettstellen, die
man knarren hört, wenn man sie ansieht. Ein
Kinderbett, aus dem es noch wie Lachen und Lallen
klingt. Ein Spinett. Eine Kommode, deren halb-
offene Fächer nach Luft schnappen. Verblichene
Familienphotographien. Haussegen. EineKuckucks-
uhr. Bilder, auf denen der alle Fritz daher sprengt
und Blücher an der Spitze preußischer Garden reitet.
522
„Schweig!" herrscht der Fischer das Mädchen an.
„Ein paar Tage nach, und dann soll ich Dir
wieder zu Willen sein —"
„Das Maul hältst Du, dreckiges Schaf, mit
Deiner verfilzten Wolle!"
Da schleicht Pia bitterlich weinend heimwärts.
Adamo schleudert die zerbissene Zigarre ins
Wasser, reckt sich ein paar Mal unwillig und be-
ginnt trotzig laut ein neues Lied.
Triumphierend wendet sich droben im Pen-
sionsgarten Frau Doris an ihren kaltblütigen
Nachbarn.
„Was habe ich vor kaum fünf Minuten be-
hauptet, Herr Söhngen? Adamo wird nochmals
singen! Hören Sie? Doch nur still jetzt," ihre
Stimme verhaucht, „still!"
*
Linfame Reife
Wie entglitten jene Tage!
voll von Zugend, grenzenlos —
voll von Sturm, von lauter Frage,
Und das Leben schien so groß.
Run treibst du auf engem wegen,
Deinem Schicksal untertan.
Will es Unheil! will es Segen?
Ist es wissen? Ist es wahn?
Dft erlahmt dir fast die Schwinge.
Grau preßt dich des Alltags Rleid.
Aber noch im kleinen Dinge
Siehst du ein Stück Lwigkeit.
Still umrauscht von grünen Rränzen,
Leid und Liebe tief vertraut,
Schreitest du bis zu den Grenzen,
wo die letzte Sehnsucht blaut.
Trägst du Rarben auch und Wunden,
Rimm sie als willkomm'ne Zier!
So nur hast du heimgefunden
Und bist wieder ganz in dir.
wie an jenem fernen Tage,
Da das Leben dich entließ
Und mit seinem ersten Schlage
Tausend Wunder dir verhieß.
Hans Friedrich
Oskar Orsck jRrisgsmaler)
Der Ramsch Haufen
Bon Robert Grötzsch
Ob das wohl 'ne Art ist! Ob das wohl einer
versteht, daß sich ein gesetzter Herr, wie der alte
Joachim, plötzlich als Lümmel benimmt und harm-
lose Leute beschimpft!
Nein, also wirklich, es ist schon wie die Anna
sagt. Man könnte sich in die große Zehe beißen,
sagt die Anna, seine Haushälterin, die rotblonde.
Man ist zwanzig Jahre lang um den alten Kracher
und seine Bücher gewesen, man hat seinen Boll-
bart wachsen und grau werden sehen, tagelang
kann er still wie ein Maulwurf auf seinem Schreib-
tisch wühlen — und nun geht er eines Tages auf
den Markt hinunter, wird dort plötzlich munter,
donnert die Leute an, flucht und schimpft wie ein
Betrunkener. Ob das wohl einer versteht?
Ob das wohl einer versteht' Früh geht Herr
Joachim spazieren, harmlos, langsam mit dem Stock
bergab stackend. Nichts Verdächtiges merkt man
ihm an, gar nichts. Geht den Berg hinab und
gerät kurz vor dem Marktplatz in einen Hof, wo
alte Möbel versteigert werden. Alte Biedermeier-
schränke. Ein geblümtes Kanapee. Bettstellen, die
man knarren hört, wenn man sie ansieht. Ein
Kinderbett, aus dem es noch wie Lachen und Lallen
klingt. Ein Spinett. Eine Kommode, deren halb-
offene Fächer nach Luft schnappen. Verblichene
Familienphotographien. Haussegen. EineKuckucks-
uhr. Bilder, auf denen der alle Fritz daher sprengt
und Blücher an der Spitze preußischer Garden reitet.
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