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Schweizer Bergdorf

Franz Hoch, geboren 25. Mai 1869 in Freiburg i. B.,
gefallen 18. Juni 1916 in den Vogesen.

Antwortlos frage ich.
llnkermbar faßt es mich/

Durchdringt, erschüttert mich
Stummen, beherrscht es mich:
llngrenzbar schauerlich.

Daß ich Dich
Dort denken muß.

Dort?

- Dich?

*

Ein Brief von Hugo Zuckermann

dem Dichter des bekannt. „Reiterliedes" an seine Gattin

Geboren 15. Mai 1881 zu Eger, verwundet im
Dez. 1914 am Duklapaß, gest. an den Verwun-
dungen 23. Dez. 1914 in seiner Heimatstadt Eger.

Geliebtes FrauerlI

Ich benütze den Rasttag, — man möchte gar
nicht glauben, daß der Weltslurm einen Augenblick
den Ateni anhalten Kann, — um mit Dir ein
wenig zu plaudern.

Ich liege in einer Baucrnhütte, von deren Er-
bärmlichkeit, Enge, Gestank und Flicgenplage Du
Dir Kein Bild machen kannst und betrachte durch

ein paar Löcher, die der Feind durchs Dach schoß,
den Himmel, der so gleichgültig schläfrig herunter-
blaut, wie auf einem Familienausflug am phili-
strösesten Kleinstadtsonntag. Me Baume sind gelb-
gefleckt lurd atmen feuchten Dunst. Es liegt wie
Krankheit in der Luft.

Bor ein paar Tagen gab's Schnee, bei Tag
flog's uns lustig um die Ohren, und wir aßen
lachend „Gefrorenes", einer vom Tornister des
andern. Aber abends, wenn wir am nackten,
kalten Felde lagen, fröstelnd in die durchnäßten
Mäntel gehüllt, ohne Dach, ohne Feuer — da
dachten wir der warmen Heimat mit wehem,
wundem Herzen und Deine traute warme Nähe,
— wohltätig mild wie ein guter Stubenofen, Hab
ich oft im Scherz gesagt — die ging mir sehr ab.

Wir haben viel Böses hinter uns, das können
wir mit dem Stolz des Siegers sagen, der Müh-
sal überwand. Neun Marschtage, zu 40 Kilometer
täglich, durch knietiefen Kot, ohne einen Bissen
Trank und Nahrung, Schlaf (?) am freien, nassen
Feld, täglich Kugelgrüße vom Feind, den wir von
Ort zu Ort treiben, und dennoch ungebrochener
Mut, hochgehobcne Stimmung, Kampfcsfreude
und felsenfestes Ausharren der braven Truppe.

Leider nmß ich Dir auch etwas Trauriges mel-
den, damit Du Dich nicht umsonst freust. Mein

liebes armes Pferderl, das ich Dir mitbringen
wollte, ist leider tot. Es war so schlank, mit zar-
ten Knöchelchen, ein selten schönes Tier, kohl-
schwarz, ich Hab' es „Tinterl" genannt, und gut
voni Herzen wars. Ich streichelte ihm täglich den
Rücken und freute mich, wie Du darauf reiten
wirst.

Bor einigen Tagen lag ich mit der Kompagnie,
die ich kommandiere, bei Nacht im freien Feld
auf Wache, uns gegenüber blitzten die Lichter des
Feindes.

Ich schickte das Pferd in ein Häuschen hinter der
Front und dachte an Dich, wie oft Du Dich ge-
kränkt hast, wenn arme Hunderl ohne Dach waren.

Der Feind hatte uns bald erspäht, und heulend
und krachend flogen Kanonenkugeln über unseren
Kopf, doch ohne Schaden.

Ins Haus hinter uns schlugen sie schmetternd
ein, und am anderen Morgen fanden wir das
Pferderl und den Pferdewärter tot.

Auch ein schöner Mantel, den ich aus Ruß-
land für Dich brachte und imnier bei mir aufs
Pferd geschnallt trug, ging zu Grunde.

Hoffentlich ist das der letzte Schaden. Ich sehe
aus wie ein Bettler, die Kleider zerfetzt, Zwicker
zerschlagen, ein langer, ergrauter Bart flattert um
meine Schultern im Wind. Armes Frauerl, Du

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Franz Xaver Hoch: Schweizer Bergdorf
Hugo Zuckermann: Ein Brief
 
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