und jeder wollte doch nur seinen Protektor ins
Kuratorium bringen.
„Meine Herren," unterbrach der Stifter schließ-
lich die Streitenden. „Sind wir nun fertig? Das
Kuratorium kann doch später fcstgestellt werden.
Erst müssen die Betreffenden doch wollen. Herr
Godulla, was möchten Sie sagen?"
Der junge, polnische Kubist sprudelte: „Etwas
serr Wichtiges! Ich bin für-Genuß von Erbschaft
schon vor dem Tode! Jawohl! Vor Guido Mau-
rus' Tode!"
Der Erblasser sah ihn entsetzt an. „Bei meinen
Lebzeiten wollen Sie — ?"
„Warum nicht?! Wir haben ja sonst alle nichts
davon! Weder Sie, noch wir! Eie können noch
30 Jahre leben» und wir werden alt sein, wenn
wir Ihr Geld haben! Nein, das Testament von
Guido Maurus soll den Tod bezwingen! So
spreche ich! Wir werden unsere Triumphe mit dem
Lebendigen feiern! Maecenas redivivus! Was
nüht es, wenn wir einen Kranz auf sein herbst-
liches Grab legen?"
Es fröstelte Guido Maurus wieder. Während
die andern beifällig murmelten, verschaffte er sich
Gehör: „Pardon, meine Lieben! Ich lebe ja
schließlich auch von meinem Gelde, nicht wahr?
So lange ich sie genießen kann, genieße ich
selbstverständlich die Zinsen meines Vermögens!"
Seine sonst so zarte Stimme zitterte zuni ersten
Mal vor Energie. Auch etwas Bitterkeit und
Entrüstung klang darin.
„Nein, Godulla!" rief jetzt der robuste Bild-
hauer Kcrnthaler. „Deine Idee ist Quatsch! Wir
wollen niri)t das Bärenfell verteilen, so lange —!
Pardon, Guido Maurus — Sic verstehen mich
schon!"
Der Erblasser wiegte leidend den grauen Kopf.
„Ich denke, wir vertagen all' die Einzelheiten.
Zunächst muß ein erfahrener Jurist sich der Sache an-
nehmcn. Ich werde heute noch zu Iustizrat Reben-
stock gehen, damit er mir die Sache notariell aufsetzt."
Das klang sicher, man war damit einverstanden.
Guido Maurus aber verlebte nun schwere Tage.
Zweifel rissen ihn hin und her, er blieb ganz ein-
sam und wies jeden Besuch ab. Zum Iustizrat
Rebenstock war er nicht gegangen. Ein guter Geist,
dessen Bild ihn unklar umschwebte, warnte ihn
davor.
Fräulein Klostermann riß ihn plötzlich robust
aus seinen Zweifeln: „Rach Hibschenbroda wollen
Se Sonntag, Herr Stern? Zu Levingers? Das
ist mal vernünftig! Endlich mal was andres als
die hungrigen Künstler!"
Er verzieh ihr die respektlose Deutlichkeit. Es
wurde ein schöner Frühlingssonntag. Guido Mau-
rus fuhr, mit einem Blumenstrauß für Mama
Levinger bewaffnet, nach Hibschenbroda. Es rührte
ihn schon auf der Fahrt, in dieses abgelegene Rest
zu kommen. Spitzweg, dachte er. Lächelnd durch-
schritt er die alten Gassen. Er war elegant und
jugendlicher als je gekleidet. So betrat er das
stattliche Haus, das die Aufschrift „I. S. Levinger
Söhne, Manufakturwaren" trug. Elsbeth geigte
in ihrem Zimmer, lief ihm aber sofort entgegen.
Glücklich stellte sie den Ehrengast ans der Haupt-
stadt ihrer Mutter vor. — „Gott, was for fcheene
Blumen!" rief Mama Levinger.
Mittags erschien der Papa. Er verhielt sich
etwas zurückhaltend, weil er sich über Guido
Maurus' Beruf nicht im Klaren war. Daß man
durch Kunst, die man nicht einmal machte, Geld
verdienen könnte, bezweifelte er.
Joseph und Hulda Rogger kamen — man
ging zu Tisch. Hulda war Guido Maurus'Schwester
— ihr sicherer Instinkt spürte, daß es sich um
keinen flüchtigen Besuch ihres Bruders handelte.
Es war ein grundgemütlicher Sonntag. Und er
wurde wiederholt. Elsbeths Eltern fanden steigendes
Wohlgefallen an Guido Maurus. — „Solch inter-
essanter Mann!" rief Mama Levinger. „Was weiß
er nich alles zu erzählen!" — „Wie heißt interessant?
Gediegen is er!" war Papa Levingers Antwort.
Elsbeth bekam nun öfters Erlaubnis, in die
Hauptstadt zu fahren und unter Guido Maurus'
Schutz Museen und Theater zu besuchen. Das
war ein neues Leben für den alten Junggesellen.
Er wußte kaum noch, wie er seine Freunde ver-
nachlässigte.
So saß er denn eines Tages Papa Levinger
als Freier gegenüber. Eine selige Stunde im
Stadtpark, ein Kuß auf Elsbeths frischen Mund
gab ihm das Recht. Er sprach bescheiden, seiner
Jahre, des möglichen, elterlichen Widerspruches
bewußt. Aber Papa Levinger überraschte ihn:
„Wissen Sie, id) Hab' ja erst kein Vertrauen ge-
habt. Wegen Ihrem Berus, wissen Sie. So'n
Schriftsetzer —"
„Pardon, Herr Levinger — Sdiriftstellerl"
„Scheen. Aber ich weiß ja nu, daß Sie an
Joseph Rogger, Bettfedern en gras, beteiligt sind
— Ihr Schwager hat mir's anvertraut — da
braucht man die Schriftsetzerei nich mehr so schwer
zu nehmen."
„Herr Levinger —"
„Was wollen Sie? Bettfedcrn sind auch kein
schlechter Artikel. Aber etwas muß id) Ihnen
gleich sagen: Ihre ganze Hinterlassenschaft muß
für meine Tod>tcr sid>ergestellt werden. Sie sind
52 Jahre und mein Kind is 22 — Sie verstehen?"
Guido Maurus nickte eifrig und erklärte, daß
Elsbeth felbstverständlid) seine Universalerbin werde.
So war man denn einig. Trotzdein verlebte
Guido Maurus heute noä) eine pcinlidje Stunde.
Während er mit seiner Braut glückselig in dem
alten Levinger'schen Garten umherspazierte, fiel
ihm plötzlich sein anderer, letzter Wille ein, den
er den Freunden zugesagt hatte. Guido Maurus
war nid)t als mutiger Mensch geboren — hier aber
handelte es sid) »m sein Letztes und Eigenstes,
um sein bißchen spätes Glück. Das maä)to ihn in
hohem Grade widerspenstig. Aber er beschwichtigte
sid) — er wollte als edler Mensch seinen Mit-
menschen Edles zutrauen. Sie würden ihn ja nid)t
beim Wort nehmen. Sie würden verzid)ten und
und sich alle nur über sein Glück freuen.
Rach einer schlaflosen Nacht entschloß er sid,.
Er rief die Freunde nid)t in seine Wohnung —
das fand er zu physisch grob, er wollte es rein
seelisd) machen. Er schrieb ihnen — allen, die
bei ihm verkehrten — wohl zwanzig schwierige
Briefe mußte er im Sdiweiße seines Angesichtes
sdireiben. Er setzte es ihnen auseinander. Sie
müßten es ja verstehen. Wenn er ihnen nun aud)
sein Erbe entzöge — bei Lebzeiten würde er ihr
treuer Freund und Besd,ützer bleiben....
In sid>tlicher Befreiung wartete er dann auf
die Antworten. Aber sie kamen nid,t. Das täg-
lid)e Beisammensein mit Elsbeth brachte ihn über
die Ungeduld fort, dod> als er von der Höfliä)keit,
ja von der Menschlichkeit seiner Freunde endlid)
Antwort erwarten mußte, kam sie nod) inimer nicht.
Jetzt tobte Guido Maurus. Das war der Dank.
Bei der ersten Gelegenheit, da er Verständnis suchte,
verstand ihn keiner. Man ließ ihn sd>weigende
Verachtung fühlen. Man trat ihn. Man.
Da stand eines nachmittags auf der Straße
der Dichter Wodanshausen vor ihm. Er hatte es
offenbar sehr eilig und wollte grüßend vorbei, aber
Guido Maurus hielt ihn fest. Eine nie gekannte
Energie beseelte ihn. Er fragte zitternd, was denn
los sei. Was den Freunden vom „Bunde" einfalle,
ihn auf solche Briefe ohne Antwort zu lassen?
„Legen Sie wirklid, nod) Wert darauf?" fragte
der Dichter mit hochmütig gekräuselten Lippen.
„Das wundert mich. Sie haben doch inzwischen
einen neuen Menschen angezogen. Sie Können
dod) keine wirklid>e Beziehung mehr zu uns haben.
Weder zur Kunst, nod) zu den Künstlern."
„Weil id, die Fred,heit habe, nod, ein bißd,en
Glück zu finden?!" Guido Maurus brüllte es,
so daß die Leute auf der Straße erschrocken stehen
blieben. Seine Stimme war plötzlich gar nid)t
mehr zart»nd frauenhaft. „Durfte id) nid)t mehr
id, sein?! War id) nur mein Geld?! Habt Ihr
meinen Willen gepachtet?! Bcrwünsd>t sei der
Moloch —!"
„Bitte, bitte! Was fällt Ihnen denn ein?
Wen nennen Sie so?"
„Eud, alle! Aber nein — die Künstler nur,
nid,t die Kunst! Die Kunst ist groß! Ich will
noch leben! Die Künstler mögen tot sein! Aber
die Kunst lebt! Und die Liebe!"
„Id, verstehe Sie nicht. Sie machen einen
anormalen Eindruck."
„Das glaub' ich, daß ihr mich nicht versteht!
Aber nun dank' ich euch, daß ihr mir euren Dank
zeigt! Adieu!"
Guido Maurus ließ den Did)ter stehen und
tobte davon. Er lief zunädist zu seinem Schwager
Rogger. „Alles in Ordnung!" So platzte er in
das Kontor. „Id, habe mit der Bergangenhcil
abgered,net, und in Zukunft bin id) offener Teil-
haber von Joseph Rogger, Bettfedern en gros!"
Der Schwager machte große Augen und freute sid).
Run lief Guido Maurus ins Kaffeehaus, wo
Elsbeth auf ihn wartete. Sie hatte ihn noch nie
so jung und verliebt gesehen. — „Wohin gehen
wir heute Abend?" fragte sie zärtlid). „Ins Theater?
Oder hast Du keine Lust?" — „Doch, dod)l Wir
gehen ins Hoftheater, in ,Herodes und Mariamne'!
Das ist ein wundervolles Stück! Und der Dichter
ist tot!"
Zweikampf
569
Ferdinand Spiegel (Berlin)
Kuratorium bringen.
„Meine Herren," unterbrach der Stifter schließ-
lich die Streitenden. „Sind wir nun fertig? Das
Kuratorium kann doch später fcstgestellt werden.
Erst müssen die Betreffenden doch wollen. Herr
Godulla, was möchten Sie sagen?"
Der junge, polnische Kubist sprudelte: „Etwas
serr Wichtiges! Ich bin für-Genuß von Erbschaft
schon vor dem Tode! Jawohl! Vor Guido Mau-
rus' Tode!"
Der Erblasser sah ihn entsetzt an. „Bei meinen
Lebzeiten wollen Sie — ?"
„Warum nicht?! Wir haben ja sonst alle nichts
davon! Weder Sie, noch wir! Eie können noch
30 Jahre leben» und wir werden alt sein, wenn
wir Ihr Geld haben! Nein, das Testament von
Guido Maurus soll den Tod bezwingen! So
spreche ich! Wir werden unsere Triumphe mit dem
Lebendigen feiern! Maecenas redivivus! Was
nüht es, wenn wir einen Kranz auf sein herbst-
liches Grab legen?"
Es fröstelte Guido Maurus wieder. Während
die andern beifällig murmelten, verschaffte er sich
Gehör: „Pardon, meine Lieben! Ich lebe ja
schließlich auch von meinem Gelde, nicht wahr?
So lange ich sie genießen kann, genieße ich
selbstverständlich die Zinsen meines Vermögens!"
Seine sonst so zarte Stimme zitterte zuni ersten
Mal vor Energie. Auch etwas Bitterkeit und
Entrüstung klang darin.
„Nein, Godulla!" rief jetzt der robuste Bild-
hauer Kcrnthaler. „Deine Idee ist Quatsch! Wir
wollen niri)t das Bärenfell verteilen, so lange —!
Pardon, Guido Maurus — Sic verstehen mich
schon!"
Der Erblasser wiegte leidend den grauen Kopf.
„Ich denke, wir vertagen all' die Einzelheiten.
Zunächst muß ein erfahrener Jurist sich der Sache an-
nehmcn. Ich werde heute noch zu Iustizrat Reben-
stock gehen, damit er mir die Sache notariell aufsetzt."
Das klang sicher, man war damit einverstanden.
Guido Maurus aber verlebte nun schwere Tage.
Zweifel rissen ihn hin und her, er blieb ganz ein-
sam und wies jeden Besuch ab. Zum Iustizrat
Rebenstock war er nicht gegangen. Ein guter Geist,
dessen Bild ihn unklar umschwebte, warnte ihn
davor.
Fräulein Klostermann riß ihn plötzlich robust
aus seinen Zweifeln: „Rach Hibschenbroda wollen
Se Sonntag, Herr Stern? Zu Levingers? Das
ist mal vernünftig! Endlich mal was andres als
die hungrigen Künstler!"
Er verzieh ihr die respektlose Deutlichkeit. Es
wurde ein schöner Frühlingssonntag. Guido Mau-
rus fuhr, mit einem Blumenstrauß für Mama
Levinger bewaffnet, nach Hibschenbroda. Es rührte
ihn schon auf der Fahrt, in dieses abgelegene Rest
zu kommen. Spitzweg, dachte er. Lächelnd durch-
schritt er die alten Gassen. Er war elegant und
jugendlicher als je gekleidet. So betrat er das
stattliche Haus, das die Aufschrift „I. S. Levinger
Söhne, Manufakturwaren" trug. Elsbeth geigte
in ihrem Zimmer, lief ihm aber sofort entgegen.
Glücklich stellte sie den Ehrengast ans der Haupt-
stadt ihrer Mutter vor. — „Gott, was for fcheene
Blumen!" rief Mama Levinger.
Mittags erschien der Papa. Er verhielt sich
etwas zurückhaltend, weil er sich über Guido
Maurus' Beruf nicht im Klaren war. Daß man
durch Kunst, die man nicht einmal machte, Geld
verdienen könnte, bezweifelte er.
Joseph und Hulda Rogger kamen — man
ging zu Tisch. Hulda war Guido Maurus'Schwester
— ihr sicherer Instinkt spürte, daß es sich um
keinen flüchtigen Besuch ihres Bruders handelte.
Es war ein grundgemütlicher Sonntag. Und er
wurde wiederholt. Elsbeths Eltern fanden steigendes
Wohlgefallen an Guido Maurus. — „Solch inter-
essanter Mann!" rief Mama Levinger. „Was weiß
er nich alles zu erzählen!" — „Wie heißt interessant?
Gediegen is er!" war Papa Levingers Antwort.
Elsbeth bekam nun öfters Erlaubnis, in die
Hauptstadt zu fahren und unter Guido Maurus'
Schutz Museen und Theater zu besuchen. Das
war ein neues Leben für den alten Junggesellen.
Er wußte kaum noch, wie er seine Freunde ver-
nachlässigte.
So saß er denn eines Tages Papa Levinger
als Freier gegenüber. Eine selige Stunde im
Stadtpark, ein Kuß auf Elsbeths frischen Mund
gab ihm das Recht. Er sprach bescheiden, seiner
Jahre, des möglichen, elterlichen Widerspruches
bewußt. Aber Papa Levinger überraschte ihn:
„Wissen Sie, id) Hab' ja erst kein Vertrauen ge-
habt. Wegen Ihrem Berus, wissen Sie. So'n
Schriftsetzer —"
„Pardon, Herr Levinger — Sdiriftstellerl"
„Scheen. Aber ich weiß ja nu, daß Sie an
Joseph Rogger, Bettfedern en gras, beteiligt sind
— Ihr Schwager hat mir's anvertraut — da
braucht man die Schriftsetzerei nich mehr so schwer
zu nehmen."
„Herr Levinger —"
„Was wollen Sie? Bettfedcrn sind auch kein
schlechter Artikel. Aber etwas muß id) Ihnen
gleich sagen: Ihre ganze Hinterlassenschaft muß
für meine Tod>tcr sid>ergestellt werden. Sie sind
52 Jahre und mein Kind is 22 — Sie verstehen?"
Guido Maurus nickte eifrig und erklärte, daß
Elsbeth felbstverständlid) seine Universalerbin werde.
So war man denn einig. Trotzdein verlebte
Guido Maurus heute noä) eine pcinlidje Stunde.
Während er mit seiner Braut glückselig in dem
alten Levinger'schen Garten umherspazierte, fiel
ihm plötzlich sein anderer, letzter Wille ein, den
er den Freunden zugesagt hatte. Guido Maurus
war nid)t als mutiger Mensch geboren — hier aber
handelte es sid) »m sein Letztes und Eigenstes,
um sein bißchen spätes Glück. Das maä)to ihn in
hohem Grade widerspenstig. Aber er beschwichtigte
sid) — er wollte als edler Mensch seinen Mit-
menschen Edles zutrauen. Sie würden ihn ja nid)t
beim Wort nehmen. Sie würden verzid)ten und
und sich alle nur über sein Glück freuen.
Rach einer schlaflosen Nacht entschloß er sid,.
Er rief die Freunde nid)t in seine Wohnung —
das fand er zu physisch grob, er wollte es rein
seelisd) machen. Er schrieb ihnen — allen, die
bei ihm verkehrten — wohl zwanzig schwierige
Briefe mußte er im Sdiweiße seines Angesichtes
sdireiben. Er setzte es ihnen auseinander. Sie
müßten es ja verstehen. Wenn er ihnen nun aud)
sein Erbe entzöge — bei Lebzeiten würde er ihr
treuer Freund und Besd,ützer bleiben....
In sid>tlicher Befreiung wartete er dann auf
die Antworten. Aber sie kamen nid,t. Das täg-
lid)e Beisammensein mit Elsbeth brachte ihn über
die Ungeduld fort, dod> als er von der Höfliä)keit,
ja von der Menschlichkeit seiner Freunde endlid)
Antwort erwarten mußte, kam sie nod) inimer nicht.
Jetzt tobte Guido Maurus. Das war der Dank.
Bei der ersten Gelegenheit, da er Verständnis suchte,
verstand ihn keiner. Man ließ ihn sd>weigende
Verachtung fühlen. Man trat ihn. Man.
Da stand eines nachmittags auf der Straße
der Dichter Wodanshausen vor ihm. Er hatte es
offenbar sehr eilig und wollte grüßend vorbei, aber
Guido Maurus hielt ihn fest. Eine nie gekannte
Energie beseelte ihn. Er fragte zitternd, was denn
los sei. Was den Freunden vom „Bunde" einfalle,
ihn auf solche Briefe ohne Antwort zu lassen?
„Legen Sie wirklid, nod) Wert darauf?" fragte
der Dichter mit hochmütig gekräuselten Lippen.
„Das wundert mich. Sie haben doch inzwischen
einen neuen Menschen angezogen. Sie Können
dod) keine wirklid>e Beziehung mehr zu uns haben.
Weder zur Kunst, nod) zu den Künstlern."
„Weil id, die Fred,heit habe, nod, ein bißd,en
Glück zu finden?!" Guido Maurus brüllte es,
so daß die Leute auf der Straße erschrocken stehen
blieben. Seine Stimme war plötzlich gar nid)t
mehr zart»nd frauenhaft. „Durfte id) nid)t mehr
id, sein?! War id) nur mein Geld?! Habt Ihr
meinen Willen gepachtet?! Bcrwünsd>t sei der
Moloch —!"
„Bitte, bitte! Was fällt Ihnen denn ein?
Wen nennen Sie so?"
„Eud, alle! Aber nein — die Künstler nur,
nid,t die Kunst! Die Kunst ist groß! Ich will
noch leben! Die Künstler mögen tot sein! Aber
die Kunst lebt! Und die Liebe!"
„Id, verstehe Sie nicht. Sie machen einen
anormalen Eindruck."
„Das glaub' ich, daß ihr mich nicht versteht!
Aber nun dank' ich euch, daß ihr mir euren Dank
zeigt! Adieu!"
Guido Maurus ließ den Did)ter stehen und
tobte davon. Er lief zunädist zu seinem Schwager
Rogger. „Alles in Ordnung!" So platzte er in
das Kontor. „Id, habe mit der Bergangenhcil
abgered,net, und in Zukunft bin id) offener Teil-
haber von Joseph Rogger, Bettfedern en gros!"
Der Schwager machte große Augen und freute sid).
Run lief Guido Maurus ins Kaffeehaus, wo
Elsbeth auf ihn wartete. Sie hatte ihn noch nie
so jung und verliebt gesehen. — „Wohin gehen
wir heute Abend?" fragte sie zärtlid). „Ins Theater?
Oder hast Du keine Lust?" — „Doch, dod)l Wir
gehen ins Hoftheater, in ,Herodes und Mariamne'!
Das ist ein wundervolles Stück! Und der Dichter
ist tot!"
Zweikampf
569
Ferdinand Spiegel (Berlin)