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Deutsche Seemannssprüche

Lwig in Lhren
8rei auf den Meeren
Rühmliche Bahn!

Rühn und besonnen
Hat schon gewonnen
Lhe getan.

Liegen und lauern
Harren und dauern.

Wenn es so not;

Immer gewärtig,

§y: und fertig,

Alles im Lot.

Härtestem Leben
Männlich ergeben.

Todesbereit.

Wagen und wagen,

Treffen und schlagen,

Wenn's an der Seit.

Was in der Stille
Liferner Wille
Weife bedacht —

Grimmig und gründlich.

Unüberwindlich

Sei es vollbracht!

Göttliche Gnade
Lenk' unsre Pfade,

Bleibe uns nah!

Lwig in Lhren,

Frei auf den Meeren,

Deutschland, hurra!

, Albert Matthä!

Unendliches Blau

Von Karl Burger (Wien)

Unendliches Blau ist der Himmel. .. blau!
blau! — o es gibt nicht Worte, diese gewölbte,
liefliefe Bläue zu sagen! Sie ist in Ewigkeiten
blau und dahinter wieder in Ewigkeiten blau;
man verliert seinen Schwerpunkt und versinkt darin,
es erstirbt Lachen und Weinen in dieser unergründ-
lichen, blauen Helligkeit, in dieser ätherischen, blauen
Durchsichtigkeit des Grundlosen ... blau! blau!

Und darunter das blaue Meer!

Eine Insel in dunkclsaftigem Grün schwimmt
im Meer. Scheint zu schweben, scheint zu schaukeln
im blauen Raum, denn ringsum, im Kreise des
Horizonts verfließt, verhaucht das atmende Meer
unendlich zart, geisterhaft mit der unbeweglichen
Bläue der kristallenen Kuppel. Palmen wiegen
sich, aus blauem Nichts aufgetaucht, cmporstrebend
in blaues Nichts. Und sind umspült von Sonne,
sind von tausend Sonnen umhüllt. Und nur
manchmal geht es wie ein großes Atmen, das
aus dem Meeresgrund steigt, durch das Schweigen
und wellt die durchglühte Luft und zaubert weiße,
laufende Schaumbänder, silbernwirbelnde Gischt-
streifen draußen um die Korallenriffe.

Ein Vogelschrei . . . pfeilschnell blitzt es durch
Urwaldwildnis, grellbunte Federn flattern auf und
verschwinden wieder im wirrverschlungenen, grünen
Dickicht. Paradiesvögel, muntere Farbenklexe im
Grün. Und es schließt sich hinter dem eintönigen
Bogelschrei wieder die große Stille wie ein Mund,
der — das Schweigen gewohnt — erschrocken war
über seine eigene Stimme.

Eine kleine Bucht mit felsigem Vorbau. Tote
Seetiere, von der Flut angeschwemmt, und vielerlei
Muscheln mit seltsam geöffneten Mündern, liegen
am Strand. Und es kommen imnier grünliche

Wellenbänder gelaufen, immer im Ansprung und
Zurückweichen wechselnd, kommen herangefingert,
lecken gierig am Stein und fallen müde wieder
zurück, in geheimnisvoll grünviolett-schimmernde
Tiefen. Tag und Nacht singen sie immer das-
selbe monotone Lied. Manchmal lauter, als sänge
ein Chor in der Ferne mit, manchmal leiser.

Unendliches Blau ist der Himmel. . .

Bricht ein Mann aus dem niederen Buschwerk
am Ufer. Beugt links und recl)ts die Zweige zur
Seite und steht einige Augenblicke aufgerichtet,
mit geschlossenen Augen, als badete er seinen
nackten, gehräunten Leib in der Sonne, die eben
einen schrägen Lichtkegel von irgendwoher, durch
die Palmenkronen wirft. Ein feingeschnittenes Ge-
sicht ist unter verwildertem blondem Bart- und
Haupthaar. Eine verwitterte Matrosenmütze sitzt
ihm auf dem Scheitel. Seine Füße sind mit San-
dalen, aus Seetang geflochten, umwunden. Eröffnet
leise den Mund, als tränke er die Sonne in sich
ein mit tiefem Zecherzug. Und nun dehnt er dieArme
steil aufwärts, daß die Muskeln an seinem ganzen
Körper beben. Er schreitet nach vorne, die Dünung
entlang, und wirft sich plötzlich, laut auflachend,
klatschend in die weißbrandende Flut. Kleine grüne
Papageien schwirren erschreckt auf und kreischen.

Draußen teilt der Schwimmer mit kräftigen
Stößen die winzigen Wellenberge, dreht sich im
Wasser, wirft sich auf den Rücken und läßt fiel)
wiegend tragen; pfeilt wie ein Delphin nach vorne,
taucht unter den Spiegel und schießt wieder zur
Höhe, — wüßte ich nicht, daß er es ist, der so
hell und kindlich lacht, ich würde glauben, es
lachten die Fische.

Dann ist er wieder am Ufer und schüttelt sich,
springt umher und pendelt mit den Armen. Und über
seine dunkle Haut rollen, blinkend im Licht, die Was-
sertropfen wie kleine Diamantkügelchen zur Erde.

Jetzt hat er die Hände und die Arme voll
glührot brennender Blüten, — grüne Zweige mit
flammenden Glockenkelchen, — und steht ernst,
mit gesenkter Stirne, vor einem Steinmal, aus
rohen Blöcken aufgetürmt, mit blühenden Zweigen
überladen und geschmückt mit seltenen Muscheln
in vielerlei Windungen und Farben, — steht und
schweigt. Unten, auf einem der Kalksteinblöcke, stehen
mit spitzem Gegenstand eingemeißelt, die Worte:

Meinen am Meeresgrund schlummernden
Kameraden auf „SMS. Seeadler"
zum ewigen Angedenken!

Der letzte Überlebende Georg Fock, Bootsmannmaat.

Wrackhölzer, angeschwemmt aus jener dämo-
nischen Sturmnacht, liegen unter dem Steinmal
und Einer oder Zwei von jenen, die das Meer
tot auf die Inseln gespien. Oben ragt eine Fahne,

eine weiße Fahne, die Tag und Nacht in des
Raumes Weite, leere Weite schreit nach einem
Schiff. Zwei Jahre rief sie vergeblich.

Unendliches Blau ist darüber der Himmel . . .

Bor dem Wohnraum liegt nun der Mann
hingestreckt. Halb Erdhöhle ist der Wohnraum,
ausgepolstert mit Moos von der Rinde der Brot-
fruchtbäume, halb aus Bambusrohren gezimmert,
mit Lianenfäden verflochten. Bon der Feuerstelle
steigt bläulicher Rauch senkrecht zur Höhe. Und
es sitzt dahinter ein dunkelbraunes Weib, mit
schwarzverknotetem Haar, jung, katzengleich ge-
schmeidig in ihren jungen Bewegungen; ihre
Brüste sind samtene Knospcnhügel. Itzre Augen
sind schwarz und klug, und funkeln in der Nacht.
Der Mann nennt sie Liese seit jenem Morgen,
wo er sie draußen, an den Riffen, im Meer trei-
bend fand. Sie war besinnungslos damals, an
einem zerschellten Kanoe angeklammert. Die Nacht
vorher war ein wilder, heißer Orkan, heftig ge-
witternd über die dunkelviolette See gegangen.

„Liese," ruft er und sie hebt erschreckt ihren
Kopf, kauert sich ihm ganz eng zur Seite, und
schließt lächelnd die Augen, wenn seine Hand über
ihre Stirne streicht. „Liese," — und sie saugt ihm
aus den Augen, was er befiehlt; — o er befiehlt
nicht, er bittet nur, wenn er etwas wünscht, aber
sie weiß es nicht anders. Sie versteht seine Sprache
nicht, aber sie sucht seine Gedanken zu lesen. Sie
bereitet Feuer, kennt alle Kräuter und die eßbaren
Knollengewächse, kocht und — einmal sah sie ihn
eine Pfeife wehmütig betrachten, die er aus der
Bluse eines seiner toten Kameraden geborgen:
sie war auf und wie eine Antilope, mit flüchtigen
Sätzen im Dickicht verschwunden. Zwei Tage ver-
gingen. Als sie zurllckkehrte, mit wunden Füßen,
hatte sie beide Hände voll mit gelblichem Gewächs
und gab es ihm; sie lachte mit weißen Perlen-
zähnen, als sie es in feine Pfeife füllte; dann
legte sie sich wieder tiefaufatmend zu seinen Füßen.

In derselben Nacht fragte er sie damals, als
sie in seinen Armen lag und sich an ihn drängte
wie ein schutzsuchendes Kind: „Weißt Du, was
Liebe heißt, Liese?' Sie schwieg und lauschte
gierig auf die Worte seiner Lippen, wie sie immer
schwieg und atemlos lauschte, wenn er zu ihr
sprach, und er sprach oft halbe Nächte lang zu ihr.
Nun mußte er selbst lächeln über seine Frage. Aber
gleich darauf schluchzte er plötzlich. Und es kam wie
ein Echo aus ihrem Mund; sie weinte mit i!>>».

Nacht ... Es gibt keinen Abend über der
Insel. Wenn die Sonne brandrot - verglüht im
Meer, fallen die blauen Schatten dicht aus den
Bäumen und es ist Nacht. Die Sternbilder hängen
tief über den Beiden wie schwergoldene Tropfen.

Die Stimme des Mannes, die tagsüber in
seiner Brust geschlummert, steigt mit den Sternen
herauf, aus der Tiefe, und singt:

„Ehe Du kanrst, Liese, war es so einsam auf
der Insel. Vom Morgen bis zum Abend lag
ich am Strand und immer nur kreiste ein Wort
durch mein Blut: ein Schiff! — ein Schiff! -
In meinen Ohren lag das Wort und summte und
schrie zuweilen. Und meine Augen suchten den
Horizont ab nach einem Segel, nach einer Rauch-
wolke; meine Augen waren rot am Abend und
brannten. In den Nächten weinte ich. Manch-
mal, in langen, langen Zwischenräumen, ging es
wirklich wie eine feine Rauchwolke, ganz draußen,
wo der Himmel ins Meer fällt, vorüber. Nach
Monaten wieder. Vielleicht träumte ich es nur.
Aber wochenlang darnach hatte ich diese Rauch-
wolke in den Nächten vor Augen und stöhnte
wie im Fieber, sprang auf und rannte nach der
Bucht, zwei-, dreimal hintereinander. Weißt Du,
was Sehnsucht heißt? Sehnsucht! Sich sehnen!
— o krank sein vor Sehnsucht!

Ehe Du kamst, Liese, sprach ich mit den
Steinen, mit den Muscheln, mit den Bäumen,
mit den Vögeln ; eine Echse sing ich mir und sprach
mit ihr. Und allen erzählte ich von meiner Hei-
mat. Von den Frauen in den Städten, von ge-
lehrten Männern, von den Glocken über der abend-
lichen Stadt, von engen winkeligen Gäßchen mit
grünen Gaslaternen, von dem Fenster, wo hinter
Blumenstöckchen meine Mutter stand und mir nach-

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Register
Willy Hallstein: Friedensangebot
Albert Matthäi: Deutsche Seemannssprüche
Karl Burger: Unendliches Blau
 
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