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Heimatlos

Colombo Josef Max (Unteroff.)

Allein

Me Stimmen hat öle Nacht vertrieben
Unb alle Farben.

Wach sind nur geblieben
Meine Wundeil und Narbe».

Klub im Dorfe ein Licht bei müder Hand;

Und verschämt eine Sichel am Wegesrand;

Und der weiße Nebel, der den Berg umstellt;
Uiid das graue Allein, das mich im Arme hält.

Hedwig Da»

*

Sommerwege

Der grüne Roggen schwankt im Juiuwliid,

Die Butterblume säumt den schmalen Pfad,
Auf Wiesenflächen grasen Pferd und Rind,
Den Fliegen wehrend hinter Knick und Draht.
Die Sonne, von zerzausten Wolken blind,
Ermattet jäh, ein großer Schatten naht
Und kreuzt den Weg, um vogelgleich geschwind,
Vorbeizuhuschen über Berg und Grat.

Und wieder Sonne. Dicht vor meinem Schritt
Braust plötzlich auf eiii dicker Fliegenschwarm
Und summt ein kleines Weilchen lästig mit.
Umbrummt mich mir abscheulichem Alarm.

Ein Schlag mit meinem Stock, den ich mir schnitt,
Befreit mich schon, Ach, könnte so mein Arm
Zerjchlagei, auch, was jeder jetzt durchlitt.

Das bißchen Leben wäre leicht und warm.

Ein Dorf in Feindesland. Von Busch und Strauch
Üppig umgrünt. Die Häuser unversehrt.

Von Schieferdächern steigt der Mittagsrauch.
Ein Mütterchen vergaß den stillen Herd
Und schaut am Tor, die Hand nach Altersbrauch
Dicht überm Aug, daß sie der Sonne wehrt,
Wie tausend Mütter in der Heimat auch.

Nach einem aus, der niemals wiederkehrt.

wünther Pogge

Die Heimkehr

Legende

Ein Bauer hatte drei Söhne, die unter den
Fahnen des Kaisers standen. Der Älteste von
ihnen lag im Stellungskrieg im südlichen Lande,
der zweite ritt unter den wilden Honveds, der
dritte grub auf feindlichem Boden die Erde mit
dem Spaten um. Der Alte musste nun mit mür-
ben Händen Saat und Ernte bestellen. Die Frau
seines Ältesten, blond und reif wie ein Iulifeld,
half ihm getreu. Oft stand sie wie im Traum
und legte die Hand über die Augen; denn sie
erwartete das erste Kind. Der alte Bauer zwang
kaum die ungewohnte Arbeit, ging hinter dem
Pflug her und seufzte. Eines Tages ruhte er um
Ackerrain und gedachte vergangener Zeiten. Er
blickte dabei auf ein winziges Viereck, das mit
Feldsteinen umgrenzt war. Dieses kleine Stück
Land hatte einst sein Vater als Häusler gekauft
und gerodet. Dann waren seine eignen, kraftvollen
Arme dazugekommen. Der Acker wurde von Land
umgrenzt, das seine drei Söhne wieder durch Fleiß
und Sparsamkeit erwarben. Nun wogten weite,
gelbe Felder, nur der alte Acker des Großvaters
lag brach, denn er bedurfte der Ruhe.

Als der Alte so saß und sann, rannte ein
Knecht über die Felder. In seiner erhobenen Hand
flatterte eine Zeitung. Dem Alten kroch es kalt
über den Rücken. Ja, da stand es nun schwarz
auf weiß: Der Jüngste war gefallen. Der Bauer
starrte auf den brachen Acker wie auf ein Grab.
Da sah er deutlich ein uraltes, gramvolles Gesicht
in den Schollen, das ihn ansah. Voller Grauen
lief er davon.

Der alte Acker aber seufzte: „Wie soll es das
Herz unseres jüngsten Bauern in fremder Erde
aushalten?" Und er raunte leise in die Tiefe.
Da krochen die Maulwürfe, die über die Erde
verbreitet sind, hervor. Eie bildeten, Gang an
Gang, eine Kette über Länder und Wiesen, die
weit hinunter in freundliche Gebiete reichte. Einer
sagte dem andern von dcni Gebot des allen, ehr-
würdigen Ackers. Die es zuletzt empfingen, gru-
ben vorsichtig, mit zarten, rosa Schaufeln das
Herz des Toten aus der fremden Erde, und es
wanderte durch die lange Kette wieder zurück in
die Heimat, wo es der alte Acker empfing und
an seinem Herzen mit Erde umhüllte.

Als der Bauer am nächsten Tag an die
Arbeit ging, wurde ihm seltsam zu Akut. Es
war etwas in dem Acker, das zu ihm redete,
wie die Stimme seines gefallenen Sohnes. Er
fühlte frische Kräfte und schaffte an diesem Tage
für zwei.

Es dauerte nicht lange, da fiel der zweite
Sohn, der mit den wilden Honveds ritt. Am
gleichen Abend saß der alle Bauer auf seinem
Pflug und sah einer Schwalbcnscliar nach, die lan-
zenscharf durch den Abendhimmel schnitt. Da er-
blickte er deutlich wieder das alte, zerfurchte Gesicht
in dem Acker des Großvaters, und es erschien
ihni noch gramvoller in der hereinbrcchendcn Däm-
merung. Mit abergläubischer Scheu bemerkte er
zu gleicher Zeit, wie die Schwalbenschar, einem
geheimnisvollen Rufe folgend, niederglitt und den
alten Acker aufgeregt mit einem dichten Feder-
kranz umgab. Das Grauen schüttelte ihn bis ins
Mark und er lief nach Hause.

Die Schwalben aber schossen pfeilschnell nack)
dem Süden, wo der tote, junge Reiter noch auf
der Bahre lag. Sie zupften leise an seinen Haa-
ren, und jede von ihnen trug ein goldenes Ge-
spinst in die Heimat zurück.

Die alte Bäuerin saß tränenden Auges vor
der Tür und fand keinen Trost. Denn der zweite,
lichtlockige Sohn war der Liebliitg ihres Herzens.
Da sah sie, wie die Schwalben, schwätzend und
zwitschernd, ihre Rester unter den Balken bauten.
Zwischen Halmen und Zweigen glitzerte es hell.
Vor der Seele der Mutter stiegen Tage ferne-
ren Glückes auf, an denen ein froher Knabe auf
ihren Armen zu den Schwalben aufgcjauchzt hatte.
„Qui — witt" schrien die flinken Vögel, und es
klang, als ob die Stimme ihres fröhlichen Kindes
aus den blauen Lüften rief: „Wein nit." Da ver-
siegten die Tränen der armen Mutter. Eines
Tages ging der Alte wieder über die Felder. Er
erwartete den ältesten Sohn, dessen Heimaturlaub
nahe war und freute sich, dem Heimkehrenden
die vollen Scheunen zu zeigen. Die Acker hatten
in diesem Jahre überreich getragen, es war, als
ob unsick)tbare Hände mitgesät hätten. —

Da sah er im Vorübergehen wieder das alte,
grämliche Gesicht aus dem Acker blicken. Er er-
grimmte in Zorn und Angst, sprang in den Acker
und zerstampfte die alte, mürbe Erde, bis nichts
mehr zu sehen war als ein wüstes Durcheinander
von Fußtritten.

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Register
Hedwig Dau: Allein
Else v. Holten: Die Heinkehr
Colombo (Columbus Josef) Max: Heimatlos
Günther Pogge: Sommerwege
 
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