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Mein Weihnachtsbaum

Von eme alde Frankforder

„Weihnachtsbäämche, redd emol,

Dhu merr ebdes sage!

Guck, es is merr gar net wohl
In de legte Dage!

Dhu nach all dem Waffedanz
Trost in merr entfache,
Weihnachtsbaam im Lichterglanz,

Dhu mich frehlich mache!"

Dhat der liewe Weihnachtsbaam
Rausche mit de Zweige:

„Olwel, du! Was soll der Gram?
Laß dich haamwärts geige!

Iwwerall im Heimatland
Brennt der Baam, der hehre,

— Net mehr dies im Unnerschdand
Zwische Mordgewehre!

Net mehr draus in Schnee unn Eis
Friere Baddcr, Brieder.

Selig im Familiekreis
Singt merr Weihnachtslieder.

Net mehr unner Sorje dies
Dhun die Müdder lalle:

Komm zurick net, Weihnachtsbrief,

Mit Vermerl! ,Gefalle* ...

Heut vor viele hunnert Jahr,
Himmlisch auserkore,

Ward in Elend unn Gefahr
E klaa Kind gebore:

War der greeste Freiheitsheld,

Den die Erd' gesehe, —

Heut von Neuem dhut die Welt
Freiheitsluft uniwche!

Unn da reddfte noch von Gram,
Schdatt dich froh zu zeige?"

— Also dhat der Weihnachtsbaam
Rausche mit de Zweige.

Unn verschwunne war mei Weh
Unn verklärt die Schmerze —
„Weihnachtsbaam, ich dank derr scheel
Brennt, ihr Weihnachtskerze!"

Aus Elysium

Dr. Eisenbart selig, der bekanntlich Blinde
gehend und Lahme sehend machen konnte, las in
der Zeitung von Wilsons Aussichten auf den
heurigen Friedenspreis der Nobelstiftung.

„Heiliger Aeskulap!" rief er aus. „Warum
Hab dann ich niemals den Medizinpreis be-
kommen?" I. A. Sowas

Michelei

Der deutsche Michel sitzt und grübelt,

Und großer Schuld klagt er sich an,
Indem er sichs gar sehr verübelt,

Daß man ihn gar nicht leiden kann.

Und Michel rauft sich in den Haaren:
„Gerecht! daß ich den Krieg verlor!

Ich kämpfte gegen Engelscharen!"

Recht gottlos kommt sich Michel vor.

Doch jene kommen ihm entgegen,

Voran Erzengel Clemenceau,

Und sprechen ohne Überlegen
Zu Michel sanft: „Wir sind nicht so!"

Du darfst uns Elsaß dafür geben,
Vielleicht die Pfalz, kurz, was es sei,
Nebst Allem, was du brauchst, zu leben."
Und Michel denkt: „Ich bin so frei."

O, ihr erleichtert mein Gewissen,

Spricht Michel zu der Engelschar,

„Wenn ich erst ganz ins Gras gebissen,
Vielleicht verzeiht ihr's, daß ich's mar.

Jakob Rabenschrei

Und öaS liebe Christkind kam zur yimmelsmutter
und erzählte von seinen Lestellgängen in Ser grossen
Ätaöt. Aber ein Weihnachtsbäumchen brachte es wie-
äer zurück. OaS für die ganz armen Mcgerch die in
üer Dachkammer wohnen. Die MegerS mit öen fünf
hungrigen Würmern.

Nämlich: als öaS ChristkinÜ 1?18 zu öen ganz armen
MegerS kam/ wohnten sie in öer schönen Strasse bei
öen Theatern. Unö hatten einen Türstchec in Livree.

Ser warf öas Lhriftkinö mit feinem Säumchen
hinaus.

*

E. E. Windelbach, der Volksgenosse

Eine Biographie v. Julius Kreis

1894: Geburt in Raczemisl bei Lemberg, im
Heimatlande vieler deutscher Denker und Dichter.
1894—1911: Windelbach erlernt, wie so viele
Mitglieder des deutschen Dichtervolkes das väter-
liche Schnittwarengefchäft.

1911—1912: Lektüre des Gedichtbandes „Vio-
lette Rülpser" des Wiener Poeten Fieselstein.
Beginn der eigenen Produktion. Übersiedlung
nach Wien zu Meister Fieselstein. Fieselstein
ist indessen nach ruhmreicher Dichterlaufbahn
Agent des christlichen Begräbnisvereins „Pieta“
geworden und lehnt in dieser gehobenen Lebens-
stellung alte Beziehungen zur deutschen Literatur
ab. — Windelbach gründet infolgedessen eine
Firma — Pardon — Richtung auf eigene Rech-
nung und nennt sie die „Blemblemisten".

1913: Die Frage der Übersiedlung in andere
Kulturzentren wird akut, da der Zählkellner
Stefan, eine in der deutschen Literaturgeschichte
viel zu wenig gewürdigte Persönlichkeit, auf
die Begleichung von 40 Schalen „Haut" dringt.
Entschluß: München, der geeignete Boden für
Windelbachs.-BleNiblem.

Ankunft daselbst als hunderttausend ft er
Fremder. Infolgedessen Überreichung eines
silbernen Münchner-Kindlmaßkrugs mit einge-
bautem Schäfflertanzfpielwcrk durch den Ober-
bürgermeister an E. E. Windelbach. Ankunft
des Kruges im städtischen Leihamt. Bekannt-
werden Windelbauers mit dem Mücsn und
Selchermeisterssohn Ferencz Ludany aus Buda-
pest, wohnhaft in München, Leopoldstraße.
Ferencz Ludany Blemblemist
Erscheinen der „blemblemistischen Blätter". Ge-
druckt auf indische Seide, gebunden in Ichthyo-
saurusleder, herausgegeben von E. E. Windel-
bach und Ferencz Ludany. 3 Abonnenten,
7 Leser, 130 Mitarbeiter.

1914: Kriegsausbruch, Ärztliches Zeugnis über
Plattfüße, Blähhals, Engbrüstigkeit und Leiftcn-

bruch. Der Stabsarzt verzichtet auf Windel-
bachs Mitwirkung am Weltkrieg. In den
Blemblemisten - Blättern Gedichte von E. E.
Windelbach: „Hymne an den Kämpfer", „Die
Schönheit des Schreckens", „Hajo, Hajo, im
Weltenbrand. Hajo!"

Übersiedlung Ferencz Ludanys und E. E. Windel-
bachs in die Schweiz, da Gerüchte über Nach-
musterungen.

1915: „Geherter Herr Windelbach I Indem daß
ich jetzter Ihre neuhe Schweizerische Wonung
erfahren Hab, ersuche ich Sie tringenzt daß Sic
den Zins für Juli und August schicken, den
wo Sie mir noch schuldig sind, da mein Mann
im Feld ist. Mit Grus. Anna Maier, Hausfrau."

1916. „E. E. Windelbach: „Deutschland."
Bekenntnisse eines Deutschen. — Genf 1916
geb. 3 Fr. / brach. 2 Fr. Ausgabe v. Adolphe
Gentilhomme.

Das «Journal äs 6snevs> schreibt: Mit
flammendem Bekennermut zeigt uns hier ein
Deutscher, ein bocke selbst, die Eiterbeulen seines
Volks. Darum, Frankreich, harre aus im Kampf
gegen den Drachen! — Das Buch verdient in
den Ländern der Entente weiteste Verbreitung. —
„Gcherter Herr Windelbach, bittschön, indem
daß ich darauf angewissen bin indem mein Mann
im Feld ist und 4 Kinder sind da, ersuche ich
nochmal um die Miehte für Juli undAugust 1914.
Mit Grus. Anna Maier."

1917. E.E.Windelbach „Bocbiana“. Genf 1917.
Der „Matin" schreibt: Mit beißender Ironie
gibt uns hier ein Deutscher das Bild des deut-
schen Hunnen wieder .. . Dorum Kampf bis zur
Ausrottung! —

1918. „Gcherter Herr Windelbach! Nochmal er-

greife ich die Feder, indem ich Sie ersuche mir
die Miehte für Juli und August 1914 zu
schicken, und bin ich sehr darauf angewiessen.
Mit Grus. Anna Maier."

Brief Windelbachs nach Schwabing: . . .
„Noä> immer dicke Luft? Gebt Nachricht . . ."
Ankunft Windclbachs, nun „Hermann Vogel-
fang" in München. — Merkwürdigerweise kein
silberner Münchnerkindlmaßkrug mit Oberbür-
gcrnieistcr am Bahnhof. — Windelbach als
tip-topfte Maske beim Kostümfest zur Gründung
eines neuen Lebenspathos.

Todesanzeige: Den Heldentod starb bei der gro-
ßen Frühjahrsoffensive unser lb. Mann und
Vater Hans Maier, Sätloffer. Inh. des Eiser-
nen Kreuzes. Anna Maier, Witwe mit ihren
4 unmündigen Kindern. —

Windelbach in Bad Reichenhall zur Sommcr-
frische. Mit Bankier Lehmann-Berlin gemein-
sam zwei Zentner Butter erhamstert, das Pfund
zu 25 Mark.

Abfall Bulgariens und Oesterreich-Ungarns. —
Windelbaäi in München. Diskussionsredner
in den Volksversammlungen.

Die Revolution. — E. E. Windelbach ver-
öffentliäit nach 8 Tagen in einer Extraausgabe
der Blemblemisten-Blätter, nunmehr „Neues
Land" einen Aufruf: Volksgenossen! Arbeiter
ihr! Bauern ihr! Soldaten ihr! In Blut und
Wunden habt ihr 4 Jahre lang Unsägliches
ertrugen und als Betrogene euer bestes Man-
nestum hingegeben. Nun kommen wir zu euch.
Volksgenossen, Brüder. . . und so weiter. —
E. E. Windelbach, deutscher Dichter, Denker
und — Volksgenosse.

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Vcrlag der „JUG E X I> , München

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[nicht signierter Beitrag]: Märchen vom Tag
J. A. Sowas: Aus Elysium
Der alde Frankforder: Mein Weihnachtsbaum
Arpad Schmidhammer: Illustration zum Text "Märchen vom Tag"
Julius Kreis: E. E. Windelbach, der Volksgenosse
 
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