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Anton Schönmann (München)

Das Vergangene

„Frieden," sprach Parazelsus zu Clarus im tauenden Abend,

„Frieden, mein- strebender Freund, schließe auch endlich mit dir!

Was du erlebt und getan, das laß erlebt und getan sein,

Niemals sprengst du ein Korn aus des Vergang'nen Granit!

Darum laste sie ruhen die Felsen des früheren Daseins,

Und der ureigenen Form freue dich, wie sie so sind!

So dich ein Unglück betrifft, frag' nicht, wie du ihm vorzeiten
Wohl entfliehen gekonnt, wenn du die Zukunft gewußt;

Laß nicht vergebliche Reue mit Gottes Leid sich verbünden,

Was das Geschick dir verhängt, trag' es mit Unschuld und Stolz!

Lern' auch dir selber vergeben wie deinen Schuldigen allen —

Und so beginne das Sein täglich voll Hoffnung aufs neu!

Auf! In das Chaos der Zukunft die schaffenden Blicke gewendet,

Hier sei Schöpfer und Herr, wo noch das Werden wie Wachs

Dir in die Hände sich schmiegt; wo du-selber ein Ton bist,

Welcher nach edler Gestalt täglich von neuem verlangt.

Alles ist möglich! Es führt uns empor ein steigender Bergpsad,

Doch wo der Pfad uns verläßt, tragen uns Flügel vielleicht.

Warst du gut, so beharre; und warst du schlecht, so verzag' nicht:

Heute, niit großem Entschluß, stürme das himmlische Tor!"

g. Erika Spann-Nheinsch

Aphorismen

Die Furcht der Könige richtet mehr Unheil an auf Erden als der rebellische Sinn
ihrer Völker.

Das Ziel ist Dorn und'Sporn für den Großen — nur dem Kleinen ist es Erlösung
unb Lohn.

Vom Übermut des Reichtums leben mehr Arme und bester als von seiner Güte.

Fritz Barr

Der Ruf

Von Fritz Müller

Die Frau Rentamtsbuchhaller erkannte die
Schrift erst nicht. Das letzte Schriftliche von ihrer
Schwester war ein abgeschriebner Firmspruch ge-
wesen. Zwischen dem und heute schoben sich an
dreißig Jahre, schob sich Arbeit, schob sich Mann
und Kinder, schob sich — aha, das war's:

„Liebe Resl! Daßd nicht dcrschricksl, dot bin
ich noch nicht wenn ichs mir auch eine öften
wünsch. Ist setz fufzehn Iar daß ich ihn jetzt
Hab den Alisi. Das weißt selm daß ich nie
nix auf ihn kommen lassen Hab aber was zarg
ist ist zarg. Oder hett lch vielleicht einen Muckser
tan vor dreizehn Iar wie ers erschtmal mit
dem dreschflägel nach mir hingschlagen hat
oder wie er vor elf Iar das erschtmal mit der
Heigabel gstochen hat oder wies mich vor siem
Iar mit dem nachgschmissen Bügeleisn derwischt
hat oder vor zwei Iar wos mich ins Odel-
waster neingschmisten hat werft nie nicht ein
Stermswerterl von mir derfarn haben oder
vielleicht net? Aber jetz ist er mir mit dem
Kichenmesser nach und ich Hab im Rengs-
burger Kalender eins Gschicht glese» wo er
ir auch nach ist mit dem Kichenmesser und
dann ist nur nochs Beil kommen ehdaß man
sie derschossen gfunden hat. Also das ich dir
wenn jetz auch nochs Beil kommt beim Alisi
aufs Gwehr wart ich nimnter also daßd nicht
derschrickst wenn dei Stasischwcster auf amal
for deiner Tir stet er ist zu krausam der Alisi
mein Fegfeier sei nur grad vro daß du so ein
brafen Mann hast wenn auch kein Gütl nicht
und keine Kinder nicht ..."

Bei den.Kindern' und dem ,Gütl' mußte die
besorgte Schwester lächeln: „O mei' Stasi, wenn
d' erst wüßtest, daß sich mein Max doch noch ein
Gütl erschrieb'n hat und dazu ein' kleinen Bamsen
auch noch —"

„Bäh!" machte der kleine Bams im Neben-
zimmer. Frau Resl ging hinein. Der Abend-

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Register
Fritz Baer: Aphorismen
Fritz Müller: Der Ruf
Anton Schönmann: Morgenfrieden
Erika Spann-Rheinsch: Das Vergangene
 
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