Nonnen-Friedhof
Milten im Walde, efeuumsponnen,
überschattet von Buchen und Tannen,
ruhen sie, denen die Tage entrannen:
Nonnen.
Drüben vom Kloster, ob schimmernder Mauer,
sang eine Glocke sie tröstlich zur Ruhe,
trugen die Schwestern die hölzerne Truhe,
weinend in Trauer.
Eiserne Kreuze, geschmiedete Blüten,
stehen zu Häupten, die Arme gebreitet.
Himmlischer Bräutigam, der sie geleitet,
wird sie behüten.
Efeuumsponnen, wälderbeschättet,
wunschlos geborgen, schlafen sie lange.
Blumen entsproßten dem sonnigen Hange,
blühten und glühten und welkten ermattet.
Blühtet auch ihr, habt ihr Gluten empfangen?
Liebe erhalten, Liebe gespendet?
Seid ihr vereinsamt und unvollendet,
seid ihr in brennender Sehnsucht gegangen?
Lieblich gebettet, Leben umwoben,
schlafend, wo steigende Säfte sich drängen,
Blumen erstrahlen an goldenen Hängen,
Schwebten die Seelen gläubig nach oben? —
Rauschenden Wipfeln Düfte entsteigen,
Knospen drängen dem Blühen entgegen,. .
schlummert und wahret kn grünen Gehegen,
wahret das Schweigen.
Hütet im Tod, was die Seelen verhüllte,
keiner entsiegelt mehr, was ihr empfunden,
ob euch die lebend-begrabenen Stunden
Leben erfüllte. Josefa Metz
Theodor Ortner
Quartett
Allem liegt das Dorf
Allein liegt das Dorf, nur behütet
von silbernen Ahornbäumen,
die Sonne zittert um die Giebel und
brütet.
Reich ist es an Blumen und Träumen,
Spinnrad und Tor mit den Glocken-
stühlen,
moosige Dächer von Rauch bedeckt,
an den Bächen rauschen die Mühlen
zwischen Erlen versteckt.
Mond und Sterne wachsen in die
Scheiben
und die wilden Blumen wuchern herein.
Schön ist es zu bleiben,
Denn dit bleibst schweigsam und kminer
allein.
Dein Tag ist Gras, dein Tag ist ein Blau,
ein weitzer Wolkenzug, ein Bad im Bach.
Keine Lippen von einer Frau
brennen schwül in dein reines Gemach.
Gebete hörst du von Kindern
fromm und durch die Wände her,
spürst den Geruch von Rindern
und den Rauch von Teer.
Blumen liegen auf deiner Schwelle
eines Morgens als Gruß/
du staunst/ und gehst in das Helle
leicht und mit fröhlichem Fuß.
Den Wanderern aus der Weite
schließt du dich singend an,
sehnsüchtig duftet im Kleide
Fenchel und Thymian.
Und schmale weiße Wolken
segeln im Sonnenblau,
süß ist es ihnen zu folgen
durch Berg und Tal und Au . . .
Auto» Schnack
An Gottfried Keller
Zu seinem hundertsten Geburtstage (19. Juli 1919) von Hans Reisiger
Beraubt, gebrannt, in Blitz und rauhem Wind
Mit offnen Wänden steht das deutsche Haus,
Und über die zertretenen. Schwellen rinnt
Ein furchtbar Naß, wie Hurpur, ein und aus.
Die Tische kahl gefegt, der Becher Gold
Zerschellt, verstreut, die Blumen wild zerrauft,
Der Freude letztes Wort als bittrer Sold
An finstre Mächte des Geschicks verkauft.
Gebogen in die Tiefe ihres Leids
Sitzt an erhaltener Kammer dunkler Wand
Des Hauses hohe Herrin, in des Kleids
Verstörte Falten bergend Haupt und Hand.
Doch wie ihr Blick ins innere Dunkel taucht,
Ist es, als sin/ es innig an zu tönen,
Und über den gebeugten Scheitel haucht
Ein goldnes Licht, ihn zagend zu verschönen.
Aufsprüht des Feuers heiliges Element,
Anlockend eine Schar lebendiger Wesen,
Die innig, wie von jungem Weine, brennt,
Aufjubelnd, wie von allem Leid genesen.
Bucklig die einen, toll im Schalksgewand,
Und andre Blühende mit Engelsmienen,
Und Narr und Engel tanzen Hand in Hand
Und kräftig angefaßt im Kreis mit ihnen
Der Tod, mit einem Antlitz leuchtend von
Verliebtheit ins Lebendige. — Bei Seite,
Wo in die Wiese schmilzt ein Silberbronn
Und schweres Gold auS ihrer stolzen Weite
Die Sonne gießt, und um den heißen Fels
Eidechsen schlüpfen, sitzt ein stiller Mann,
Um seinen Bart das Spiegellicht des Quells,
Hinter den breiten Schultern Gletscher himmelan.
«Gegrüßt, du treuer Meister fromm und frei,
Der du zu mir in deinen Wesen singst,
Das Ständchen deiner Herzenszaubcrei
Mir auch im Leide unerschüttert bringst!
Der du dich selbst in wildem Gaukelspiel
Der Fantasie lebendig in die Nacht
Des Grabs geträumt und, als die Scholle fiel,
Den Becher des Humors dir selber zugebracht:
Du sollst mir Meister nun des Trostes sein!
Wenn finstre Mächte mich in meinem Haus
Verschütten wollen wie in Erd und Stein,
O leuchte mir aus Todesnacht heraus!
Mit einem Lichte, spiegelnd wie vom Gold
Gcfirnten Weins, das meine Lippen küßt,
Füll', die ich tief in Trauer schließen wollt,
Die Wimpern mir, da du so leuchtend bist
Und Lachen fern, von allen Leiden warm,
Und wild und weher Falken Stimmen klinge»/
Sie löset Hand von Hand und Arm von Arm
Und löst die Stirn aus ihrer Locken Schlingen.
Es schwingt ihr Blick sich aus den Wänden leer:
Da atmen auf der Berge grüne Flanken,
Darüber hinterm Licht der Sterne Heer
Sich spielend wiegt wie tönende Gedanken.
An seinen Knkeen spielt ein junges Reh,
Die kurzen Beine woll'n zum Takt sich regen
Des Feuertanzes, der in Lust und Weh
Entsprungen scheint aus seines Auges Segen. —
Und wie die Herrin lauscht und schaut, erkennt
Den Zauberer sie, des Rain' ihr lange kund,
Und fühlt sein Herz, das ihr im Herzen brennt,
Und Wort und Lächeln taut von ihrem Mund:
Breit mir den Teppich deiner Bilder aus,
Dräng deine Menschen warm an me ne Hände,
Umranke blühend dies verkohlte Haus
Und web aus Grün und Gold ihm neue Wände.
In deutschen Lauten dort so hundertfach
Singt deine krause Schar sich frei von Oua'en.
Es schwillt herauf bis ans zerstörte Dach: —
So lebt die Welt und alte Sterne strahlen!"
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Milten im Walde, efeuumsponnen,
überschattet von Buchen und Tannen,
ruhen sie, denen die Tage entrannen:
Nonnen.
Drüben vom Kloster, ob schimmernder Mauer,
sang eine Glocke sie tröstlich zur Ruhe,
trugen die Schwestern die hölzerne Truhe,
weinend in Trauer.
Eiserne Kreuze, geschmiedete Blüten,
stehen zu Häupten, die Arme gebreitet.
Himmlischer Bräutigam, der sie geleitet,
wird sie behüten.
Efeuumsponnen, wälderbeschättet,
wunschlos geborgen, schlafen sie lange.
Blumen entsproßten dem sonnigen Hange,
blühten und glühten und welkten ermattet.
Blühtet auch ihr, habt ihr Gluten empfangen?
Liebe erhalten, Liebe gespendet?
Seid ihr vereinsamt und unvollendet,
seid ihr in brennender Sehnsucht gegangen?
Lieblich gebettet, Leben umwoben,
schlafend, wo steigende Säfte sich drängen,
Blumen erstrahlen an goldenen Hängen,
Schwebten die Seelen gläubig nach oben? —
Rauschenden Wipfeln Düfte entsteigen,
Knospen drängen dem Blühen entgegen,. .
schlummert und wahret kn grünen Gehegen,
wahret das Schweigen.
Hütet im Tod, was die Seelen verhüllte,
keiner entsiegelt mehr, was ihr empfunden,
ob euch die lebend-begrabenen Stunden
Leben erfüllte. Josefa Metz
Theodor Ortner
Quartett
Allem liegt das Dorf
Allein liegt das Dorf, nur behütet
von silbernen Ahornbäumen,
die Sonne zittert um die Giebel und
brütet.
Reich ist es an Blumen und Träumen,
Spinnrad und Tor mit den Glocken-
stühlen,
moosige Dächer von Rauch bedeckt,
an den Bächen rauschen die Mühlen
zwischen Erlen versteckt.
Mond und Sterne wachsen in die
Scheiben
und die wilden Blumen wuchern herein.
Schön ist es zu bleiben,
Denn dit bleibst schweigsam und kminer
allein.
Dein Tag ist Gras, dein Tag ist ein Blau,
ein weitzer Wolkenzug, ein Bad im Bach.
Keine Lippen von einer Frau
brennen schwül in dein reines Gemach.
Gebete hörst du von Kindern
fromm und durch die Wände her,
spürst den Geruch von Rindern
und den Rauch von Teer.
Blumen liegen auf deiner Schwelle
eines Morgens als Gruß/
du staunst/ und gehst in das Helle
leicht und mit fröhlichem Fuß.
Den Wanderern aus der Weite
schließt du dich singend an,
sehnsüchtig duftet im Kleide
Fenchel und Thymian.
Und schmale weiße Wolken
segeln im Sonnenblau,
süß ist es ihnen zu folgen
durch Berg und Tal und Au . . .
Auto» Schnack
An Gottfried Keller
Zu seinem hundertsten Geburtstage (19. Juli 1919) von Hans Reisiger
Beraubt, gebrannt, in Blitz und rauhem Wind
Mit offnen Wänden steht das deutsche Haus,
Und über die zertretenen. Schwellen rinnt
Ein furchtbar Naß, wie Hurpur, ein und aus.
Die Tische kahl gefegt, der Becher Gold
Zerschellt, verstreut, die Blumen wild zerrauft,
Der Freude letztes Wort als bittrer Sold
An finstre Mächte des Geschicks verkauft.
Gebogen in die Tiefe ihres Leids
Sitzt an erhaltener Kammer dunkler Wand
Des Hauses hohe Herrin, in des Kleids
Verstörte Falten bergend Haupt und Hand.
Doch wie ihr Blick ins innere Dunkel taucht,
Ist es, als sin/ es innig an zu tönen,
Und über den gebeugten Scheitel haucht
Ein goldnes Licht, ihn zagend zu verschönen.
Aufsprüht des Feuers heiliges Element,
Anlockend eine Schar lebendiger Wesen,
Die innig, wie von jungem Weine, brennt,
Aufjubelnd, wie von allem Leid genesen.
Bucklig die einen, toll im Schalksgewand,
Und andre Blühende mit Engelsmienen,
Und Narr und Engel tanzen Hand in Hand
Und kräftig angefaßt im Kreis mit ihnen
Der Tod, mit einem Antlitz leuchtend von
Verliebtheit ins Lebendige. — Bei Seite,
Wo in die Wiese schmilzt ein Silberbronn
Und schweres Gold auS ihrer stolzen Weite
Die Sonne gießt, und um den heißen Fels
Eidechsen schlüpfen, sitzt ein stiller Mann,
Um seinen Bart das Spiegellicht des Quells,
Hinter den breiten Schultern Gletscher himmelan.
«Gegrüßt, du treuer Meister fromm und frei,
Der du zu mir in deinen Wesen singst,
Das Ständchen deiner Herzenszaubcrei
Mir auch im Leide unerschüttert bringst!
Der du dich selbst in wildem Gaukelspiel
Der Fantasie lebendig in die Nacht
Des Grabs geträumt und, als die Scholle fiel,
Den Becher des Humors dir selber zugebracht:
Du sollst mir Meister nun des Trostes sein!
Wenn finstre Mächte mich in meinem Haus
Verschütten wollen wie in Erd und Stein,
O leuchte mir aus Todesnacht heraus!
Mit einem Lichte, spiegelnd wie vom Gold
Gcfirnten Weins, das meine Lippen küßt,
Füll', die ich tief in Trauer schließen wollt,
Die Wimpern mir, da du so leuchtend bist
Und Lachen fern, von allen Leiden warm,
Und wild und weher Falken Stimmen klinge»/
Sie löset Hand von Hand und Arm von Arm
Und löst die Stirn aus ihrer Locken Schlingen.
Es schwingt ihr Blick sich aus den Wänden leer:
Da atmen auf der Berge grüne Flanken,
Darüber hinterm Licht der Sterne Heer
Sich spielend wiegt wie tönende Gedanken.
An seinen Knkeen spielt ein junges Reh,
Die kurzen Beine woll'n zum Takt sich regen
Des Feuertanzes, der in Lust und Weh
Entsprungen scheint aus seines Auges Segen. —
Und wie die Herrin lauscht und schaut, erkennt
Den Zauberer sie, des Rain' ihr lange kund,
Und fühlt sein Herz, das ihr im Herzen brennt,
Und Wort und Lächeln taut von ihrem Mund:
Breit mir den Teppich deiner Bilder aus,
Dräng deine Menschen warm an me ne Hände,
Umranke blühend dies verkohlte Haus
Und web aus Grün und Gold ihm neue Wände.
In deutschen Lauten dort so hundertfach
Singt deine krause Schar sich frei von Oua'en.
Es schwillt herauf bis ans zerstörte Dach: —
So lebt die Welt und alte Sterne strahlen!"
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