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W i e Thor

8 r * i

Hoch in den Bergen hauste der Bauer,

Egil, der Alte, am Ende der Welt.

Beim Vater kauerten furchtsam die Kinder,
Thialsi, der Rasche, Röskwa, die Dirn,

Fahle Flammen stogen von ferne,

In blauem Lichte lohte die Luft:

Näher brauste der Böcke Gebieter,

Asathor zog in der Eisriesen Reich,

Sausend bogen die Bäume sich nieder.

Der Hammer krachte hart ins Geklüft,

Der Boden bebte, die Berge brannten.

Die Kammer stammte im Feuerstrahl,

Schmetternd hallte ein Schlag ans Haus hin.
Es schrieen die Kinder in schrillem Schreck,
Aufsprang die Türe zu Egils Stube —
Grimmig ragte im Glanze der Gott,

Es hielt die Hand den funkelnden Hammer,

Es sträubte sich fauchend der Feuerbart,
linker den Brauen blickten, den sinstern.
Flammend die Augen des Afen hervor.

Hinter ihm reckten sich riesig im Dunkel
Die Häupter der Böcke mit hohem Gehörn, —
Zu Boden bückte sich zitternd der Bauer,

Cs schauten die Kinder scheu in den Schein.

Verstuinnit war im Tale das schmetternde Toben,
Der Regen nur rann und rauschte herab;
Dumpf erdröhnte deg Donnerers Stimme,
Grimmig brumnite der Gott in den Bart:

„Egil, Alter, ans voin Estrich!

Richte dem Äsen die Ruhestatt,

Rüste zum Kochen den rußigen Kessel —

Her, ihr Gehörnten, zum Mahl für den Herrn!"

sein G e s i n

c> ch der Edda von Leopold

„Tragt in die Küche die treftlichen Traber,
Siedet zum Schmaus mir die Wacker» geschwind.
Doch hütet mir, Bauern, die Häute der Böcke,
lind daß mir die Knochen keiner verletzt!"

Es faß der Ase ain Tisch mit dem Alten,

Mit Kindern und Knechten beim köstlichen Mahl:
Sie schlangen die Fülle des fetten Fleisches,

Cs schlürften die Bauern die Brühe zum Schmaus,

Sie nagten die Rippen rein von deii Resten,
Sammelten sauber die Knochen beiscit:

Knochen an Knochen, zuin Knäuel geschichtet.
Häuften am Flure sie hoch aus dem Fell,

Am Tijche zuhinterst hockte Thialsi,

Raunte mit Röskwa, der rührigen Magd,

Hielt einen Schenkel heimlich in Händen,

Prüfte verborgen das kloße Gebein,

Schlug an den Knochen mit klopfendem Knöchel,
Stemmte das Messer verstohlen ins Mark,
Sprengte knackend die Knochenhülle:

Es schlürften das Fett die Geschwister stink , , ,

Stille ward es zu später Stunde,

Es schliefen die Mannen müö nach dem Mahl,
Zur Hütte nieder hingen die Nebel,

Hüllten in Dunkel, in dichtes, das Haus,

Da klang voiu Himmel des Hahnes Krähen,

Es siel aiiS der Höhe der helle Ruf:

In Walhall oben erwachten die Äsen,

Beim Bauern erwachte Wingthor im Bett,

Dröhnend eilte durchs Dämmer der Ase
Hinaus zu den Fellen der Böcke am Flur.

Uber den Häuten erhob er den Hainmer,

Ein Blitzen stog übers bleiche Gebein.

de q e w a n n

Weber

Sprangen gar fröhlich vom Flure ins Freie,
Rannten zum Wagen Wingthor voran.

Da schaute der Ase: der eine der Schnellen,

Er schleppte hinkend das hurtige Bein.

Drohend sanken die dichten Brauen,

Des Donnerers Antlitz ward dunkel wie Nacht,
Die Hände umklammerten knirschend den
Hamnrer:

Die Knöchel erblichen, von Blute entblößt.

Da stürzten die Knechte stammelnd aufs Knie hin,
Da warf sich der Bauer bang aufs Gesicht.
„Herr, nimm Habe und Hang zur Sühne,

Es büße dir alles, was Egil besitzt!"

Thor: „Wer hat mir das Bein meines Böckleins
zerbrochen ?

Wer sog auS den Knochen das kräftige Mark?"
Zitternd kamen die Zagen geschlichen.

Es traten die Kinder mit Tränen vor Thor.

Da hoben ein wenig die Brauen sich wieder,
Des Afen Antlitz hellte sich auf:

Hlorriöi reckte den heiligen Hanuner
Uber die Scheitel der Scheuen empor.

„Abschied auf ewig nehmt von der Erde,

Zu seinem Gesinde ersah euch der Gott:

Renne als Bote inir, Bursch, vor den Böcken,
Folge du, Mägdlein, meinem Gefährt!"

Es bäumten. sich schnaubend die Böcke vom
Boden,

Es sprang in den Wagen vom Wegrain der
Gott.

Dröhnend fuhr Wingthor ins dunkle Gewölke:
Ein Wirbelsturm packte das weinende Paar.

Es griff nach den Rennern im Rücken der Rasche.
„Getan ist, ihr Traber, das Tagewerk heut!"
Der Hammer blitzte über den Häuptern,

Zu Boden stürzte der Böcke Paar.

Da zuckten am Flure die zottigen Felle,

Da hüpften vom Grunde die Glieder zur Höh:
Frisch auf die Füße fuhren die Renner,

Grüßten meckernd im Morgen den Gott.

Es schrieen die Bauern in bebendem Schrecken,
Reckten zum Himinel die Hände hoch:

In blauen, Lichte.lohten die Lüfte,

Es schwanden die Kinder im schimmernden Schein.
Register
Julius Diez: Kopfleiste und Vignette
Leopold Weber: Wie Thor sein Gesinde gewann
 
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