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Jugend: Münchner illustrierte Wochenschrift für Kunst und Leben — 24.1919, Band 2 (Nr. 27-52)

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https://doi.org/10.11588/diglit.4384#0630
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3 will drs zeig«. — (Zu einem Arbeiter, der quer über den Hof kommt,) Machet
au 8e!erabend!

wöbke: Um sieben is Schluß.

Peters was tust du dann?

wöbke: Venn geh ich erst Abend essen, und nachher in blauen Assen,
Tiedge spricht.

Peter: Worüber spricht er denn?

wöbke: Vas; wir unsere soziale Stellung verbessern sollen.

p et e r: Hm. - Was so ein 8 abrikant alles hat! Da steht a waga, do a Kutscha,
dort laust a Gchienegleis, das geht in d Welt. — wem gehört die 8«brik?

wöbke: Henning.

Peter: Möcht scho gern amal da reigucka. Rönnet ihr ml et braust)«?

Henning (im vorbeikommen): Run, was gibts?

Peter: Arbeit hält i gern.

Henning: Alles überseht. Tut mir leid, wir brauchen niemand, (wöbke
und Henning ab.)

Peter: Schad. — Vas hält mir gfalla; aber s gibt no andere 8«brika; i
werd net glei übers Wasser müessa. — Mueß es denn a 8«br!k sei? Ls
sticht m! scho verdammt. Mir schwant da immer was von Kraft und All-
macht. worum hat mi mei Vater Sattler lern« lasse? Go a Gießerei, do
sind Räder und Zylinder und Kolbe und Pumpa; do gilts. — 3 Lfel!
kauf l da in dr Welt rum wie a junger Hund und riech an alle gcfa;
derweil schasst so a Bauer en ganzaHeuwaga voll und kommt heim und
spannt aus. Und dr 8abrikler schmiert sei Maschina und macht en Hand-
griff, na lieget zwei gossene Brunna da. Und am Abend geht er zu Tiedge
und verbessert sei Stellung. — Han i a Binde vor de Auga ghät? —
8reilich. s kostt Schweiß. Aber na srierts mi net. Aus! Zugriff«, na hascht
gessa. Arbeit her! — Des Nadle, des Nadle! wie sie dagftanda ischt mit
ihre braune Arm! — ssawohl, Tagdieb! Va meint ma Wunder was ma
gschafft häb, wemmer s bis zum Gsella bracht hat, und mr woll sich amal
d Welt a bisle a seha. Ra kommt so a sprihigs Nadle daher und funkelt
ein a, daß mr in a Nausloch versinkt. — wart, i will dr!

Vrltte Szene. Unter einem alten Birnbaum.

Peter (sitzt aus dem Boden und sieht in die weite): wo i hinkomm, überall der
gleiche Spruch; Tut mir leid, alles schon beseht. Vas Handwerk lauft net,
der Lauer will mich net, d 8abrik hat kein Platz. ffa, gibts denn zuviel
Mensche auf dr Welt? — was hätt dei Mutter gsagt? Peter, du bist der
Hochhinaus; tu langsam. — 3st das en Geist! Alles will reich werde, alles
gut leba! Aber so en Baum auf em weit« § clb ist auch noch etwas. Da
steckt kein Schwindel dahinter. — Himmel, tut das wohl! Va geige die
Grill«, und d Heuschrecka hupfa. (8ängt einen Heuschreck und seht ihn aus die
Hand.) Liwie, Höhjuker, laß seha; grün, grün wie s Gras, und stark wie
e Roß. — Hoppla, da ist er fort. Wohl, Bürschle, wohi? — Recht hat er!
So mach is au. (Springt aus.) — Ls kann net weiter geha so, es liegt
was in dr tust. 3 will s probiere, wie man s in andere Länder treibt.
Da muß doch etwas sei, wovon mer lebt und satt wird. — Und wo mer
en starke Kerle wie m! no brauche kann. (Blickt sich um, reckt sich, bricht sich
eine Birne vom Baum und steckt sie ein. 3m Weiterschreiten leise singend): vom
gelbe brechen das reife Brot..

Zweiter Akt. 8üns ssahre später. — Zimmer bei Wöbke. Am Tische wöbke,
zwei Buben herumlungernd, 8rau wöbke geht hin und her.

wöbke: gäüt mir nicht im Strumpfe ein. wenn sie mich hier an meiner
Stelle nicht brauchen können, ich nehm keine andere. Hier is das Leben,

• ich muß in die Versammlungen, und ihr wollt doch auch mal was fürs
Vergnügen haben.

Minna: Aber Arthur, du kannst n doch nich ewig auf die Kante liegen.

wöbke: Ru sängst du auch schon an, Minna, wir wollens doch auch mal
nach unserem Gusto haben.

Minna: Vas ist allens recht schön, Arthur. Aber was tut ihr nu den ganzen
Tag. Herumstreunzen und reden und in die Zeitung sehen, das ist doch
keine Mannsarbeit, meine ich.

wöbke: Vas verstehste nich. Ls handelt sich darum, daß wir denen zeigen,
was sich gehört, was menschenwürdig is, Minna. (Lgenhofertritt ein.)

KRiTi JW KUNST

von -an« x?i«r

die meisten Künstler sind gegen sich mißtrau-
isch, die meisten Kritiker gegen andere.

wenn dreiunddreißig geniale Schneidermei-
ster an einem Rock herumslicken, wird er noch
immer keine Hose.

wenn die Kunst Rätsel ausgibt, hat sie ihr
Geheimnis verloren.

Lin Künstler hatte sein Haus innen und au-
ßen sertiggebaut.und er lud den Kritiker ein,
es zu betrachten. Vieser fand soviel zu tadeln,
daß er beschloß, in dem Hause Wohnung zu
nehmen, um seine Arbeit gründlich zu tun.
Als er sein letztes Stündlein herankommen
fühlte, ries er den Künstler zu sich und sagte
dieses: „3ch habe viele Bände über dein Haus
geschrieben, aber ich habe keine Zeit mehr
sie dir vorzulesen." — „So sage mir dein
letztes Urteil," bat der Künstler, der Kiiti-
ker antworlete sterbend: „3n deinem Haus
kann man nicht wohnen."

Julius die; (München)
Register
Julius Diez: Illustration zum Text "Kritik und Kunst"
Hans Kyser: Kritik und Kunst
 
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