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Sehenswürdigkeit

„Den schaug' o — mit sein kloana Kopf - was is dann dös für oaner?"
„31 Großkopfeter halt!"

Ein probates Mittel

Oie neue NoteClemenceaus über
die Zurückhaltung der deutschen Ge-
fangenen werde — so schreibt der
„Vorwärts" — in Deutschland „tief-
ste Bestürzung" Hervorrufen. Dieser
französische Gewaltakt sei aber im
Grunde gar nicht so brutal, und des-
halb sei „nicht leidenschaftliches Auf-
wallen" die Aufgabe der nächsten
Zeit, sondern usw.

Das sanste Säuseln des offiziösen
Sprachrohrs unserer friedfertigen
Regierung kommt gerade zur rechten
Zeit, um die ungestüme Flut der
nationalen Schamröte in die Herzen
zurückzustauen. Damit aber der-
gleichen elementare und krankhaft
hitzige Wallungen ein für alle Mal
unmöglich seien, erlauben wir uns
den Vorschlag, daß binnen drei Tagen
der gesamte Vorrat an nationaler
Scham, der wider Erwarten seit der
Revolution sich noch im privaten Be-
sitz erhalten hat, an die Entente ab-
geliefert werde.

Dieser Vorschlag hat nun, wie wir
soeben erfahren, in Paris die „tiefste
Bestürzung" hervorgerufen. Man
weiß dort nämlich absolut nicht, wo
und wie man diesen deutschen Krank-
heitsstoff so sicher aufbewahren soll,
daß er die Völker der Entente nicht
ansteckt. Deshalb ist es wohl besser,
wenn unsere vorsorgliche Reichs-
regierung die nationale Schamröte
einfach beschlagnahmt, um sie abzukühlen, zu ent-
geisten, in ein sanftes Himbeer-Rosa umzufärben und
dergestalt ungefährlich zu machen. Alsdann könnte
man sie der Opposition im Bande löffelweise ein-
geben. Alle inneren und äußeren politischen Ver-
stopfungen dürsten durch dieses Mittel glatt zu
kurieren sein. Neck

Weihnachten 1919

O Weihnachtsfest, du Kinderfest,

Du Fest der jauchzenden Kleinen,

Das Kinderherzen jubeln läßt,

Helleuchtend die Äuglein scheinen -
Dein goldener Zauber, selig beschwingt,

Will sich nur zögernd entfalten,

Ach, in die zwitschernde Freude klingt

Ein Schluchzen, mit Mühe verhalten.

Ich sehe Kinder im deutschen Land

Mit hungergebleichten Wangen,

Verdorrt die bittende kleine Hand,

Die Augen in stummem Verlangen.
Wunschzettel seh' ich, in bitterer Rot

Von Kinderhändchcn geschrieben,

Auf denen, o Jammer ! das Wörtchen „Brot!"

Als einzige Bitte geblieben.

Fch sehe so mancher Mutter Mund

In wildem Schmerze erbeben:

Lind ränge ich mir die Hände wund,

Ich kann dir das Brot nicht geben!

Der Feinde Herz, zu Eisen gepreßt.

Hört keinen Rolschrei, ach keinen!

. .. O Weihnacht, wann wirst du wieder das Fest,
Das Fest der jauchzenden Kleinen ...

Karl t! t 1 l i n g e r

Man empfiehlt sich

Auch Herr Felix von Weingartner, derzeitiger
Direktor der Aolksoper in Wien, fühlt den Neben-
beruf zum Politiker in sich. Daß er seinerzeit den be-
kannten Aufruf der 93 deutschen Intellektuellen mit-
unterzeichnet hat, macht ihm bittere Pein, nachdem
er zu der Erkenntnis gelangt ist, daß Deutschland
dieser Ehre nicht würdig gewesen ist, sondern sich im
Gegenteil durch seinen heimtückischen Überfall auf
24 europäische, amerikanische und asiatische Kultur-
nationen außerhalb jeder Diskussion über Anstand
und Sitte gestellt hat. Herr von Weingartner schreibt
der in Wien erscheinenden Zeitung ,L’ Ind6pendence‘:
Das Deutschland, das seine Söhne und Familien
geopfert habe, um sie den Quälereien seiner ünter-
offi'ziere auszusetzen, und nur mit dem Endziel, sie
den Tod für den Kaiser sterben zu lassen, sei rui-
niert. Aber ein besseres Deutschland sei in Vor-
bereitung. Diesen Kulturakt habe man besonders
Amerika zu danken. —

Ich will mich jeder gehässigen Bemerkung über die
Wandlungsfähigkeit des hinterleltuellen Herrn von
Weingartner enthalten. Aber eine bescheidene An-
frage muß er mir schon gestatten: Ist der Kontrakt
für die nächste amerikanische Festspiel-
tournee schon unterschrieben?

Kunz Kranzendorf

Philatelie

Man streitet sich über die.neuen Briefmarken der
Nationalversammlung. „Is ja alles a Schmarrn,
was da jetzt droben is, die Bäum und die Häusl und
die Maurerkell'n... Köpf,sag i, Köpf 'g'hören nauf!"
- „Do hast recht," sagt der Leindecker aus der Au,
„und in an richtigen Dolksstaat, der wo 60 Mckli-
vnen Einwohner hat, gehöret der Kopf von an j eben
a amal 'nauf auf d' Briefmark'n!"

Oie neueGuillotine

Zur Zeit der französischen Re-
volution gab es in Frankreich einen
sehr menschenfreundlichen.Arzt, üm
die scheußlichen Zufälligkeiten, welche
bei der Enthauptung durch das Beil
vorkamen, unmöglich zu machen, kon-
struierte er eine Enthauptungs-
maschine. Er fand außerordentlichen
Beifall und es ging nun mit der
Enthauptung so schnell, daß man
viel größere Menschenmassen dazu
verurteilen konnte. Wie entsetzte sich
der gute Mann, als er eines Tags
die Mordmaschine mit seinem Namen
nennen Hörle; denn er hieß Doktor
Guillostn.

Hundertdreißig Fahre später gab
es noch weiter westlich einen noch
freundlicheren Menschheitsarzt. Die
scheußlichen Zufälligkeiten der jetzigen
Art der Dölkerauseinandersetzung
ließen ihn nicht schlafen und er kon-
struierte eine Völkerenthauptungs-
maschine, die er Versöhnungsfrieden
nannte.

Das Ding, eine Art Megalophon,
lief in vierzehn Lügen; die Völker,
an die es angeschraubt wurde, waren
ganz Ohr, und zwar ganz das
Ohr, über das sie dann gehauen
wurden. Die Maschine fand außer-
ordentlichen Beifall, zumal da man
ihre Anwendung durch einen kleinen
Hilfsapparat, den er „Völkerbund"
nannte, sich dauernd sichern konnte.
Wie war der gute Mann stolz, als er eines Tages
die Mordm aschine mit seinem Namen „Wilsonfrieden"
nennen hörte. Merks

Das vergessene Gefangenen-
lager im Harz

©ie „Etoile Belgue“ mefbef, daß ein belgischer
Soldat, der schon zu Beginn des Krieges gefangen
genommen und in einem Lager im Harz interniert
war, dieser Tage in erbarmungswürdigem Zustand
in Mons angekommen wäre. Mit ihm seien noch drei
Gefangene geflohen. Im Lager selbst seien noch zahl-
reiche Gefangene, die alle ohne Kenntnis vom
Ende des Krieges wären.

Nach auswärtigen Zeitungsmeldungen hat die
Regierung in Brüssel sofort einen parlamentarischen
üntersuchungsausschuß eingesetzt, um diese neuen
deutschen Greuel vor aller Welt aufzudecken und die
Schuldigen der Bestrafung entgegenzuführen. Der
Gefangene hat nun vor diesem Ausschuß geradezu
haarsträubende Aussagen gemacht. Darnach hätten
vermummte Gestalten die Gefangenen mit glühenden
Ofengabeln gepeinigt, während ganz abscheuliche
nackte, alte Weiber in der Lagerküche tätig waren,
wo sie den armenGefangenenaus Mölchseingeweiden,
Krötenaugen/ Schlangenköpfen und pulverisierten
Rattenherzen unter Beimengung von Pech und
Schwefel'täglich eine Mittagssuppe kochten.

Das Lager befindessich in einer Höhe von 3490 Fuß
und werde im Dolksmund „dlon! du blocus" ge-
nannt.

Der Lagetkommandayt trage Hörner und einen
langen, zottigen Schweif. -

Wie man hört, hat der üntersuchungsausschuß beim
Fünferrat die sofortige Auslieferung des Lager-
kommandanten und seines ganzen Küchenpersonals
durchgeseht. Depp

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[nicht signierter Beitrag]: Philatelie
Kunz Franzendorf: Man empfiehlt sich
Merks: Die neue Guillotine
Depp: Das vegessene Gefangenenlager im Harz
Ernst Neck: Ein probates Mittel
Willy Hallstein: Sehenswürdigkeit
 
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