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DER M.S.P. INS STAMM-BUCH

Ach, wie sind die kleinen Bamsen

Doch mit Worten rasch gekränkt.

Und sie fangen an zu mamsen,

Ehe man es recht bedenkt!

Urschel stöhnt im zornig-dumpfen

Tone: „Nein, ich tu' nicht mit!
Hildegard hat mich gesumpfen,

Was ich sönstens mir verkitt'!"

„Urschel! Tu's um meinetwillen,"

Spricht die Mutter sanft und still.
Doch das Kind hat seine Grillen:

„Wenn ich nun einmal nicht will!"
Und aus Trotz und Eigendünkel
Und beleidigten Gesichts
Schmollt die Urschel fort im Winkel,

Und die Mutter gilt ihr nichts!

Sag, M.S.P.: wird durch diese

Strophen dir nicht offenbar,

Das; du in des Reiches Krise

Jener Urschel glichst aufs Haar?!
Mißvergnügten Herzens knurrst du:

„Schimpf ward dem parteiverband!"
Du gekränkte Leberwurst, du:

Hast du denn kein Vaterland?!

Beda

*

DER LAZARETT-ZUG

Für die Schlachtfeldbesucher an der flandrischen
Front werden ehemalige Lazarettzüge zu fahrenden
Hotels mit Speise- und Barwaggons, Sleeping-
cars, Bädern etc. zusammengestellt und als Salon-
züge zu den interessantesten Stellen des Schlacht-
feldes hingelektet.

Wem Gott will rechte Gunst erweisen,
den läßt er als Cooks Passagier
das Feld der Flandernschlacht bereisen — —
Indeed! Oh very nice! Look here!

Und wem er will besonders lohnen
die wahrhaft wundervolle Reis',
der darf im Lazarettzug wohnen — —
Indeed! Look here! Oh very nice!

Hier stöhnte grauenhaft verstümmelt
auf gleichem Bett der Invalid',
auf das sich jetzt die Lady lümmelt — —
Look here! Oh very nice! Indeed!

Und wo Fahrbar' und Bahre rollten,
rollt nun die Fahr-Bar des Herrn Cook
mit Whiskys, Rums und Staniolten — —
Indeed! Oh very nice here! Look!

Man ißt und trinkt in jenen Wagen,
die Massen blut'gen Menschenbrei's
einst aus den Martertisch getragen — —

Look here! Indeed! Oh very nice!

Ja, Gott ist gut, — und schickt sehr weise
sogar das greulichste Getier
in seiner Welt noch auf die Reise — —:
indeed! Oh very nice! Look here!

A. D. 21.

COURTOiSIE ERANCAISE

o

2m besetzten Gebiet mehren sich die Fälle, daß
französische Soldaten deutsche Staats-
bürger überfallen und ausrauben. Die fran-
zösische Besatzungsbehörde gibt zum Teil die
Fälle selber zu und verspricht Abhilfe.

Es sollen nämlich die Bezüge, die wir für
jeden Soldaten der Besatzungsarmee zu be-
zahlen haben,umhundertProzent erhöhtwerden,
sodaß für die französischen Soldaten der An-
reiz zu einem „Nebenerwerb" wegfällt.

Ferner sollen die Strafen, die gegen Deutsche
ausgesprochen werden, welche sich durch Be-
sprechung der Schandtaten der schwarzen und
weißen Franzosen einer Beleidigung der fran-
zösischen Armee schuldig machten, von den üb-
lichen zehntausend auf zwanzigtausend Mark
erhöht werden. Aus den gewonnenen Summen
werden dann Prämien an jene französischen
Soldaten gezahlt, welche keine Schandtaten be-
gangen haben, oder nicht dabei erwischt wurden.

—o—

*

DIE

WUNDERTÄTIGEN GLOCKEN

An einem Der letzten Sonntagvormittage hatte Frau
Luise Zieh eine HausangestelltenDemonstrations-
versammlung nach Dem Berliner Lustgarten ein-
berufen. Mitten kn ihrer Rede begannen Die Dom-
glocken zu läuten. Der zungenfertigen Volkstribunin
war es unmöglich, sich weiter verstänDlkch zu machen.
Zornig brach sie ihre Rede ab unD zog an Der Spitze
ihrer HörergemetnDe nach Dem Gewerkschastshaus.

Was uns im deutschen Parlamente

Unmöglich schien und märchenhaft.

Was Fehrenbach als präsidente

Mit seiner Glocke nie geschafft,

Zu hemmen und zu übertönen
Luise Ziehens Redestrom,

Das brachten fertig durch ihr Dröhnen
Die Glocken vom Berliner Dom.

Nichts half ihr Fuchteln mit den Händen,
Nichts ihres Mündchens Allgewalt,
Sie mußte ihre Rede enden.

Die ungehört im Wind verhallt.

Kein Ordnungsruf, kein sanftes Locken
Hat je dies Wunderwerk vollbracht,
Erst das Geläut der Kirchenglocken

Hat Ziehens Lieschen stumm gemacht. —

Der Vorfall zeigt uns Möglichkeiten,

An die bisher kein Mensch geglaubt,
Geredet wird in unsren Zeiten

Mehr als es die Vernunft erlaubt.

Die Hälfte von dem Redeschwalle

Ist, man verzeihe, meistens Mist,

Gut wär's, wenn stets in solchem Falle
'ne Kirche in der Nähe ist.

Und nimmt das Quatschen und das Klöhnen
Dann wieder einmal überhand,

Dann lass man alle Glocken tönen

Und läute Sturm im ganzen Land.

Kunz Franzendors
tz87

PEGASUS DIPLOMATICUS

Anläßlich Der Verewigung Der neuen Wehrmacht
in Österreich wurDe zum ersten Mal Die neue öster-
reichische Volkshymne gesungen, Deren Text vom
Staatsminister Dr. Renner versaßt worDen ist.

Heil dem Land, das solche Männer
Aus sich selbst hervorgebracht,

Welche, wie der Doktor Renner
Auf des Volkes Wohl bedacht.

Die nicht nur des Staates Steuer
Lenken mit geschickter Hand,

Die auch mit der Dichterleyer
Nützen können ihrem Land.

Neidvoll müssen wir gestehen,

Daß uns fehlt ein solcher Mann,-
Nirgends kann ich einen sehen,

Der Gedichte machen kann.

Ob sie arisch, ob mosaisch,

Fachminifter und Prolet,

Alle sind sie höchst prosaisch
Und kein einz'ger ein Poet.

Sehr ist dieserhalb zu hoffen,

Daß man künftig darauf sieht.

Daß ins nächste Amt, das offen,

Einer, welcher dichtet, zieht.

Braucht ihn nicht weither zu holen,

Und, da wertvoll guter Rat,

Halt' ich selber mich empfohlen
Als Ministerkandidat.

Franze aus Berlin

*

MOSKAUS ENTTÄUSCHUNG

ÜBER DIE WAHLEN IN DEUTSCHLAND

In Moskau war ein Geschrei und ein Trubel:
Wo sind die fünfzig Millionen Rubel,

Die wir dem Bolschewisierungstopp
Entnommen und dem Kopp an den Kopp
Geworfen? — Verpulvert, verpafft
und verknattert!

Nur sieben Mandätlein wurden ergattert!
Nur sieben Brüderchen — ob das gerecht ist ?! —
Von denen die Mehrzahl nicht einmal echt ist!!
Das ist fürwahr ein trauriger Trost,

Wenn eines schon acht Millionen kost't!
Wenn jeder, der für Spartakus stimmt.
Gleich 200 Rubel Entschädigung nimmt!

In Rußland genügt schon ein sanfter Druck
Auf die Gurgel oder ein Wodka-Schluck! —
Wir hatten alles auf Kopp gesetzt
Und mächtig ihn in Galopp gesetzt,

Daß er Deutschland im schnellsten
Hopp-Hopp stell'

Und bei den Wahlen auf den Kopp stell' ~
Nun ist Viktor den letzten Knopp los,

Aber Berlin auch balde Kopp-los:

Wozu noch einen Gesandten blechen,

Der zu ungeschickt ist im — Bestechen?!

In Moskau grollt es donnernden Tones:
Victor, redde milliones!

Kehre zurück, daß man dir in den Topp guck'
Und auf den Kopp spuck'!

Depp
Index
-o-: Courteoisie francaise
Franze aus Berlin: Pegasus Diplomaticus
Beda: Der M.S.P. ins Stammbuch
Depp: Moskaus Enttäuschung über die Wahlen in Deutschland
A. D. N.: Der Lazarett-Zug
Kunz Franzendorf: Die wundertätigen Glocken
 
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