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DER STEUERBRUTAPPARAT STRENG, ABER GERECHT! UNERWARTETE HOFFNUNGEN

Eine großartige Erfindung ist kürzlich dem Reichs-
finanzministermm zum Ankauf empfohlen worden. Es
handelt sich um eine ebenso einfache wie sinnreiche
Maschine, die den mit der Ausheckung neuer Steuer-
Projekte belasteten Amtspersonen in Zukunst das Nach-
denken ersparen soll, Über die Konstruktion dieses
geheimnisvollen Apparates wird strengstes Still-
schweigen gewahrt, das der Erfinder nur gegen Liefe-
rung von mindestens zwei Pfund Butter zu brechen
bereit sein soll.

Erst nachträglich wird bekannt, daß eine große
Anzahl der bereits Gesetz gewordenen neuen Reichs-
steuern Ausgeburten dieses gesetzlich geschützten
Gteuerbrutapparats sind, was sehr wahrscheinlich
scheint, da ja einige dieser Gteuerprojekte wirklich nicht
auf die Mitarbeit eines
menschlichen Verstandska-
stens schließen lassen. Mit
Hilfe des Steuerbrutappa-
rats ist es gelungen, folgen-
de neue Steuerprojekte an
dasTageslicht zu befördern:

1. Eine Reichsar-
beitseinstellungs-
steuer, die von solchen
Unternehmern zu entrich-
ten ist, deren Betriebe wäh-
rend mehr als sechs Mo-
nate im Jahr infolgeStreik,

Kohlenmangel und Sabo-
tage still liegen. Oie Steuer
soll nicht mehr als 9.98/» %
des entgangenen Reinge-
winns betragen.

2. Eine Laubfrosch-
und Kanarienvogel-
steuer.

3. Eine Reichszahn-
bürstensteuer, mit der
man den in gewissen bour-
geoisen Kreisen herrschen-
den Luxus empfindlich zu
treffen beabsichtigt.

4. Eine Reichsbank-
notensteuer, die von je-
der verausgabten Reichs-
banknote von vornherein
ein Halb des Wertes ein-
behält, wodurch eine fabel-
haste Besserung unserer
Valuta erzielt werden dürf-
te, und schließlich

5. Eine erweiterte
Reichsvermögenssteuer,
durch die nicht nur Ver-
mögen an Geld und Gut,
sondern auch das Geruchs-,

Geh- und Denkvermögen
des deutschen Staatsbür-
gers erfaßt werden soll.

KUNZ FRANZENDORF

TROST. Selbst mein
Freund Regierungsaff eff or
fährt Vierter. Als ihn eine
Botenfrau aus seinem Hei-
matdorf hier begrüßt, stam-
melt er verlegen: „Za, ja!
Wo sollen wir noch hin-
kommen?!" Darüber be-
ruhigt ihn die Frau mit den
Worten: „Henkamen doht
wie hier ebenso wie in de
tweete Klaff'."

Zn München konfiszierte ein Vertreter der Entente
der „Luftbildgesellschaft" alle optischen Instru-
mente, da diese als „frühere Heeresgeräte" abge-
liefert werden mußten. Wie wir hören, sollen demnächst
auch noch andere wichtige Heeresgeräte uns abgefor-
dert werden: Oie Stiefel, die bekanntlich eines der
wichtigsten Ausrüstungsgegenstände der Infanterie-
Truppen bilden. Da von etwa 8 Millionen Mann
im Kriege doch jeder Mann seine 2 Paar Stiefel
hatte, find im Ganzen 46 Millionen Paar Stiefel an
die Entente abzugeben, alle neu und gut genagelt. In
koulantem Entgegenkommen will der französische
Knegsminister Lefövre statt eines Teiles der Solda-
tenstiefel auch elegante Oamenschuhe nebst den dazu
gehörigen Florstrümpfen als Ersah annehmen.-x-

ERICH WUHE (MÜNCHEN)

„Gräßlich, diese Preissteigerungen! Ietzt kommt ein Fußbad bald teurer,

wie früher Ostende!"

Zum ersten Mal greift die Internationale der Ge-
werkschaften mit dem Sitz in Amsterdam mit einer
großen Aktion in das Getriebe der europäischen Politik
ein, indem sie Ungarn wegen seiner feindlichen Hal-
tung gegen die Arbeiter boykottiert. Oie „Wiener
Arbeiterzeitung" schreibt hiezu: „Wenn nicht alle
Zeichen täuschen, wird sehr bald Gelegenheit zum Ein-
greifen auch in anderen Angelegenheiten gegeben sein."

Wie man aus informierten Kreisen berichtet, wird
die Internationale sofort nach Erledigung des Boy-
kotts gegen Ungarn in England einschreiten. Nur die
insulare Lage dieses Landes sei schuld, daß der Boy-
kott nicht in erster Linie gegen England, das ja so nahe
bei Amsterdam liegt, gerichtet wurde, sondern gegen
das kleine, ferne Ungarn. Oie englische Regierung

hat den Zorn der Inter-
nationale dadurch heraus-
gefordert, daß Lloyd Ge-
orge erklärte, er wolle lieber
eine Million Tote und fünf
Iahre Krieg dran rücken,
als die Unabhängigkeit Ir-
lands anerkennen.

In dritter Linie soll
Frankreich boykottiert wer-
den, das hauptsächlich in
der Pfalz ein Schreckens-
regiment führe und die
schwarzen Senegalesen nur
durch braune Marokkaner
erseht habe, die ebenso wild
und undiszipliniert seien.
Zudem sei eine Reihe So-
zialisten ohne Grund ver-
haftet worden.

Nach bisher noch nicht be-
stätigten Nachrichten greift
die Internationale noch im
Sommer in Rußland ein,
dessen 300köpfige Regie-
rung die Bürgerschaft ver-
gewaltigt und den acht-
stündigen Arbeitstag in
einen zwölfstündigen ver-
kehrt habe.

Gegen die Zeit des Kar-
nevals, vielleicht aber auch
schon in der Oktoberfest-
saison ist in Amsterdam
ein vollständiger Boykott
Bayerns geplant wegen
der an den Tag gelegten
reaktionären Gesinnung
und des in die breiteste
Öffentlichkeit gedrungenen
weißen Terrors, der sich
gegen die Stammgäste des
Söllers und ähnliche Lo-
kale richtet.

Es ist zu hoffen, daß der
Boykott auf der ganzen
Linie erfolgreich sein wird.

DEPP

*

WAHRE GESCHICHTE
In der dritten Klasse war
biblische Geschichte. „Rein-
delsberger",rief der Lehrer,
„erzähle uns einmal den
Sündenfall im Paradiese."
WoraufReindelsbergersich
mit rotem Kopf erhob und
zögernd hervorbrachte: „Ich
bitt/ich Hab damals gefehlt."

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Register
-x-: Streng, aber gerecht!
Kunz Franzendorf: Der Steuerbrutapparat
Depp: Unerwartete Hoffnungen
Erich Wilke: Preissteigerungen
 
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