Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
LvocatLon aus der Vrastms-Phanta sie

Nit Genehmigung des Verlages -Lmsler & Ruthart, Sellin w.)

N a

Und wieder schritt ein Großer aus dem Licht
Des goldnen Tages in des Todes Nacht —
Des Todes, dem der schöpferische Seher

So tief und oft ins dunkle Auge schaute
Und dessen grimmes Walten seine Kunst

Uns, öfter als die Freude, warnend wies!

War auch sein Wirken übervoll erfüllt

Bis an die Grenzen einer Menschenkraft,
Hat er uns auch verschwenderisch beschenkt
Mit vielgestaltig wundervollen Gaben,

Mit Schönheitsträumen voll geheimen Sinns,
Geholt aus Tiefen seiner eignen Welt -
Wir seh'n ihn doch mit wunder Trauer geh’n,

Ihm tönt als Scheidegrufi ein: Viel zu früh!
Wie allen Besten, in die Grube nach.

Wie war er reich! Nicht reich an Kunst allein -

Auch reich an Geist und menschlich
warmem Fühlen,

An Willen und an zäher Kraft! Die Sonne

Homers warf ihren Schimmer in sein Herz,
Gleich jenem Glanz vom Kreuz auf Golgatha

x Klinge

Und Beides ward ihm Eins in seiner Kunst,
Hat ihm die rauhe Gegenwart verklärt

Mit allem Leid und aller Menschentorheit.

Kein Ziel war ihm zu hoch für seinen Flug -
Weit über alle Grenzen drängt’ es ihn
Hinaus - und nichts war seinem Flei£ zu klein,
Dafj er’s nicht froh, mit zärtlichster Geduld
Ins Allerletzte zu ergründen suchte.

Nichts war ihm fremd, was Kunst sich nen-
nen darf -

Er führte Griffel, Pinsel, Meißel, Feder,

Das Reich der Töne war ihm heimisch Land,
Und wo er Zugriff, ward ein Gutes d’raus.

Was er in flüchtiger Minuten Schöpfung,
Was er in Jahren mühvoll aufgebaut,

Trug seines ganzen Wesens Prägung. Ihm
War der Gedanke Form, die Form Gedanke,

Und Malerei und Dichtung und Musik
Entströmten ihm dem gleichen WunderquelL

Im Suchen und im Schaffen stand er einsam,

Sich selbst genug, wie ihn die Zeit umschrie,

8 r i H von (!) st i n i

r +

Und ehern war sein Glaube an das Ziel,

Vom Beifall nicht, vom Angriff nicht berührt,
Nie hat er spielend Leichtes leicht genommen,

Ein strenger Richter jeder eignen Tat!

Und eins vor allem: ob er schönheitsdurstig
Das Land der Griechen mit der Seele
suchte -

Wie blieb er deutsch in seines Wesens Kern!

Wie deutsch in seinem Ernst, in seiner
Frommheit

Vor der Natur und ihren stillen Wundern,

In seines Willens Macht, dem Geistesadel,
Dem nur das Gute sich von selbst verstand -

Wie rührend deutsch in seiner Dankbarkeit
Für alles Groste, das ihm Groste gaben!

Er ging von uns! Folgt seinen Spuren nach,
Die ihr das Werk der Zukunft bauen sollt!

Erkennt, was schön und ewig an ihm war.
Und seine Schöpfung dankbar neu geniestend

Gewinnt ihn euch aufs neue, und für immer
Ist euch ein köstlich Erbe dann geschenkt!

JUGEND 1920 — NR. 30 — ERSCHIENEN SAM A G DEN 24. JULI 1 920

15e gründer : Dr. GEORG HIRTH. — Verantwortl. Ha uptschriftleiter: EUGEN K
•ERANZ LANGHEINRICH, CARL FRANKE, KARL IIÖFLE, sämtliche in München. — Für d <
Verlag: G. HIRTH’s Verlag, G. m.b. II., München. — Geschäftsstelle
für Oesterreich MORITZ PERLES, Verlags-Buchhandlung, Wien j,

Seilergasse 4. — Für Oesterreich verantwortlich FRIEDR. KELLER.

: Mark I

; > ei ter: FRITZ v. OSTINT. ALBERT MATTHÄI,

• ■ antwortlich: GEORG POSSELT, München.

ORR & Hlim, München. — Alle Rechte
; ! — N a c h d • uck strengstens verböte t.

) by G. HIB l’H’s Verlag, G.m.b.H., MünchfeJ.

/
Register
Fritz Frh. v. Ostini: Max Klinger †
Max Klinger: Evocation aus der Brahms-Phantasie
 
Annotationen