Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
«OL

@ i n p Geschichte auö bem Jahre



1926 Don N. H e i m er

Der Umsturz ber bisherigen Weltorbnung ist eine Dollenbete Tatsache,
nnb nun kann ich mein Schweigen brechen unb wenigstens in großen
Zügen erzählen, welchen Anteil an ben Ereignissen meine Arbeit nnb ber
Zufall mich nehmen ließen. Daß nnb warum ich heute noch nicht alles
sagen kann, wirb bem Leser balb genug klar werben.

Mein erster großer Erfolg nnb ber Ausgangspunkt alles weiteren war
bie Tatsache, baß ich Golb machen lernte. Das Problem lag ja schon
Dor bem Kriege in ber Luft. Wir ahnten ober wußten, baß bie alte Lehre,
nach ber alle Körper ans einer nicht ganz geringen Anzahl unoeränber-
licher chemilcher Elemente zusammengesetzt waren, unhaltbar geworben sei,
baß biese Elemente ihrerseits wieber nur Derschiebene Ma ken eines einzigen
UrstofseS barstellten. Die Rabinmforschnng hatte nnS zn ber Erkenntnis
geführt, baß es möglich sei, ein Element in ein anbereS übergehen zu lassen.

Als ber Krieg begann, bie für Dentfchlanb so unglückliche Wenbung zu
nehmen, war ich mit meinen Vorarbeiten schon ziemlich weit gekommen.
Ich war allerbmgS noch nicht fähig, nach Belieben ein Element in ein
anbereS überzuführen, aber eS war mir gelungen, bis zu einem gewissen
Grabe bie Verlagerung ber Atome im gegebenen Molekül zu beherrschen,
und namentlich eine Serie Don Experimenten halte zu einem ganz uner-
warteten Ziele geführt, Ich sah zwei Wege Dor mir, um meinen Haß
gegen Englanb, ben hinterlistigen Velderber meines Vaterlanbes, zu be-
friedigen. Ich konnte Erbe in unfruchtbares Gestein Derwanbeln, also bas
Reiultat ber über Millionen Don Jahrhunderten auSgebehuten Verwitte-
rungsprozesse rückgängig machen, unb ich konnte gewisse Gesteinarten zu
einer explosionsartig rasch oerlaufenben Zersetzung bringen.

Ich hatte also bie Wahl, ob ich biese Derfluchte In>el, Don ber, auch
nreiner heutigen Überzeugung genräß, alles Unglück für mein Volk unb
für bie Menschheit ausgegangen ist, in eine Wüste Derwanbeln, ober in
bie Luft sprengen wollle. Da ich bekanntlich mit Strahlen arbeitete, spielte
bie räumliche Entfernung so gut wie keine Rolle; ich hätte Don einem an
ber Küste gelegenen Laboratorium aus aufGroßbritanm'en einwirken können.
Ich benötigte bazu nur eine Anzahl größerer unb stärkerer Apparate, bie zu
beschasfen mir allerbings meine augenblickliche stnauzielle Lage nicht erlaubte.

Ich nahm baher Dorerst meine Arbeiten
zur Verwanblung ber Elemente wieber auf.

Nach zweijähriger harter Arbeit war ich
imstanbe, jebeS beliebige Element in jebeS
beliebige anbere überzuführen. Die Der-
wenbeten Strahlen mußten genau auf bas
ursprüngliche unb baS.zu erzielenbe Element
abgestimnrt fein. Durch Koppelung einer
Anzahl entfprechenb eingestellter Apparate
gelang eS mir auch, zusammengesetzte
Körper, soferne nur ihre chemische Kon-
stitution bekannt war, in einen reinen
Stofs, also z. 23. Legierungen in pures
Golb, überzuführen, unb zwar ohne
nennenswerten Gewichtsoerlust. Ich hätte
also jetzt ohne besonbere Schwierigkeiten
bie Mittel für meinen Angriff auf bie
britische Insel beschasfen können.

Inbessen hatten sich meine politischen
Anschauungen wesentlich geänbert. Ich
hatte eingesehen, welche Ungerechtigkeit es
bebeutet, ein ganzes Volk für bie Sünben
ferner Regierung Derantwortlich zu machen
unb büßen zu lassen.

Außerbem unb hauptsächlich: Ange-
sichts ber enormen Umwälzung, bie ich
jetzt, als Herrscher über bie Elemente, be-
wirken konnte, erschien mir mein früherer
Plan kleinlich unb grausam. Ich konnte
eine weit Dollkomnrnere und zugleich eblere
Rache an unseren bisherigen Bedrückern

nehmen, ich konnte sie ber Machtmittel, bie ihnen seither bie Unterjochung
ber übrigen Menschheit gestattet hatten, berauben;, ich konnte bie Mensch-
heit Don ber Herrschaft ber Angelsachsen, unb zugleich Don ber be6 Golbes
überhaupt, erlösen.

Nachbem ich sorgfältig alle Vorbereitungen getrosten hatte, begab ich
mich eines Tages zum Staatssekretär beS ReichsschatzamteS. Es ist wohl
nur selbstoerstänblich, baß bieser Herr mich zu Beginn unserer Unterrebung
als einen Narren behanbeln wollte. Darauf war ich gefaßt gewesen, unb
ich hatte eS mir angelegen fein lassen, mir einen kleinen Apparat zu kon-
struieren, Dermittelst bessen ich Dor ben Augen beS Staatssekretärs einen
silbernen Aschenbecher in einen kleineren golbenen oerwanbelte.

Damit waren mir alle Wege geebnet, unb ber Staatsmann ging be-
reitwillig unb DerstänbniSDoll auf alle meiiie Ibeen ein. Zunächst hanbelte
es sich barum, genügenbe Golbmengen zu produzieren, um alle Skaats-
fchulben schleunigst zu bezahlen, unb um einen ausreichenben Schatz anzn-
legen. Die Franzosen unb Englänber wunderten sich nicht wenig über bie
Geschwinbigkeit, mit ber ihnen Milliarde auf Milliarbe ausbezahlt wurde,
unb bie Neugierde unb bas Mißtrauen, mit benen sie überall herum-
schnüstelten, waren lustig zu beobachten. Wir erzählten ihnen Don reichen
Goldfunben in einigen Bergwerken in ben Alpen, unb in ber Tat richtete ich
mich in einem bieser Bergwerke ein unb Derlegte meinen ganzen Betrieb
borthin. Ich ließ eS mich sogar ber Mühe nicht Derbrießen, in einem
Kupferbergwerk alle erreichbaren Kupferadern in Golbabern zu Derwanbeln,
um bann einige Entente-Spitzel barin herumzuführen unb ihnen trium-
phierend unseren neuen Reichtum zu zeigen.

Es bedurfte selbstDersiänblich ungeheurer Vorsichtsmaßregeln, um das
Geheimnis zu behüten. Nur dreimal durchgesiebte Leute konnten als An-
gestellte ober Arbeiter ausgenommen werben. Die Hauptmasse der Arbeiter
förderte Kohle, die in die Fabrikgebäude gelangte, zum geringeren Teil
als Heizmaterial für die Maschinen, zum größten Teil aber, um sofort in
Goldklumpen Derwandelt zu werden. Gelegentlich machten wir uns auch
den Spaß, einen Diamanten Don phantastischer Größe und Reiiiheit her-
zustellen, der daun auf seltsamen Umwegen nach Südaftika und Don da

schließlich nach London gelangte, worauf
dann regelmäßig in der englischen Presse
der neue Zuwachs an britischem National-
reichtum mit wildem Geschrei bl'grüßt
wurde. Wir sammelten solche Äußerungen
sorgfältig und lachten uns ins Fäustchen.

Allmählich dehnte sich unser Betrieb
immer mehr aus. Die Goldmacherei wurde
zum Nebengeschäft; die Hauptsache wurde
die Herstellung komplizierterer und un-
uiittelbar weitooller Verbindungen aus
beliebigen Rohstosten. Wir Derwandelten
den gesamten 'Abraum unserer Bergwerke
mit der Zeit in Zucker, Ül, Stärke, Gummi
und ähnliches. Vorsichtig und behutsam
wurde die Lebenshaltung der Derarmten
Beoölkerung wieder gehoben, wobei be-
deutende Ankäufe Don Nahrungsmitteln
und Rohstosten gegen Gold uns oor un-
zeitiger Entdeckung unseres Geheimnisses
schützten. Je reichlicher daS Gold in die
Taschen unserer Feinde stoß, um so gieri-
ger und unDerschämter wurden sie, sodaß
wir uns im Bezahlen und im Seufzen
über die an uns gestellten Anforderungen
kaum genug tun konnten. Wir mußten Dor-
sichliger werden, weil schon in britischen
und französischen Zeitungen gelegentlich
darüber geklagt wurde, daß man die
Kriegsentschädigung offenbar zu niedrig
bemessen und unsere Leistungsfähigkeit weit

1120
Register
N. Heimer: Gold
Paul Neu: Silhouette
 
Annotationen