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Vorschlag zur Güte

Die Entente scheint auf der Auslieferung der
deutschen Milchkühe zu bestehen. Zwar bedarf
Frankreich dieser für Deutschland unentbehrlichen
Tiere ebensowenig, wie es der großen deutschen
Kohlenlieferunqen bedarf, aber das ist ja auch
gleichgültig. Die Hauptsache ist, daß Deutsckland
endgültig ruiniert und sein Nachwuchs dem Siech-
tum preisgegeben wird.

Jjn Anbetracht dieses edlen Zieles fei dem
Patentkulturvolk der Franzofen ein Vorschlag
gemacht: man liefere ihm statt der 600000 Milch-
kühe 500 000 deutsche Säuglinge aus, die es
dann totschlagen mag. Das ist einfacher und
vielleicht sogar humaner. Und Frankreichs Ver-
bündete werden diesen direkten Kindermord
ebenso gleichmütig zusehen, wie sie bisher dem
indirekten zusahen. Kärtchen

*

Der starke 91?ann

Jjn Berlin war ein durch nichts gerechtfertig-
ter Streik der Eiektrizitätsarbeiter, geschürt von
Kommunisten, ausgebrochen. Berlin war plötzlich
ohne Licht und Strom für Sttaßenbahnen und
Maschinen.

Der Minister des Innern, Severing, erklärte
energisch, daß die Regierung die Lage mit ge-
spannter Aufmerksamkeit verfolge und die ent-
sprechenden Maßregeln überlege.

Diese sind, wie wir hören:

1. Verbot der technischen Nothilfe, damit durch
sie die streikenden Leute nicht verstimmt werden.

2. Schliiß der Bürostunden um l\ Uhr in
allen Ministerien, für den Fall, daß wieder das
Licht ausbleibt.

3. Ankauf von 5o Automobilen für die Re-
gierung, damit deren Mitglieder durch das Still-
stehen der Straßenbahnen nicht gehindert weiden,
mit gespannter Aufmerksamkeit den Verlauf der
Streiks zu beobachten.

4- Eine vätei liehe Bitte an die Streikorgani-
sation, die Streiks um 1/4 °/0 einzufchränken.
Minister Severing hofst, damit im kommenden
Jahre die Streiks so erheblich zu vermindern,
daß wir statt der 43 Millionen durch Streiks
verlorene Arbeitstage, die wir im vergangenen
Jahre zu beklagen hatten, bloß 42V2 Millionen
verlorene Arbeitstage verzeichnen werden.

Auch sonst greift Minister Severing mit kräf-
tigen Maßirahmen ein.

Jüngst hat die Sowjetregierung in Moskau
erklärt, daß sie einen Geheimvertraq mit den
deutschen Koinmunisten geschloffen habe,
demzufolge diese einen bewaffneten Aufstand zu
organisieren und die deutjche Räterepu-
blik unter Oberleitung der Moskauer
Henker zu errichten haben.

Minister Severing verfolgt natürlich auch dies
Unternehlnen mit gespannter Aufinerksamkeit.
Dies beweist fein Ausspruch: „Ich bin neugierig,
ob die verflixten Kerle wirklich die Rätediktatur
einsetzen. Wenn dadurch die Ordnung im Lande
empfindlich gestört würde, wäre es nicht ausge-
schlossen, daß ich mir überlegen würde, ob ich
die Sache unter Umständen gewissermaßen inner-
lich zu mißbilligen mich gezwungen sehen dürfte!"

Lieb Vaterland, magst ruhig sein! _0_

An die Jugend

O Jugend, es geht mit Dir dahin!

Begreifst Du, daß man veraltet?

Du ernst so blühende Blüherm,

Was hast Du mit Deinem Jugendsi'nn
Nicht blüherischer gewaltet?

Wenn das Dein Vater, der Doktor Hilth-
Erlebt noch hätte am Leibe,

Daß, wer die Jugend interessiert.

Am besten „erotisch invertiert"

Zum Manne ist, — nicht zum Weibe.

Ach, Beide habt Ihr es nicht gewußt!

Euch schien es noch keine Sünde,

Ein Kind zu lieben mit runder Brust,

Ihr kanntet nicht die höhere Lust
Der „obersten Männerbünde".

Ihr wußtet noch nicht, was es bedeut'.

Daß Schiller — hm! hm! — Kadett war;
Und daß er begeistert schriebe heut'

Nicht „an die Freude", — nein „an den Freud",
Weil er „verdrängter Kinäd" war.

Und daß auch Sophokles Päderast,

Und jeder „Homo" ein Heros!

Und daß ein Sohn seinen Vater haßt
(Obwohl als „Mann" er verdiente fast
Weit eher den äpog!)

Und daß ein neues junges Geschlecht,

Kaum trocken hinter den Ohren,

Sich seinen Eltein zu sagen erftecht:

„Der einz'ge Beruf, zu dem Ihr recht.

War der, daß Ihr mich geboren."

O Jugend, da kommst Du nicht mehr mit!
Du bist die Jugend von früher, —

Willst Du modern sein, wage den Schritt
Und ändre Deine Gesinnung und bitt'

Uln Erziehung den Doktor Blüher.

Sr n c er

*

Die Miezchen

Ein französischer General im besetzten Gebier befahl die sofor-
tige Beschaffung zweier Kätzchen „mit schönem Fell(!)" für
se.üe beiden Töchter ...

Befehl: Für die Nichten des Colonels
sind bis übermorgen
zwei Miezchen besonders seidenen Fells
zu besorgen!

Daß Damen besitzen muß ein Heer
und Damen — Miezcken,
bedarf für französisches Militär
keiner Pläjudizien.

Man füge nur deni Vertrage von Spa
(Betreff: Ei satzpflicht)
eine Z'ffer bei — etwa 200 a —
über Katzpflicht,

worin bestimmmt wird, daß ohne Entgelt
und Bosch-Malitien
jedwede französiiche Dame erhält
ein neues Miezchen.

A.D. Ol

D ie Akte

Andreas Szenes, der Maler, pflegt im Gar-
mischer Keller zu essen.

Eines Abends, als die Gäste fo ziemlich alle
schon gegangen sind, setzt sich der Wirt freund-
schaftlich zu SzeneS, dem letzten heute. Und be-
trachtet aufmerkfani eine Mappe mit Aktskizzen.

„Hm," sagt er. „Hm. Was soll das, Herr?
Was ist das?"

„Studien," antwortet Szenes gutmütig.

Der Wirt verwundert: „Sie? Studieren noch?"

„Nun, studieren muß man immer."

„Und was . . . was werden Sie dann mit
diesen Blättern beginnen? Wohl wegwerfen?"

„Bewahre!" sagt SzeneS „Es gibt Kunst-
fteunde, die derlei sammeln. — Liebhaber, die
eS gut bezahlen . . ." — „Wie hoch?"

„Nun mancher gibt gern drei-, vierhundert
Mark für eine Zeichnung."

Der Wirt ruft hinüber nach feiner Frau:
„Mutter! Hör! Es gibt Leute, die drei-, vierhun-
dert Mark für sowas zahlen!!"

Dann murrt er kopfschüttelnd vor sich hin:
„Und ich Esel Hab all mein Lebtag anständig
gearbeitet." Roda Roda

*

Das also ist das deutsche Reich!

Als Foch beim Waffenstillstandsfchluß —
Erzählt er selber — den Genuß
Gehabt, Erzbergern anzuseh'n

Blieb der Verstand ihm stille steh'n
Und höhnisch sagte er sich gleich:

DaS also ist daS deutsche Reich?! —

Wär' dort ein Mannsbild aufgetaucht.

Ein Deutscher, wie wir ihn gebraucht
Und hätt' gesagt: „Mein Volk erliegt.

Von Not und Übermacht besiegt —
Doch seht euch vor: macht ihr's zu toll.

So leiht ihm neue Kraft fein Groll!

Und eh' uns euer Rachegeist

Vernichtend ganz zu Boden schmeißt.
Bezahlt ihr selbst mit eurem Sturz

Die Niedertracht!" — Hätt' klar und kurz
Ein Mannsbild so zum Foch gesagt.

Sie hätten kein „Versailles" gewagt!

Doch als man dazumal in Spa

Die feiste Null Matthias fah.
Katzbuckelnd, grinsend und devot.

Bereit zu jedem Schaudgebot,

Da wußten sie: „Wir können nun

Mit Nachbar Micheln alles tun.

Das also ist das deutsche Reich?

Gebt ihm nur gleich den letzten Streich,
Weil's fürder doch zu nichts mehr taugt.

Als ohne Recht und ausgesaugt.

In ewig hoffnungsloser Fron

Zu schuften, uns zu Spaß und Hohn!"

Da ward uns der Vertrag diktiert.

Der uns entehrt und ruiniert.

Weil wir, in Angst und Wahn verstrickt.

Den Jammei mann nach Spa geschickt —
Den aber hat sein dankbar Land

Zum Reichsm in ist er d'rauf ernannt! £>.

1191
Register
O. [Ostini]: Das also ist das deutsche Reich!
Karlchen: Vorschlag zur Güte
Roda Roda: Die Akte
Sincer: An die Jugend
A. D. N.: Die Miezchen
-o-: Der starke Mann
 
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