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Die Elbe bei Meitze,, Ernst Burmestcr f

übernatürliche Kraft ist. Sie hat's wohl aus dem Herzen des Herr-
gotts, unmittelbar.

Ich sagte mir, das; ja Frieda an sich ein gar nicht übles Gesicht hätte
Warum sollte es nicht gelingen, diesen Bauern und unbewußten Nieh-
scheaner entzückend zu blamieren!?! Das Mädchen hatte auch einen
rührenden Ton in ihrer Stimme! Und etwas immerhin Verführerisches
in ihren Bewegungen! Als mal Frieda diese Tintenstube verließ, habe
ich plötzlich begriffen, wieso Homer an den «beindrehenden Rindern"
eine so göttliche Freude hatte!

Am folgenden Tage brachte mir Frieda die Botschaft meines Zahn-
arztes, daß er es wirklich billig machen wolle. Hundertundachtzig. Ich
zahlte ihr auf die Ecke meines Schreibtisches eine Beihilfe von neunzig
Mark. Woraus sie einen sichtlich dankbaren, sehr netten Knix machte.

Ui,6 mein Zahnarzt vollbrachte ein liebliches Wunder.

Also nun konnte meine Frau ihre fünf siebzehnstündigen Arbeits-
tage antreten. Es war nur noch vereinbart worden, daß am ersten Tage
nach Friedas Heimkehr größere Wäsche stattfknden sollte.

Aber nach Ablauf der fünf Tage begann das Befremden. Meine
Liebste und unsere vierundzwanzigjährige Tochter mußten diese Wäsche
allein waschen. Eine reichliche Woche war nach dieser Wäsche vergangen,
da erhielten wir einen Brief aus Frankfurt an der Oder, daß Frieda
sich «den Fuß verstaucht" hätte, lind alsbald folgte der Satz, der alle
Masken fallen ließ. Sie schrieb: Wenn wir bei ihrer Rückkehr sie etwa
mit einer „großen Schimpferei" empfangen wollten, so würde sie «sofort
umkehren, sofort und an der Haustür."

Da haben wir uns ein anderes Mädchen genommen. Auch habe ich
um diese Zeit mal wieder ein Frcindwort aus dem Garten der deutschen
Sprache jäten können, das Fremdwort „Sentimentalität." Man kann

sehr gut «Gemütsdummheit" sagen, oder „Gemütsunsinn". Nun kann
man auch einen feinen Unterschied machen, jenachdem ob das Lächer-
liche nur einmalig ist oder ein dauerndes Leiden.

Nach beinahe drei Wochen kehrte Frieda zurück, meine Frau wollte
sie nicht roh auf die Straße setzen, sodaß wir nun vorübergehend zwei
Mädchen zu besolden und zu ernähren hatten. Übrigens haben wir auch
die von Frieda befürchtete «große Schimpferei" fast vollkommen ver-
mieden. Was hätte das für einen Wert gehabt?! Za, es war mir ge-
radezu ein Stolz und ein Trost, wie meine Frau bei dieser ungewöhn-
lich schweren Prüfung sich fast vollkommen beherrscht hat.

Einige Tage aber nach Friedas Heimkehr sollte es mittags Möhren
geben, die beiden Mädchen und die Vierundzwanzigjährige schabten
im Garten dieses Gemüse, und hierbei kam die beindrehende Frieda in
eine übermütige Stimmung. Sie hat, wie meine Tochter sagte, sich
auch an diesem Schaben fleißig beteiligt. Faul im gewöhnlichen, völlig
trostlosen Sinne ist sie ja nie gewesen, lind munter plaudernd hat sic
bei dieser Arbeit erzählt, daß der Besuch bei ihrem Kind eigentlich
nur zwei Tage gedauert hätte, lind sie hätte es ja vorhergewußt, daß
dieser Bauernlümmel sie gleich wieder hinausschmeißen würde. Dieser
Schweinehund. Der verstauchte Fuß aber wäre natürlich bloß eine
Notlüge gewesen, llnd jeden Abend könnte man in Frankfurt an der
Oder selbstverständlich irgendwo tanzen.

Gestern aber ist Friedas Korb auf die Droschke des Nimmerwieder-
sehens geladen worden, und nun fehlt auch noch meiner Frau daö
schwarze, mir sehr ans Herz gewachsene Schultertuch, das ich ihr da-
mals in Venedig gekauft habe.-Als wir noch reisen konnten.

Ah, wenn ich edel bin ...

Wenn ich edel bin, bin ich ein Gimpel!!!

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