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N-euj ahr 1921

Was wünsche ich zum neuen Jahre?

Ach Gott, der Wünsche sind so viel,
lind Zeit war's, das; das schauderbare,

Das alte Jahr in Schutt zerfiel!

Wünsch' ich, das; unsre Kohlen reichen,
lind währe noch so lang der Frost?

Das; alle Schieber und dergleichen
Der Teufel holt per Extrapost?

Wünsch' ich, daß unsre Ernte langte,

Bis wieder reif das Korn sich wiegt?

Daß gegenseitig die Angtangte
Sich blutig bei den Köpfen kriegt?

Das; unsre Mark auf hundert klctter' ?

Das Münzamt Gold und Silber prägt?

Daß jede Kuh, potz Donnerwetter,

Im Jahre neunzig Kälber trägt?

Wünsch' ich, daß bei dem Steuertanze
Ich nicht zu oft der Tänzer sei?

— O nein, ich gehe mehr aufs Ganze,
Steht mir einmal das Wünschen frei:

Ich wünsche (es ist unbescheiden)

Das eine Wunder über Nacht,

Das allen, allen unsren beiden
Mit einem Schlag ein Ende macht.

Das Wunder, das sich nie begeben

lind das allein in dieser Zeit

lins kann aus Schmach und Schande heben,

Das Wunder: Deutsche Einigkeit!

Dann wird, was allzu lang verkannt sich,

In segensreichstem Bund gedeihn,
lind neunzehnhunderteinundzwanzig
Wird unser Aller Glücksjahr sein!

Karlchen

G r ü n d c

Dle Ge rmania veröffentlicht einen Hirtenbrief gegen
die öffentliche Unsittlichkeil, namentlich die unanstän-
dige Damenmode, die so sehr mitschuldig sei an der
Entsittlichung des Volkes.

Mir ging's schon immer durch den
Sinn,

wenn mir so häufig zu Gesicht
die schönen Waden kamen:

Das ist doch keine Keuschheit nicht!
Da steckt doch rein der Teufel drin!
O, diese Damen!

Was eine Christin, brav und frumm,
die hat doch keine Waden — — oh!
Da müßt' sic sich ja scbamen!
lind hat sie wirklich Waden wo,
daitit sind doch ihre Beine krumm . .
in Gottesnamen!!

Drum, Mit-Betschwcstcrn, schwört
es laut:

Wir huldigen um keinen Preis
der Mode, der infamen —
damit, das; Keiner das erschaut,
was wir mit Röcken klugerweis
bedecken —! Amen!

A.D.N.

) u b i l ä u m

Weißt du's schon, o Publikum,

Daß um diese Zeit herum

Fünfundzwanzig Jahr' zu End' gch'n
Seit uns Wilhelm Konrad Rönlgeit
Zuricf eines Augenblicks:

Heureka! — Das sind die „R"?

Ungezählte Patienten
Danken unserm eminenten

Forscher Heilung ihrer Plagen
Und zumindest, darf man sagen,

Milderung des Mißgeschicks
Kraft Verwendung seiner „2C".

Wer denkt nicht in diesen Stunden
An des Weltkriegs grarise Wunden
Und wie aller Weltnationen
Feldchirurgen in Millionen

Fällen, um zu helfen fix,

Leuchteten mit deutschcir „R"?

Wär das nicht allein genügend
Hin dem Feindbund, der uns lügend

Hieß „Barbaren" und „Halunken"
Gründlich durch das Maul zu funken
Wegen seines üblen Tricks
Immer „Us" zu seh'n statt „R"?

Und so gibt's auf der durchseuchten
Welt noch vieles zu drirchlcuchten,

— WaS dem deutschen Geistesringen
Unaufhaltsam wird gelingen!

Ausbaufähig wie sonst nix
Sind die Zauberstrahlen „R"! „I,,gc»d'

.7*

politisches

„Ick pfeif us den Bolschewismus — wo willste denn da
wat klauen, wenn kcencr wat hat."

Der Kellner mit dem Knopf

(GHasel von A. D. 71.»

Wie galt inan früher als ein schofler Knopf doch,
gab man sein Trinkgeld nicht „dem Herrn
marqueur";

wenn noch so gut nach Rosenöl sein Kopf roch,
er neigt' ihit tief vor Einer Mark
„äouceur"....

Heut' aber — immer schüttle ich den Kopf
noch —

wo auch das Trinkgeld zehnfach wär' und höh'r,
ists abgeschafft durch allgemeines Knopf-Joch!
Das heißt: wer Wein, Kaffee dir bringt, Likör,
und einen Knopf am Frack hat ohne
Knopfloch,

(einsamen Knopf, ausseh'nd, als ob ihn fror'!)

— Der trägt als Trinkgeldgegner seinen
Kopf hoch

und schenkt dir nicht das mindeste Gehör,
wenn etwa dir die Absicht durch den Kopf kroch,
zu sagen: „Hier zehn Mark für Sie, Kellnör!" —

— So ist das Leben. Gestern galt ein Knopf
noch,

fand er sich unterm Trinkgeld, — als Malheur,
heut trägt der Oberkellner diesen Knopf hoch,
wie seine Krone einst der Grandseigneur ....
Doch tröste dich! — auch ohne dein clouLeur
ziehn sic dir aus dem Sack den letzten Knopf
doch!

*

0 sächsische Gemütlichkeit!

O sächsische Gemütlichkeit,

Wohin bist du entwichen.

Ist mit der sluchbclad'nen Zeit
Auch deine Zeit verstrichen?

Mit Wehmut lese ich im Blatt,
Was jüngst sich zugetragen hat/
Herrjehmersch nee, Herrjeses,

Wer denkt an so was Beeses?

Iit Dräsen, dieser Stadt des Lichts,
die sonst so sanft beflügelt.

Hat vor den Schranken des Gerichts
Man schrecklich sich verprügelt.

Der Richter und der Inkulpat,

Die schlugen sich zu Kopfsalat,
lind arich des Volkes Haufe
Nahm teil an dem Geraufe.

Darob ward vom Regierungssitz
Verfügt in edlem Grolle,

Daß man die Wächter der Justiz
Fortan bewaffnen solle,-
Doch nicht mit Säbel und Gewehr,
Nicht mit Kanonen leicht und schwer,
Nein, denkt, man schlägt zu Krüppeln
Das Volk mit Gummiknüppeln!

O sächsische Gcmiedlichkeit,

Wie hast du dich verwandelt!

Wie sanft ward doch in früh'rer Zeit
Der größte Lump behandelt.

O Blicmchenkaffee, lebe wohl:

Der Gummiknüppel als Symbol!
Herrjehmersch, wie kemeene,

Jetzt wech, laßt mer alleene!

Kunz Franzendors

i ck a r d Dv o ft

9
Register
A. D. N.: Der Kellner mit dem Knopf
A. D. N.: Gründe
Redaktioneller Beitrag: Jubiläum
Kunz Franzendorf: O sächsische Gemütlichkeit
Karlchen: Neujahr 1921
Richard Rost: Politisches
 
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