derer, die um ihn trauern werden. Die Tochter hatte sich
ans der Gegenwart schon in die schönere Vergangenheit
geflüchtet, durchlief ihre Mädchenerinnerungen und an des
Vaters Hand den bunten Garten ihrer Kindheit. Sie sprach
gut von dem Verstorbenen. Der tonnte seine Tochter nicht
iiiehr hören, aber der Tod hakte über seine stillen Züge leise,
ganz leise de» Frieden eines ei füllten Lebens gebreitet.
Da kamen die Kraiikenträger. Der Arzt gab ihnen die
notwendige» Weisungen und sie hoben die Leiche vom Tisch
auf ihre Bahre.
Eben als der Tote wegqekragen wurde, dröhnte die erste
Lachsalve, dann ein Beifallssturm aus dem Zuschauerrauin.
Wir brachten die Dame zu cineiii Wagen uiid veiab-
schiedeten uns. Der Arzt kehrte ins Theater zurück. Ich bin
noch lange allein durch die stillen winterlichen Straßen ge-
gangen und hatte nach Lustspielen keiii Verlangen mehr.
Deich Stimmung
Strandheidereich,
Dünen und Deich!
Wolken und Wogen, Himmel und du!
Ich liege im Ginster, die Augen zu,
und höre ein Lied in Schaum und Wind;
das tönt wie graue Unendlichkeit,
und ein Klang darin von der nahen Zeit,
wo wir alle — lange vergessen sind.
Achim Stoltenberg
Intermezzo
Der Stroßenbahnzug hält. Eine sehr entzückende Dame,
in Gesellichaft eines Herrn, steigt ein.
Sie niinint neben mir fstan, ohne den lebhaften Waffer-
fall ihrei Mvllstimine einzudämmen.
Er lehnt stch, „i die Zeitung blickend, an die Tür des
Wagens. Weil» er einmal, nach langem Intervall, ein
Wort entgegnet, merkt mau, daß er Fehler im Zuhören
begangen hat.
„Aber du paßt ja gar nicht auf!"
Er lächelt zerstreut, nickt, liiarkiert flüchtig Aufmerksam-
keit, läßt wieder die Augen in die Druckjpalicn irren.
Sie fähit zu sprechen fort.
„Du bist ungezogen!" erklingt eg plötzlich mit etwas
schärferer Betonung.
Ich entnehme meiner Aktentasche eine umfangreiche,
prächtig illustrierte Moden:coue, deren Blätter ich rauschend
umwenöe. — Die Dame stutzt. Blickt scheinbar zufällig,
kurz musternd herüber.
Ich war bei „Unterkleidern und Schuhen," nun gehe
ich zu „Blusen und Jacken" über.
Die Dauic plaudert langsamer und schickt andauerndere
Blicke. Er läßt etwas hänsiger einen Satz von Stapel.
Ich bin bei den „Kostümen" angelangt.
Sie macht Gesprächspausen, er Ipricht anhaltender.
Nun aber schlage ich die „Hüte" auf.
Sie spi icht nicht mehr, scheint jegliche Scheu überwunden
zu haben und blickt nnt aiigelegeiitlicher Interessiertheit in
meine Zeiiichnsk. Er bat mir einem cnergsichen Knick leine
Zeitung zuiainniengebogen, eingesteckt uiid ipricht, mir haß-
eifüllte Blicke zuwerfenö, nun ununterbrochen.
Die Modcnrevnc hat ihreii Zweck erfüllt. Ich schiebe sie
wieder m Die Aktentasche.
Die Danie lächelt.
Und der Herr — beginnt langsam wieder die Zeitung
aus Ser Tasche zu ziehen. xtö. Ju, Lith'ncr
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- ' V ' ' r . ‘ . . - . - .
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21. Chabanian
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ans der Gegenwart schon in die schönere Vergangenheit
geflüchtet, durchlief ihre Mädchenerinnerungen und an des
Vaters Hand den bunten Garten ihrer Kindheit. Sie sprach
gut von dem Verstorbenen. Der tonnte seine Tochter nicht
iiiehr hören, aber der Tod hakte über seine stillen Züge leise,
ganz leise de» Frieden eines ei füllten Lebens gebreitet.
Da kamen die Kraiikenträger. Der Arzt gab ihnen die
notwendige» Weisungen und sie hoben die Leiche vom Tisch
auf ihre Bahre.
Eben als der Tote wegqekragen wurde, dröhnte die erste
Lachsalve, dann ein Beifallssturm aus dem Zuschauerrauin.
Wir brachten die Dame zu cineiii Wagen uiid veiab-
schiedeten uns. Der Arzt kehrte ins Theater zurück. Ich bin
noch lange allein durch die stillen winterlichen Straßen ge-
gangen und hatte nach Lustspielen keiii Verlangen mehr.
Deich Stimmung
Strandheidereich,
Dünen und Deich!
Wolken und Wogen, Himmel und du!
Ich liege im Ginster, die Augen zu,
und höre ein Lied in Schaum und Wind;
das tönt wie graue Unendlichkeit,
und ein Klang darin von der nahen Zeit,
wo wir alle — lange vergessen sind.
Achim Stoltenberg
Intermezzo
Der Stroßenbahnzug hält. Eine sehr entzückende Dame,
in Gesellichaft eines Herrn, steigt ein.
Sie niinint neben mir fstan, ohne den lebhaften Waffer-
fall ihrei Mvllstimine einzudämmen.
Er lehnt stch, „i die Zeitung blickend, an die Tür des
Wagens. Weil» er einmal, nach langem Intervall, ein
Wort entgegnet, merkt mau, daß er Fehler im Zuhören
begangen hat.
„Aber du paßt ja gar nicht auf!"
Er lächelt zerstreut, nickt, liiarkiert flüchtig Aufmerksam-
keit, läßt wieder die Augen in die Druckjpalicn irren.
Sie fähit zu sprechen fort.
„Du bist ungezogen!" erklingt eg plötzlich mit etwas
schärferer Betonung.
Ich entnehme meiner Aktentasche eine umfangreiche,
prächtig illustrierte Moden:coue, deren Blätter ich rauschend
umwenöe. — Die Dame stutzt. Blickt scheinbar zufällig,
kurz musternd herüber.
Ich war bei „Unterkleidern und Schuhen," nun gehe
ich zu „Blusen und Jacken" über.
Die Dauic plaudert langsamer und schickt andauerndere
Blicke. Er läßt etwas hänsiger einen Satz von Stapel.
Ich bin bei den „Kostümen" angelangt.
Sie macht Gesprächspausen, er Ipricht anhaltender.
Nun aber schlage ich die „Hüte" auf.
Sie spi icht nicht mehr, scheint jegliche Scheu überwunden
zu haben und blickt nnt aiigelegeiitlicher Interessiertheit in
meine Zeiiichnsk. Er bat mir einem cnergsichen Knick leine
Zeitung zuiainniengebogen, eingesteckt uiid ipricht, mir haß-
eifüllte Blicke zuwerfenö, nun ununterbrochen.
Die Modcnrevnc hat ihreii Zweck erfüllt. Ich schiebe sie
wieder m Die Aktentasche.
Die Danie lächelt.
Und der Herr — beginnt langsam wieder die Zeitung
aus Ser Tasche zu ziehen. xtö. Ju, Lith'ncr
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21. Chabanian
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