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von d e n 1\ ü n st lern i m alte n fl t ü nchen

V o n ® c o r 5 Jacob Wolf

m 29. ?lpril 18J8 nahm Rronprinz Ludwig von Bayern
Abschied von den deutschen Rünstlern in Jlom, mit
denen er manche frohe Woche zusammen verlebt hatte, sei
es in ihren Werkstätten, sei eg anf Ripagrandc, in der spa-
nischen weinschenke. In der Villa Schülthcist vor der Porta
dcl Popolo wurde das Lest des Scheidens gerüstet und auf
ein Wiedersehen getrunken. Cornelius war immer dem Prinzen
zur Seite; Schnorr, Veit, Overbeck, Schadow, Ohlntüller,
Gärtner umringten ihn, und da brannte Ludwigs leicht
entstammbarcs Herz lichterlohe. „Alle will ich Euch in München
haben," rief er zu vielen Malen aus, „alle, und dieser Tag soll
die Eröffnungsfeier eines neuen Zeitalters der Rünste sein."

wie es Ludwig verheißen, so geschah cs wenige Jahre
später: Cornelius wurde nach München geholt, ein neues
Zeitalter der Malerei Hub an, und viele glaubten deshalb,
mit dem Bunde zwischen Ludwig und Cornelius habe die
Malerei in München überhaupt erst ihren Anfang genom-
men. weit gefehlt! In der Stille ist in München von tüch-
tigen Meistern stets Rechtes und Schönes geschaffen wor-
den, und war cs weniger laue und weniger anspruchsvoll,
so hat cs darum doch nicht mindere Bedeutung. Besonders
aber sind die Menschen, die als Schöpfer hinter diesen Arbeiten
stehen, stets ganze Rcrle gewesen; manches Original im guten
Sinn ist unter ihnen, und die Erinnerung an sic aufwecken,
heißt glückliche Augenblicke in einer köstlichen Rleinrvelt erleben.

Da sind die alten «Zer-
ren, die noch im Dreispitz
gingen, wenn ihr Rur-
fürst nach ihnen verlang-
te: Franz Joachim Bcich,

Ofelc und Herz, Horentans
und die beiden Asain —
von ihnen allen ist keiner
ins 19. Jahrhundert hcr-
übergekommen. Nur einer
von den Münchner tluv
lern dieses Zeitalters ver-
bindet in seiner Runst das
Rokoko mit der Frühzeit
des Biedermeiertmns: der
Bildnismaler Ioh. Georg
Edlinger, der aus Graz
einwanderte, J 781 kur-
bayerischer Hofmaler wur-
de und noch den wiener
Rongreß überlebte. Der
brave, tüchtige Meister
verstand es nicht, „etwas
aus sich zu machen." Er
war bescheiden und fornt-
los, seine Häuslichkeit war
nicht die eines „Maler-
fürsten". Vielmehr ver-
fügte inan nur über einen
einzigen heizbaren Raum
in der kleinen Wohnung
an der Herzogspitalstraßc
oder, wie sic damals hieß:

Rörnspeckhergasse, wo von jeher die Rünstler gerne wohnten.
In dieser einen Edlingerstubc aber wurde gleichzeitig gemalt
und gekocht, gewohnt und gegessen, und cs konnte sich wohl
ereignen, daß irgend ein großmächtiger Herr Graf am Fen-
ster vorne auf dein kleinen Podiunr dein Meister zum Por-
trät saß, während in den dunklen Hintergründen des Zimmers
die Rinder spielten und die brave Frau Marianna Bar-
bara Edlingerin, eine gebürtige Münchnerin, ihren Nudel-
teig auswalktc. Und dann begab cs sich wohl, wie cs Rar!
Spitzweg, der Nachbarsbub, der später auch kein ganz
schlechter Maler wurde, gern erzählte tind wie Rarl Traut-
inann cs nicderschrieb, daß der weltungcwandte Edlinger seine
Eheliebste als kritisches publikun, an die Staffelet rief, und
daß sich da etwa folgendes Gespräch entspann: „Da geh' her

— schau dir amal den Herrn Grafen an — wie find'st ihn
denn 7" — „Ja, ganz schön, aber d' Nasen, mein' ich, war
a bißl ;' groß." — „No — mach' mcrs eahm halt kloaner —
und jetzt dcrfst wieder geh'n!"

Als Cornelius und die anderen Hochgemuten kanten, war
Edlinger gerade gestorben, aber noch lebten die beiden Dillis,
noch lebte Wilhelm Robe», der jüngere Dorner, der treff-
liche Wagenbauer und der pullacher Meister Warnberger,
nicht minder Ouaglio, der ausgezeichnete Architckturntaler,

— tun nur die Bedeutendsten zu nennen. Als der Geistliche
Rat Lorenz Hübner im Jahre 1805 den zweiten Teil seiner

„ Beschreibung der kur
baicrischen Haupt- und Re
sidcnzstadt U tünchen" ver-
öffentlichte, gab er auch ein
Verzeichnis der „hier woh-
nenden Rünstler". Dabei
zahlte er vier Bildhauer,
Zwei Rupfcrstcchcr, einen
Theater-Architekten tmd
einundzwanzig Maler auf,
fügte aber als Vertreter
„der schöne,t Rünste" gleich
einen Edclgestcinschneidcr,
einen Rlavier- und einen
Orgelbauer, einen Stein-
druckcr, einen Stukkator
und zwei U techanikcr und
Stückbohrcrmcister hinzu
und ließ nicht einmal die
Anmerkung fehlen, es gebe
natürlich in jeden: Fache
Rünstler, aber cs fei nicht
möglich, ohne den Neid zu
reizen, die Rünstler int
Fach der Töpfer,Schlosser,
Tischler, Schneider und
Schuhmacher namhaft zu
machen. Das wirft ein be
zeichnendes Licht auf die
soziale Stellung der Rünst-
ler int alten München!

Georg von Dillis, ein
Revier Försterssohn atis

Am See Wilhelm von ttodetl

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Register
Georg Jacob Wolf: Von den Künstlern im alten München
Wilhelm v. Kobell: Am See
 
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