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Gräfentonna Bef Gotha

Rud. Hlrth Vu FreneS

AUS DEM HIRTH-SCHREIN

Was die Isar rauscht, der Föhn Dir singt,

Als himmlisches Lied über dieBerge sich schwingt:
Der Schönheit und Freude erbaue Dein Haus!
Den Trübsinn sage zum Tempel hinaus I

Es locken die Wege zur Freiheit!

Fort mit dem schwarzen Gewand, mein Kind,
Leg an Dein festliches Kleid geschwind,

Voll lachender Farben und leuchtender Zier
Sieh, hochzeitlich Leben km weiten Revier!

Hell leuchten die Wege zur Liebe!

Und aus Rahe und Ferne ström's heran —
Wandervölker in Sehnsuchts-Bann:

Heil München! Wölb über uns Dein Zelt,
Mach frei und froh uns Herz und Welt!

Bereit' hehrer Kunst die Wege!

Du Stadt der Feste und edelster Lust —

Des Lebens Sinn, wer hätt' ihn gewußt?

Des Lebens Krone, wer reichte sie dar
Und machte die Wunder der Schönheit wahr?
O selige Wege zur Heimat!

Michael Georg Conrad

GEDANKEN

VOX GKOK6 IIIKTII

Zur Wiederkehr seines 80. Geburtstages

Oh, thr Nächte, wle seid ihr so endlos, und ihr Lernjahre,
wie seid ihr so lang, und du Leben, wie bist du so kurz!
*

Jede Offenherzigkeit, die dir Überwindung gekostet, ist
ein Beweis vertrauender Liebe. An dem Wohlwollen, mit
dem dein Bekenntnis ausgenommen wird, kannst du den
Grad der Gegenliebe erkennen, — an der Festigkeit jeneS
Wohlwollens den Charakter der Person, der du dein Ver-
trauen geschenkt. Bist du aber von vornherein sowohl ihres
Wohlwollens als ihres Charakters sicher und öffnest thr
dennoch nicht dein Herz, so forsche in deinem Gemüte »ach
dem Anreiz der Verheimlichung, und du wirst finden, daß
es nicht bloß Untreue, sondern schon fast Treulosigkeit ist.
*

Die großen Toten sollen wir verehren und studieren,
— aber nicht imitieren I Wie der lebende Künstler durch
täuschende Nachahmer geschädigt wird, so werden die Toten
durch sie viel mehr beleidigt und ihrer Individualität beraubt,
als geehrt. „Laßt uns unsere Handschrift und unsere
Gedanken, — wir wollen allein bleiben!" So die Grabes-
stimme. — Ärgern wir die großen Schatten nicht. - R. I. P.
Imitation ist lebendiger TodI

AUS DEM HIRTH-SCH REIN

Kalt bedacht und heiß getan,

Stets gestiefelt auf dem plan,

Gut gebrüllt und brav gerauft,

Niemals hinterdrein geschnauft
Und am Gestern fest geklebt —

Heiß ich: mannhaft schön gelebt I

Ernst Freiherr von Wolzogen
*

Was übertrifft des Künstlers Brust an Wonnen!

Das Unheil ist ihm reichster Freudenbronnen,
Aus wilden Klagen schöpft er sel'ge Lust.

Wle aber lahmen selber ihm die Schwingen
Im Mißgeschick. Und bei des Goldes Klingen
Ist er sich tiefsten Menschentums bewußt.

Wer Gott ist, wissen wir. lind weil wkr's wissen,
Verschließen wir's in uns. Wer A»g in Auge
Ihm sah, erzählt es nicht dem eignen Kinde,
Wen er gesehn. Was nutzt es denn dem Kinde,
Wenn es ihn nicht auf eigne Kosten findet.

Wer von ihm spricht, der tuts von Hörensagen
Und glaubt an ihn, weil er ihn nicht erkannt.
Frank Wedekind

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Register
Frank Wedekind: Aus dem Hirth-Schrein
Ernst Frh. v. Wolzogen: Aus dem Hirth-Schrein
Michael Georg Conrad: Aus dem Hirth-Schrein
Rudolf Hirth du Frênes: Gräfentonna bei Gotha
Georg Hirth: Gedanken
 
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