D r
e r
Tage
Novelle von Rolf Brandt
Er überzählte noch einmal die Möglichkeiten. Wenn man zwei Monate
lang am Mittagessen und am Abendbrot fünf Mark sparte, so ergab öaS
dreihundert Mark. Das Sparen war möglich. Mit dreihundert Mark
diese drei Tage zu erwischen, ivar nicht möglich. Also mußten noch andere
Hilfsmittel herangezogen werden. Er faß in der kleinen Stube und übersah
die paar Dinge, die ihm gehörten.
An die Anzüge konnte nicht herangegangen werden, an die Wäsche
schon gar nicht. Ein paar Bücher. Die in Leder gebundene Ausgabe von
Thackcray „Eitelkeitsmarkt". Geschenk von Erna i. Juli igi/j. Er wog
die Bände in der Hand. Ach, d'ese Konjunktur hatte er versäumt! Hundert
Mark, nicht niehr. Er kramte in der Bücherkiste, fand ein paar gebundene
Reklainbändchen, eine alte Rangliste, Schulbücher. Ganz unten am Boden
ein breites rotes Buch. Daß er daran nicht gedacht hatte! Sein Brief-
marken-Album. Einen Augenblick stand Helle Jugendzeit vor ihm. Onkel
Max ans Brannfchweig hatte ihm die Thurn und Taxis geschenkt. Die
Kiantschau staminte von dem Onkel General und die vielen Afrikaner ans
der Zeit, da Vater noch an Mutter aus Süd-West geschrieben halte.
Diese Mauritius war unecht. Der kleine Witzingen hatte sie ihm anqe-
schwindelt. Der kleine Witzingen. . . Skagerrak. Die bunten Länder. Der
bunte Traum. Er fuhr mit der rechten Hand durch die Luft. „Klar Schiff,
mein Junge!"
Das ivar vorbei. Man reparierte Automobile. Aber man wollte einmal,
einmal drei Tage in das alte Leben hineingncken. Grüner Soinmer. Blaues
Wasser. Irgendwo an der Ostsee oder Nordsee. Schöne Frauen. Weiße
Kleider. Es war kindlich. Ja. Aber einmal, einmal.
Also dreihundert Mark waren sicher da, namentlich, da die Margarine
billiger wurde. Wieviel gaben die Briefmarken? Er war sehr kühl in solchen
Einschätzungen geworden, er hatte einige Erfahrungen h>nler sich. Immer-
hin. Daß er nicht daran gedacht hatte! Vielleicht wäre es nicht nötig ge-
wesen, das silberne Zigarettenetui zu verkaufen. Preis von der Kieler Woche.
Marinesegeln 1912. Vielleicht wäre es nicht nötig gewesen.
Er ging zum Briefmarkenhändler. Der erzählte ihm von der Schlech-
tigkeit der Zeiten. Er kaufe an sich wenig. Er habe viel Geld bei den Ab-
stimmungsmarken verloren. Aber er wolle sich das Albuin einmal ansehen.
„Die Mauritius ist nicht echt, mein Herr," sagte er dann im vorwurfs-
vollen Tone. „Don den Kolonialmarken fehlt grade die Serie mit dem Über-
druck!" Er sagte das sehr streng, daß grade der Überdruck fehle. „Ich werde
es nur durchkalknlieren," schloß er dann. „Kommen Sie morgen wieder!"
Am nächsten Tage bot er öreihundertMark. „Sechshundert," sagte Kurt.
Auf vierhundertfünfzig einigten sie sich einschließlich verschiedener Steuern.
Der blaue Anzug war noch ausgezeichnet. Cs gab dazu sogar noch ein
Paar weiße Hofen. Er bügelte sie selbst. Ein Paar gelbe Halbschuhe waren
auch noch da. Eine blaue Mütze. Ganz gut. Handschuhe standen reichlich
zur Auswahl. Wenn alles fo reichlich vorhanden gewesen wäre, wie
Handschuhe. . .
Also: Sonnabend, Sonntag, Montag. Dem Wcrkführer war eü nicht
ganz recht. Grade in der Zeit, da Reparaturen heraus mußten. Aber Kurt
war ein guter Arbeiter.
Sonnabend. Sonntag. Montag. Freitag Abend fuhr man ab. Kurt
rechnete: die Fahrt einhnndertfünfzig Mark, blieben sechshundert Mark.
Das ivar ganz anständig. Ein Zimmer im Knrhotel halte er bestellt.
Die See war blank und blau, ihr Atem wehte über den Strand. Kurt
bieiteke die Arme. Er vergaß das kleine Zimmer und die große dunipfe
Werkstatt. Er sah den Frauen lächelnd in das Gesicht, er fuhr mit der
Hand über kleine Blondköpfe. Er rauchte ain Nachmittage nach dem Mokka
eine ivundervolle ägyptische Zigarette, schloß halb die Angen. Sein Fuß
wippte leicht hin und her.
Am Nebentifch, mein Gott, die Frau war schön. Ihre Angen streiften
einmal voll feinen Blick. Sie ging zum Strand. Kurt folgte ihr. Er hatte
die Frauen vergessen oder er hatte nach ihnen' gesehen in der gleichgültigen
Stimmung eines Menschen, der weiß: ich bin aus dem Ring. Drei Tage!
Drei Tage sind eine kleine Ewigkeit!
Sie lag im dunkelblauen Mittagsfchatten vor ihrem Strandkorb, als
er sie anfprach. Ihre Augen lächelten frei und blau aus dem bräunlichen
Gesicht. Ein paar Worte, zögernde Worte. Die Augen sprachen deutlicher.
Sie erlaubte, daß er sich neben ihr niederließ. Ihre schmale linke Hand,
auf der ein großer Smaragd hellgrün leuchtete, spielte im warmen Sande.
Die rechte lag unter dem vollen Oval ihres Gesichtes. Ihre Arme tchim-
merten hell durch die zarten Spitzen des Kleides, Spitzen, die wohl fein
Einkommen für ein Jahr bedeuteten.
Er erzählte von Tropennächten, Mittelmeerfahrten, von sturmzerfetzten,
mondlosen Nächten aus hoher See. Hafenstädte. Braune Singh-Frauen,
die grelle rote Tücher u,n schlanke Hüften trugen. Die weißen Häuser von
Buenos-Aires, die wie Flammen zum Himmel loderten Er erzählte, und
immer war es zwischen den Woiten wie leises Streicheln: Du bist schöner
als alles, von dem ich weiß.
Sie wollten gegen Abend segeln.
Sie fragte, als das kleine Boot durch leichte Wellen tanzte: „Werden
Sie lange bleiben?"
„Ich weiß noch nicht," wich er aus.
Sie sagte ihm ihren Vornamen. Nichts weiter wissen. Kurze Fahrt.
Am Abend holte er sie von ihrer Pensionsvilla ab. Er sah erst jetzt ans
ihre rechte Hand, sie war ringlos, nur an der linken funkelte jetzt m dunkel-
grünem Feuer der Smaragd.
Sie faßen bei einer Flasche Rheinwein. „Keinen Sekt und — halbpart."
hatte sie gesagt. Die Musik vom Kurfaal flog über die helle Veranda.
Gleichmäßig und sanft schlug der To» des Meeres zwischen die Musik-
stücke. Ihre Stimme war zutraulich geworden. Sie berührte einmal seine
Hand ganz leicht. „Sehen Sie, da ist der berühmte Sänger. Er trägt seine
Berühmtheit wie einen Bademantel. Ich hasse Berühmtheiten." Der
Sänger grüßte zu ihr herüber.
Sie tanzten. Zwei, drei Tänze. Aber in ihren Augen war jetzt eine
goldene Flamme. Er fühlte ihren Körper durch die dünne Seide. Als er
das Weinglas wieder zum Munde führte, war feine Hand unsicher.
Auf dem Wege zur Villa küßte er ihre Hand. Es war ein merkwürdiges
Lächeln in ihren Augen. Ihr Mund leuchtete weinrot dnich das lichte
Dämmern der Sommernacht. Er küßte ihren Mund. Sie bog sich zurück,
küßte ihn wieder, nahm feine Hände, beide Hände, löste sie von ihrer
Schulter, preßte sie fest und sagte: „Auf Morgen! Du bist ein lieber,
guter Junge!"
Ihr helles Kleid wehte in der offenen Tür.
Kurt faß noch einen Augenblick auf dem schmalen Balkon vor seinen,
Zinimer. tlber dunkle Baumwipfel sah man in blaugrüne Ferne. Das
Meer. Aus dem Kurpark klang noch Lachen hin und wieder herauf. Als
er in das Zimmer ging, machte er eine Bewegung nach feiner Brieftasche.
Er lächelte, ließ den Griff, rauchte ein paar Züge. Als cr einschlief, sah er
ihre hellblauen, freien Angen, sah ein wehendes helles Kleid.
Am nächsten Morgen lag der Strand im grellen Sonnenlicht. Kurt
war jetzt übermütig wie in feiner Seekadettenzeit. Sie gingen baden. Er
überschüttete ihren schönen Körper mit Wasserbergen. Er preßte ihren Arm.
Die Sonne lag zitternd über ihrer feuchten Haut.
„Agnes, bist Du schön!" sagte er.
„Eigentlich ist es nicht gut, dies gemeinsame Baden, Sie wilder Junge."
„Warum, Agnes?"
„Man nimmt sich so viel vorweg und . . ."Er preßte ihre Hand. Das
Braune ihrer Wangen war rot durchflutet.
Am Nachmittag gingen sie nach einem Ausflugsort. Er schob seinen
Arni in den ihien. Er wußte jetzt, daß sie Witwe war. Ihr Vater mußte
eine große Rolle spielen. Von ihn, wußte sie nur den Namen, den guten
Namen. Er hatte ja auch sonst nichts, von dem eg sich zu wissen lohnte.
Ein anderes Paar grüßte sie plötzlich auf dem Heimweg. Sie löste fast
heftig seinen Arm aus den ihren.
„Das geht wirklich nicht mehr. Sie sind zu schnell, mein Freund. Viel
zu schnell."
Er lächelte mit einem leicht seufzenden Ausklang.
An diesem Abend lirß sie sich nicht küssen; es war lebhafter in der
Villenstraße als gestern. Aber sie hatten eine lange Segelpartie für Montag
verabredet. Es komme auf den Wind an, ob man zurückkäme, hatte der
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Novelle von Rolf Brandt
Er überzählte noch einmal die Möglichkeiten. Wenn man zwei Monate
lang am Mittagessen und am Abendbrot fünf Mark sparte, so ergab öaS
dreihundert Mark. Das Sparen war möglich. Mit dreihundert Mark
diese drei Tage zu erwischen, ivar nicht möglich. Also mußten noch andere
Hilfsmittel herangezogen werden. Er faß in der kleinen Stube und übersah
die paar Dinge, die ihm gehörten.
An die Anzüge konnte nicht herangegangen werden, an die Wäsche
schon gar nicht. Ein paar Bücher. Die in Leder gebundene Ausgabe von
Thackcray „Eitelkeitsmarkt". Geschenk von Erna i. Juli igi/j. Er wog
die Bände in der Hand. Ach, d'ese Konjunktur hatte er versäumt! Hundert
Mark, nicht niehr. Er kramte in der Bücherkiste, fand ein paar gebundene
Reklainbändchen, eine alte Rangliste, Schulbücher. Ganz unten am Boden
ein breites rotes Buch. Daß er daran nicht gedacht hatte! Sein Brief-
marken-Album. Einen Augenblick stand Helle Jugendzeit vor ihm. Onkel
Max ans Brannfchweig hatte ihm die Thurn und Taxis geschenkt. Die
Kiantschau staminte von dem Onkel General und die vielen Afrikaner ans
der Zeit, da Vater noch an Mutter aus Süd-West geschrieben halte.
Diese Mauritius war unecht. Der kleine Witzingen hatte sie ihm anqe-
schwindelt. Der kleine Witzingen. . . Skagerrak. Die bunten Länder. Der
bunte Traum. Er fuhr mit der rechten Hand durch die Luft. „Klar Schiff,
mein Junge!"
Das ivar vorbei. Man reparierte Automobile. Aber man wollte einmal,
einmal drei Tage in das alte Leben hineingncken. Grüner Soinmer. Blaues
Wasser. Irgendwo an der Ostsee oder Nordsee. Schöne Frauen. Weiße
Kleider. Es war kindlich. Ja. Aber einmal, einmal.
Also dreihundert Mark waren sicher da, namentlich, da die Margarine
billiger wurde. Wieviel gaben die Briefmarken? Er war sehr kühl in solchen
Einschätzungen geworden, er hatte einige Erfahrungen h>nler sich. Immer-
hin. Daß er nicht daran gedacht hatte! Vielleicht wäre es nicht nötig ge-
wesen, das silberne Zigarettenetui zu verkaufen. Preis von der Kieler Woche.
Marinesegeln 1912. Vielleicht wäre es nicht nötig gewesen.
Er ging zum Briefmarkenhändler. Der erzählte ihm von der Schlech-
tigkeit der Zeiten. Er kaufe an sich wenig. Er habe viel Geld bei den Ab-
stimmungsmarken verloren. Aber er wolle sich das Albuin einmal ansehen.
„Die Mauritius ist nicht echt, mein Herr," sagte er dann im vorwurfs-
vollen Tone. „Don den Kolonialmarken fehlt grade die Serie mit dem Über-
druck!" Er sagte das sehr streng, daß grade der Überdruck fehle. „Ich werde
es nur durchkalknlieren," schloß er dann. „Kommen Sie morgen wieder!"
Am nächsten Tage bot er öreihundertMark. „Sechshundert," sagte Kurt.
Auf vierhundertfünfzig einigten sie sich einschließlich verschiedener Steuern.
Der blaue Anzug war noch ausgezeichnet. Cs gab dazu sogar noch ein
Paar weiße Hofen. Er bügelte sie selbst. Ein Paar gelbe Halbschuhe waren
auch noch da. Eine blaue Mütze. Ganz gut. Handschuhe standen reichlich
zur Auswahl. Wenn alles fo reichlich vorhanden gewesen wäre, wie
Handschuhe. . .
Also: Sonnabend, Sonntag, Montag. Dem Wcrkführer war eü nicht
ganz recht. Grade in der Zeit, da Reparaturen heraus mußten. Aber Kurt
war ein guter Arbeiter.
Sonnabend. Sonntag. Montag. Freitag Abend fuhr man ab. Kurt
rechnete: die Fahrt einhnndertfünfzig Mark, blieben sechshundert Mark.
Das ivar ganz anständig. Ein Zimmer im Knrhotel halte er bestellt.
Die See war blank und blau, ihr Atem wehte über den Strand. Kurt
bieiteke die Arme. Er vergaß das kleine Zimmer und die große dunipfe
Werkstatt. Er sah den Frauen lächelnd in das Gesicht, er fuhr mit der
Hand über kleine Blondköpfe. Er rauchte ain Nachmittage nach dem Mokka
eine ivundervolle ägyptische Zigarette, schloß halb die Angen. Sein Fuß
wippte leicht hin und her.
Am Nebentifch, mein Gott, die Frau war schön. Ihre Angen streiften
einmal voll feinen Blick. Sie ging zum Strand. Kurt folgte ihr. Er hatte
die Frauen vergessen oder er hatte nach ihnen' gesehen in der gleichgültigen
Stimmung eines Menschen, der weiß: ich bin aus dem Ring. Drei Tage!
Drei Tage sind eine kleine Ewigkeit!
Sie lag im dunkelblauen Mittagsfchatten vor ihrem Strandkorb, als
er sie anfprach. Ihre Augen lächelten frei und blau aus dem bräunlichen
Gesicht. Ein paar Worte, zögernde Worte. Die Augen sprachen deutlicher.
Sie erlaubte, daß er sich neben ihr niederließ. Ihre schmale linke Hand,
auf der ein großer Smaragd hellgrün leuchtete, spielte im warmen Sande.
Die rechte lag unter dem vollen Oval ihres Gesichtes. Ihre Arme tchim-
merten hell durch die zarten Spitzen des Kleides, Spitzen, die wohl fein
Einkommen für ein Jahr bedeuteten.
Er erzählte von Tropennächten, Mittelmeerfahrten, von sturmzerfetzten,
mondlosen Nächten aus hoher See. Hafenstädte. Braune Singh-Frauen,
die grelle rote Tücher u,n schlanke Hüften trugen. Die weißen Häuser von
Buenos-Aires, die wie Flammen zum Himmel loderten Er erzählte, und
immer war es zwischen den Woiten wie leises Streicheln: Du bist schöner
als alles, von dem ich weiß.
Sie wollten gegen Abend segeln.
Sie fragte, als das kleine Boot durch leichte Wellen tanzte: „Werden
Sie lange bleiben?"
„Ich weiß noch nicht," wich er aus.
Sie sagte ihm ihren Vornamen. Nichts weiter wissen. Kurze Fahrt.
Am Abend holte er sie von ihrer Pensionsvilla ab. Er sah erst jetzt ans
ihre rechte Hand, sie war ringlos, nur an der linken funkelte jetzt m dunkel-
grünem Feuer der Smaragd.
Sie faßen bei einer Flasche Rheinwein. „Keinen Sekt und — halbpart."
hatte sie gesagt. Die Musik vom Kurfaal flog über die helle Veranda.
Gleichmäßig und sanft schlug der To» des Meeres zwischen die Musik-
stücke. Ihre Stimme war zutraulich geworden. Sie berührte einmal seine
Hand ganz leicht. „Sehen Sie, da ist der berühmte Sänger. Er trägt seine
Berühmtheit wie einen Bademantel. Ich hasse Berühmtheiten." Der
Sänger grüßte zu ihr herüber.
Sie tanzten. Zwei, drei Tänze. Aber in ihren Augen war jetzt eine
goldene Flamme. Er fühlte ihren Körper durch die dünne Seide. Als er
das Weinglas wieder zum Munde führte, war feine Hand unsicher.
Auf dem Wege zur Villa küßte er ihre Hand. Es war ein merkwürdiges
Lächeln in ihren Augen. Ihr Mund leuchtete weinrot dnich das lichte
Dämmern der Sommernacht. Er küßte ihren Mund. Sie bog sich zurück,
küßte ihn wieder, nahm feine Hände, beide Hände, löste sie von ihrer
Schulter, preßte sie fest und sagte: „Auf Morgen! Du bist ein lieber,
guter Junge!"
Ihr helles Kleid wehte in der offenen Tür.
Kurt faß noch einen Augenblick auf dem schmalen Balkon vor seinen,
Zinimer. tlber dunkle Baumwipfel sah man in blaugrüne Ferne. Das
Meer. Aus dem Kurpark klang noch Lachen hin und wieder herauf. Als
er in das Zimmer ging, machte er eine Bewegung nach feiner Brieftasche.
Er lächelte, ließ den Griff, rauchte ein paar Züge. Als cr einschlief, sah er
ihre hellblauen, freien Angen, sah ein wehendes helles Kleid.
Am nächsten Morgen lag der Strand im grellen Sonnenlicht. Kurt
war jetzt übermütig wie in feiner Seekadettenzeit. Sie gingen baden. Er
überschüttete ihren schönen Körper mit Wasserbergen. Er preßte ihren Arm.
Die Sonne lag zitternd über ihrer feuchten Haut.
„Agnes, bist Du schön!" sagte er.
„Eigentlich ist es nicht gut, dies gemeinsame Baden, Sie wilder Junge."
„Warum, Agnes?"
„Man nimmt sich so viel vorweg und . . ."Er preßte ihre Hand. Das
Braune ihrer Wangen war rot durchflutet.
Am Nachmittag gingen sie nach einem Ausflugsort. Er schob seinen
Arni in den ihien. Er wußte jetzt, daß sie Witwe war. Ihr Vater mußte
eine große Rolle spielen. Von ihn, wußte sie nur den Namen, den guten
Namen. Er hatte ja auch sonst nichts, von dem eg sich zu wissen lohnte.
Ein anderes Paar grüßte sie plötzlich auf dem Heimweg. Sie löste fast
heftig seinen Arm aus den ihren.
„Das geht wirklich nicht mehr. Sie sind zu schnell, mein Freund. Viel
zu schnell."
Er lächelte mit einem leicht seufzenden Ausklang.
An diesem Abend lirß sie sich nicht küssen; es war lebhafter in der
Villenstraße als gestern. Aber sie hatten eine lange Segelpartie für Montag
verabredet. Es komme auf den Wind an, ob man zurückkäme, hatte der
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