MEINE EHE MIT MISS? L O
Von Arthur --2L agner
Ich könnte meine Ehe mit Miß Lo austöscn, denn sie wcir
unter der Voraussetzung geschlossen - worden, daß der Dollar
auf 260 flehen bliebe. Er siaud nämlich, als mir heirateten, auf
2Öo. Ich war eiusach im Himmel. Inzwischen bin ich aber
wieder hi-runtergekommen — und der Dollar auch. Überhaupt
wechselt die Jntenfitätsziffer meiner Gefühle mit dem Dcvisen-
fianö und das Thernionieter unseres Eheglücks schwankt mit
dem Kurszettel. Wenn der Dollar mal 1000 stünde, ich glaube,
ich würde Miß So glühend lieben.
So bin ich nun leider mal. Zch fürchte beinahe, ich bin schon
in große M> ßstäbc amerikanisiert. Aber das ist der (Luxus-)
Zug der Zeit. Das ist modern, und modern muß doch jeder
einigermaßen gebildete Mensch sein. Ich bin Valutalitorier, also
riesig modern. Aber immer noch nicht so modern wie Miß Lo —
meine Frau sage ich nicht gern — die ist's mit allen Schikanen.
Sie treibt nämlich rhythmische Gymnastik, Körperbewegung
als solche Ausdruckösorm, und sie hat eS darin so weit gebracht,
daß sie gar nicht mehr zu sprechen braucht, sondern mir ihre
Wünsche, Befehle, Fragen vortauzt. Es ist das eigentlich die
einzig niögliche Fori» unsrer ehelichen Geselligkeit, denn sie kann
kein Wort deutsch — außer meinem Vornamen, und den jpricht
sie verkehrt — und ich kann kein Wort amerikanisch außer dein
Wort „Dollar", das ich veriiiutlich auch falsch ausspreche, aber
richtig verstehe.
Als sie an. Morgen nach unsrer Hochzeit mit Wellenbewe-
gungen inS Frühstückszimmer hineinschaukelte, ivar ich zunächst
ratloS. Woher sollte ich auch wissen, daß das hieß: „Ich habe
Dich unendlich gern, my boy!" Durch aufmerksames Studium
aber habe ich es in kurzer Zeit so weit gebracht, daß ich bereits
Kunstformeu menschlicher Rede, wie rhetorische und ironische
Fragen, verstehe und sinngemäß nicht beantworte. Wenn sie
aber jetzt, ans dem Rande eines Paneelbrettes balancierend,
zackige Figuren tanzt, drücke ich ihr die Antwort: „Du bist
Tbeo Wcridcnschlager
EINUNZUFRIEDENER
„Na ja, die Gegend iS ja schön ! Aber
für einen Futuristen müßte doch alle
paar Stunden ein kleines Erdbeben, ein
Wolkenbruch und derlei Vorkommen!"
nach ivic vor mein Augenstern!" mit mehr oder weniger großer
Itensität — je nach dem Stande der Valuta — auf die american-
girl-weichen und valukaufrischen Lippen. Sie kann auch sehr
energisch werden. Dann geht sie in einer Art ins Seclischegewaud-
tcn preußischen Stechschrittes mit ihre Befehle vor, oder, ivenn
ich bockbeinig bleibe, stellt sie sich rhythmisch-gymnastisch aus
den Kops.
Dann springe ich wohl iin Hechtsprung mit beiden Scheitel-
beinen gegen die Wand, uni anzudeuten, daß ich partout mit
dem Kopf durch die Wand wolle, und daß in dieser Sache mit
mir absolut nicht weiter zu reden, beziehungsweise zu gymna-
stikelu jci. MeiltenS deutet sie dann zuin Zeichen ihrer Unterord-
nung unter meinen obsiegenden männlichen Willen Harakiri an.
Soweit vollzieht sich unser Zusammenleben in geradezu klassi-
schen Formen, und wir würden in einem Miethaus — wenn
wir nämlich nicht eine elegante Villa bewohnten, für ruhige
Mieter gelten. Denn auch bei meine» rabiatesten Hechtsprüngen
und zu Zeiten stacker Rceinungsdisserenzen und ehelicher Hoch-
spannung lege ich Wert darauf, gegen einen dicken Wandteppicb
zu springen, teils aus Gründen der Lärmvermeidung, teils, um
die Tapete zu schonen, teils zu meiner eignen Bequemlichkeit.
Dabei machen sich die Devisen glänzend, und unserem Gluck
wären keincSchranken gesetzt, wenn Lo nicht auch alles andere nach
rhythmisch-gymnastischen Maximen erledigte. Für Haushalts-
arbeit — und wenn man drei Dienstboten hat, bleibt für die
Hausfrau fast alles allem zu tun — hat sie die moderne Klavier-
sviel methodc von Breithaupt—das Unterarmrolleu und Schn ter-
schlenkern, — modifiziert und mit ihrem rhythmischen Expressio-
nismus vereinigt, genial, wie ich glaube, aber leider durchaus
unpraktisch. Sie näht Knöpfe an mit dem für Legatospiel so
geeigneten seelenvollen Ellenbogeuschwung. Ich kenne ihn, weil
ich selbst Klavier spiele. Man kann die Töne nur so hinhauchen.
Leider sind die Knöpfe, die Lo so seelisch annäht, auch nur hin-
gehaucht und halten nicht.
Sic nimmt Gänse aus mit dem pantomimischen Pomp eines
heidnischen priesterlicheu Zeremoniells. Wenn sic Apfelstrudel
bei etwaigen Bestellungen bittet man aut die Münchner „Jugend" Bezug zu nehmen
898
Von Arthur --2L agner
Ich könnte meine Ehe mit Miß Lo austöscn, denn sie wcir
unter der Voraussetzung geschlossen - worden, daß der Dollar
auf 260 flehen bliebe. Er siaud nämlich, als mir heirateten, auf
2Öo. Ich war eiusach im Himmel. Inzwischen bin ich aber
wieder hi-runtergekommen — und der Dollar auch. Überhaupt
wechselt die Jntenfitätsziffer meiner Gefühle mit dem Dcvisen-
fianö und das Thernionieter unseres Eheglücks schwankt mit
dem Kurszettel. Wenn der Dollar mal 1000 stünde, ich glaube,
ich würde Miß So glühend lieben.
So bin ich nun leider mal. Zch fürchte beinahe, ich bin schon
in große M> ßstäbc amerikanisiert. Aber das ist der (Luxus-)
Zug der Zeit. Das ist modern, und modern muß doch jeder
einigermaßen gebildete Mensch sein. Ich bin Valutalitorier, also
riesig modern. Aber immer noch nicht so modern wie Miß Lo —
meine Frau sage ich nicht gern — die ist's mit allen Schikanen.
Sie treibt nämlich rhythmische Gymnastik, Körperbewegung
als solche Ausdruckösorm, und sie hat eS darin so weit gebracht,
daß sie gar nicht mehr zu sprechen braucht, sondern mir ihre
Wünsche, Befehle, Fragen vortauzt. Es ist das eigentlich die
einzig niögliche Fori» unsrer ehelichen Geselligkeit, denn sie kann
kein Wort deutsch — außer meinem Vornamen, und den jpricht
sie verkehrt — und ich kann kein Wort amerikanisch außer dein
Wort „Dollar", das ich veriiiutlich auch falsch ausspreche, aber
richtig verstehe.
Als sie an. Morgen nach unsrer Hochzeit mit Wellenbewe-
gungen inS Frühstückszimmer hineinschaukelte, ivar ich zunächst
ratloS. Woher sollte ich auch wissen, daß das hieß: „Ich habe
Dich unendlich gern, my boy!" Durch aufmerksames Studium
aber habe ich es in kurzer Zeit so weit gebracht, daß ich bereits
Kunstformeu menschlicher Rede, wie rhetorische und ironische
Fragen, verstehe und sinngemäß nicht beantworte. Wenn sie
aber jetzt, ans dem Rande eines Paneelbrettes balancierend,
zackige Figuren tanzt, drücke ich ihr die Antwort: „Du bist
Tbeo Wcridcnschlager
EINUNZUFRIEDENER
„Na ja, die Gegend iS ja schön ! Aber
für einen Futuristen müßte doch alle
paar Stunden ein kleines Erdbeben, ein
Wolkenbruch und derlei Vorkommen!"
nach ivic vor mein Augenstern!" mit mehr oder weniger großer
Itensität — je nach dem Stande der Valuta — auf die american-
girl-weichen und valukaufrischen Lippen. Sie kann auch sehr
energisch werden. Dann geht sie in einer Art ins Seclischegewaud-
tcn preußischen Stechschrittes mit ihre Befehle vor, oder, ivenn
ich bockbeinig bleibe, stellt sie sich rhythmisch-gymnastisch aus
den Kops.
Dann springe ich wohl iin Hechtsprung mit beiden Scheitel-
beinen gegen die Wand, uni anzudeuten, daß ich partout mit
dem Kopf durch die Wand wolle, und daß in dieser Sache mit
mir absolut nicht weiter zu reden, beziehungsweise zu gymna-
stikelu jci. MeiltenS deutet sie dann zuin Zeichen ihrer Unterord-
nung unter meinen obsiegenden männlichen Willen Harakiri an.
Soweit vollzieht sich unser Zusammenleben in geradezu klassi-
schen Formen, und wir würden in einem Miethaus — wenn
wir nämlich nicht eine elegante Villa bewohnten, für ruhige
Mieter gelten. Denn auch bei meine» rabiatesten Hechtsprüngen
und zu Zeiten stacker Rceinungsdisserenzen und ehelicher Hoch-
spannung lege ich Wert darauf, gegen einen dicken Wandteppicb
zu springen, teils aus Gründen der Lärmvermeidung, teils, um
die Tapete zu schonen, teils zu meiner eignen Bequemlichkeit.
Dabei machen sich die Devisen glänzend, und unserem Gluck
wären keincSchranken gesetzt, wenn Lo nicht auch alles andere nach
rhythmisch-gymnastischen Maximen erledigte. Für Haushalts-
arbeit — und wenn man drei Dienstboten hat, bleibt für die
Hausfrau fast alles allem zu tun — hat sie die moderne Klavier-
sviel methodc von Breithaupt—das Unterarmrolleu und Schn ter-
schlenkern, — modifiziert und mit ihrem rhythmischen Expressio-
nismus vereinigt, genial, wie ich glaube, aber leider durchaus
unpraktisch. Sie näht Knöpfe an mit dem für Legatospiel so
geeigneten seelenvollen Ellenbogeuschwung. Ich kenne ihn, weil
ich selbst Klavier spiele. Man kann die Töne nur so hinhauchen.
Leider sind die Knöpfe, die Lo so seelisch annäht, auch nur hin-
gehaucht und halten nicht.
Sic nimmt Gänse aus mit dem pantomimischen Pomp eines
heidnischen priesterlicheu Zeremoniells. Wenn sic Apfelstrudel
bei etwaigen Bestellungen bittet man aut die Münchner „Jugend" Bezug zu nehmen
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