VOM MÄDCHEN,
DAS IMMER KALTE FÜSSE HATTE
Es war einmal ein fünfzehnjähriges Mädchen. D,
wie schön war das! lind es hatte die wunöernetteften
Bcinchen, die Ihr Euch nur denken könnt Aber, ach,
sie fror, so entsetzlich au den Füßen. Mitten im Som-
mcr, wenn andere Leute am liebüen barfuß gegangen
wären, konnte man sie stöhnen hören: „Oh, wie friere
ich an den Füßen!"
Da strickte ihr ihr gutes, altes Mütterchen ein Paar
dicke, wollene Strümpfe. Die waren fo mollig warm,
— ei, so ein Paar möchte wohl jedermann haben!
lind das Mädchen zog sie au und ging bannt im
Hellen Sonnenschein spazieren, — aber als sie nach-
hause kam, jammerte sie wieder: „Oh, wie friere ich an
den Füßen!" — Ich glaube, ihre Füßchen waren verhext.
Da besorgte ihr die gute Tanke Lina ein Paar
pelzgefütterte Schuhe So warme, dicke Schuhe habt
Ihr überhaupt noch nicht gesehen! Man hätte eine
Nordpolexpedition damit machen können. Aber als
das Mädchen damit eine Viertelstunde spazieren ge-
gangen war, kam sie wimmernd zurück: „Oh, wie
friere ich an den Füßen1"
Da kam der gute Onkel Karl zu Besuch, und weil
mittlerweile Weihnachten geivorden ioar, kaufte er ihr
ein Paar seidene Strinnpfchcn, die ivareu so zart wie
der Windhauch und so dünn wie Spinnenweb. Die
zog das Mädchen an und schlupfte in ihre dünnsten
Schühchen und lief hinaus. Es war aber ein eisig kal-
ter Wintertag, die ganze Stadt war wie ein einziger
Eisfchrank. Und fünf Stunden blieb das Mädchen
aus und als sie zurückkam, hatte sie erfrorene Ohren,
und ihre Nase war ein EiSzapf, aber das tat ihr gar
nicht weh, sondern sie lachte und jauchzte: „Oh, habe
ich warme Füße! Oh, sind meine Füße warm!"
Und sie stand den ganzen Abend vor dem Spiegel,
um zu sehen, wie warm ihre Füße waren! — Am
Ende waren sie doch nicht verhext? ... «nrichen
r i ct> Wilke (München)
A. w jAjl v
DIE TEUREN FARBEN
„Mein zwanzigster Lehrer hätte mich beinahe geheiratet.
Aber weil ich etwas dick auftrage, hat er sich
wieder gedrückt, der Feigling!"
GANZ KLEINES GESCHICHTCHEN
Neulich kam ich mal wieder nach Dingsda. „Dings-
da, .. . wohnt da nicht dein alter Freund Sebastian?
Mensch, den mußt du doch mal besuchen! Nachsehen,
ob er immer noch das frühere verrückte Huhn ist!"
Also ich besuchte Sebastian. Nanu, was war denn
das? Seine Villa mit Tannenlaub bekränzt, jedes
Fenster streckte als Zunge eine Fahne heraus, — merk-
würdig !
„Sebastian, altes Haus, feierst Du heute ein Fa-
milienfest? Oder ist heute ein Jubiläum, das die ganze
übrige Menschheit übersehen hat?"
„Nein, Karlchen," belehrte er mich gütig. „Es ist
eine Privatfache, aber Dir will ich S verraten: Heute
jährt sich der Tag, an dem mir einmal sämtliche
Knochen im Leib dermaßen zerschlagen wurden, daß
ich'g noch zwanzig Jahre spüren werde. Und weißt
Du, an diesem Tage flagge ich immer!"
.... Ein verrücktes Huhn, dieser Sebastian, nicht
wahr? Steht sicher vereinzelt da?
Nein, doch nicht vereinzelt! Es sind mehrere
deutsche Staaten, die den g. November zum gesetz-
lichen Feiertag erhoben. Karlchen
*
KUNSTAUSDRUCK. Beim letzten Kellner-
streik in Berlin wurden einem Weinrestaurant in der
Leipziger-Straße von den Streikenden sämtliche Fen-
sterjchciben emgeichlagen.
Vater Kranje und Sohn gingen auf der anderen
Straßeiiseite vorüber und sahen sich die Bescherung an.
„Kick mal, Vata, wat is denn det da drieben?"
forschte Krause der Jüngere niit begreiflicher Neiigier.
„Det fiehstc doch," brummte der Alte, „det >S eben
einfchlägijet Jeschäft!" g.».®.
Bei etwaigen Bestellungen bittet man auf die Münchner „Jugend" Bezug zu nehmen
904
DAS IMMER KALTE FÜSSE HATTE
Es war einmal ein fünfzehnjähriges Mädchen. D,
wie schön war das! lind es hatte die wunöernetteften
Bcinchen, die Ihr Euch nur denken könnt Aber, ach,
sie fror, so entsetzlich au den Füßen. Mitten im Som-
mcr, wenn andere Leute am liebüen barfuß gegangen
wären, konnte man sie stöhnen hören: „Oh, wie friere
ich an den Füßen!"
Da strickte ihr ihr gutes, altes Mütterchen ein Paar
dicke, wollene Strümpfe. Die waren fo mollig warm,
— ei, so ein Paar möchte wohl jedermann haben!
lind das Mädchen zog sie au und ging bannt im
Hellen Sonnenschein spazieren, — aber als sie nach-
hause kam, jammerte sie wieder: „Oh, wie friere ich an
den Füßen!" — Ich glaube, ihre Füßchen waren verhext.
Da besorgte ihr die gute Tanke Lina ein Paar
pelzgefütterte Schuhe So warme, dicke Schuhe habt
Ihr überhaupt noch nicht gesehen! Man hätte eine
Nordpolexpedition damit machen können. Aber als
das Mädchen damit eine Viertelstunde spazieren ge-
gangen war, kam sie wimmernd zurück: „Oh, wie
friere ich an den Füßen1"
Da kam der gute Onkel Karl zu Besuch, und weil
mittlerweile Weihnachten geivorden ioar, kaufte er ihr
ein Paar seidene Strinnpfchcn, die ivareu so zart wie
der Windhauch und so dünn wie Spinnenweb. Die
zog das Mädchen an und schlupfte in ihre dünnsten
Schühchen und lief hinaus. Es war aber ein eisig kal-
ter Wintertag, die ganze Stadt war wie ein einziger
Eisfchrank. Und fünf Stunden blieb das Mädchen
aus und als sie zurückkam, hatte sie erfrorene Ohren,
und ihre Nase war ein EiSzapf, aber das tat ihr gar
nicht weh, sondern sie lachte und jauchzte: „Oh, habe
ich warme Füße! Oh, sind meine Füße warm!"
Und sie stand den ganzen Abend vor dem Spiegel,
um zu sehen, wie warm ihre Füße waren! — Am
Ende waren sie doch nicht verhext? ... «nrichen
r i ct> Wilke (München)
A. w jAjl v
DIE TEUREN FARBEN
„Mein zwanzigster Lehrer hätte mich beinahe geheiratet.
Aber weil ich etwas dick auftrage, hat er sich
wieder gedrückt, der Feigling!"
GANZ KLEINES GESCHICHTCHEN
Neulich kam ich mal wieder nach Dingsda. „Dings-
da, .. . wohnt da nicht dein alter Freund Sebastian?
Mensch, den mußt du doch mal besuchen! Nachsehen,
ob er immer noch das frühere verrückte Huhn ist!"
Also ich besuchte Sebastian. Nanu, was war denn
das? Seine Villa mit Tannenlaub bekränzt, jedes
Fenster streckte als Zunge eine Fahne heraus, — merk-
würdig !
„Sebastian, altes Haus, feierst Du heute ein Fa-
milienfest? Oder ist heute ein Jubiläum, das die ganze
übrige Menschheit übersehen hat?"
„Nein, Karlchen," belehrte er mich gütig. „Es ist
eine Privatfache, aber Dir will ich S verraten: Heute
jährt sich der Tag, an dem mir einmal sämtliche
Knochen im Leib dermaßen zerschlagen wurden, daß
ich'g noch zwanzig Jahre spüren werde. Und weißt
Du, an diesem Tage flagge ich immer!"
.... Ein verrücktes Huhn, dieser Sebastian, nicht
wahr? Steht sicher vereinzelt da?
Nein, doch nicht vereinzelt! Es sind mehrere
deutsche Staaten, die den g. November zum gesetz-
lichen Feiertag erhoben. Karlchen
*
KUNSTAUSDRUCK. Beim letzten Kellner-
streik in Berlin wurden einem Weinrestaurant in der
Leipziger-Straße von den Streikenden sämtliche Fen-
sterjchciben emgeichlagen.
Vater Kranje und Sohn gingen auf der anderen
Straßeiiseite vorüber und sahen sich die Bescherung an.
„Kick mal, Vata, wat is denn det da drieben?"
forschte Krause der Jüngere niit begreiflicher Neiigier.
„Det fiehstc doch," brummte der Alte, „det >S eben
einfchlägijet Jeschäft!" g.».®.
Bei etwaigen Bestellungen bittet man auf die Münchner „Jugend" Bezug zu nehmen
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